Neue Studie zur Auswanderung Deutscher: Wie sich Auslandsaufenthalte auf Gehalt und Karriere auswirken

Vor allem die jüngere Generation ist global flexibel – aus ökonomischen Motiven und aus Gründen des Lebensstils.

Anne Koschik | 04.12.2019
Jährlich wandern 180.000 meist hochqualifizierte Deutsche aus, besonders häufig aus beruflichen Gründen.

Wohin soll es gehen? Jährlich wandern 180.000 meist hochqualifizierte Deutsche aus, besonders häufig aus beruflichen Gründen. Foto: Kyle Glenn on Unsplash

Mehr als 1,8 Millionen Deutsche sind in den vergangenen zehn Jahren ins Ausland gezogen, zwei Drittel davon zeitlich befristet. Mit ihrer überdurchschnittlichen Qualifikation – drei Viertel der Expats besitzen einen Hochschulabschluss – erreichten sie durch ihren Entschluss, ins Ausland zu gehen, einen zusätzlichen Nettoverdienst von durchschnittlich knapp 1.200 Euro.

Dies zeigt die German Emigration and Remigration Panel Study, kurz GERPS-Studie, an der sich über 10.000 Deutsche beteiligt haben, die zwischen Juli 2017 und Juni 2018 ins Ausland gezogen sind.

Die grenzüberschreitende Migration zwischen den Industriestaaten, bei der es nicht um „die Wanderung von ökonomisch geringer in höher entwickelte Länder“ geht, wurde bislang wenig untersucht, erklärt dazu das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), das für die Studie verantwortlich zeichnet.

Eine wichtige Erkenntnis: Von den 45 Millionen Menschen aus den 36 OECD-Staaten, die außerhalb ihres Geburtslandes in einem OECD-Staat leben, gibt es vergleichsweise viele Deutsche. Nach Polen und Großbritannien nehmen sie mit einer Anzahl von 3,8 Millionen den dritten Platz ein. Ihr Durchschnittsalter liegt mit 36,6 Jahren fast zehn Jahre unter dem Alter der deutschen Gesamtbevölkerung.

Der Anteil der 25- bis 39-Jährigen bei den ins Ausland umgezogenen Deutschen ist also mit 63 Prozent besonders hoch. Denn diese Altersgruppe macht im Heimatland gerade einmal 27 Prozent aus.

Motive für die Auswanderung

Die Entscheidung, das Land für längere Zeit zu verlassen, geht meistens auf mehrere Gründe zurück. Es liege immer ein ganzes Motivbündel zugrunde, letztlich müsse das Gesamtpaket stimmen, sagt Marcel Erlinghagen, Inhaber des Lehrstuhls für empirische Sozialstrukturanalyse an der Universität Duisburg-Essen, der an der Studie mitgewirkt hat. „Innerhalb dessen spielen berufliche Gründe jedoch eine zentrale Rolle.“

Die meisten Befragten gaben an, nicht nur einmal in ihrem Leben ins Ausland gezogen zu sein. Vielmehr ist es für 63 Prozent ein sich wiederholendes Ereignis.

Rund 70 Prozent planen allerdings temporär, das heißt sie wollen nach ein paar Jahren ins Heimatland zurückkehren.

Und was zieht sie an die schönen und manchmal auch gefährlichen Fleckchen dieser Erde?

Der Braindrain erfolgt hauptsächlich aus beruflichen Gründen. Das ist bei knapp zwei Dritteln der Befragten der Fall. Rund die Hälfte dieser Auswanderer kommt als Master daher, 13 Prozent können sich mit einem Doktortitel schmücken und 16 Prozent besitzen den Bachelorabschluss.

Für weitere 29 Prozent der Befragten gab der Beruf des Partners beziehungsweise der Partnerin den Ausschlag. Um zu studieren, macht sich etwa ein Fünftel auf den Weg an die besten Hochschulen dieser Welt.

Auf der Suche nach einem anderen Lebensstil sind etwa 43 Prozent der Befragten, zur Familiengründung oder wegen einer Partnerschaft zieht es 38 Prozent der Befragten in die Ferne. Und knapp 20 Prozent der Befragten verabschieden sich aus Deutschland, weil sie hier nicht mehr zufrieden sind.

Vorteil: Verbesserter Lebensstandard

Die Entscheidung für den Umzug ins Ausland ist normalerweise mit der Erwartung eines verbesserten Lebensstandards verbunden. Diese Erwartungen werden auch nicht enttäuscht: Ein Großteil der international mobilen Deutschen kann seine ökonomische Situation durch den Umzug beträchtlich verbessern.

Bei Vollzeitbeschäftigten etwa steigt der monatliche Nettoverdienst Innerhalb eines Jahres um durchschnittlich 1.186 Euro deutlich an.

Über 60 Prozent der befragten Personen gaben an, dass sich ihr persönliches Einkommen, das Haushaltseinkommen und ihr Lebensstandard nach dem Umzug ins Ausland verbessert haben.

Unterschiede nach Abschlüssen

Der Umzug ins Ausland führt sowohl bei Akademikern als auch bei Nicht-Akademikern zu einem vergleichbaren Anstieg der Nettoverdienste.

Da aber Befragte mit Master- bzw. Diplomabschluss vor ihrem Umzug ins Ausland einen beinahe doppelt so hohen Nettoverdienst wie eine vergleichbare Person ohne akademischen Berufsabschluss hatten, profitieren Nicht-Akademiker sogar noch deutlicher von ihrer internationalen Mobilität.

Unterschiede in den Zielländern

Deutsche ziehen in beinahe alle Länder der Welt. Allerdings sind die Länder der Europäischen Union (45 Prozent) und die Schweiz als unmittelbarer Nachbarstaat (13 Prozent) klare Favoriten.

Der deutliche individuelle Gewinn, den die Auswanderer bei den monatlichen Nettoverdiensten erreichen, bleibt in den verschiedenen Zielländern im Grundsatz bestehen. Bei Personen, die zum Beispiel in die Schweiz oder in die Vereinigten Staaten umziehen, ist der tatsächlich zur Verfügung stehende Lohn durch die Bereinigung der Kaufkraftunterschiede geringer.

In anderen Ländern mit niedrigeren Preisniveaus – etwa  China oder Spanien – sind die kaufkraftbereinigten Löhne sogar noch höher als die unbereinigten Löhne.

Wer im Ausland lebt, nimmt diese Verbesserung der ökonomischen Situation sehr deutlich wahr.

Profitabel für die Karriere

Auslandsaufenthalte und internationale Mobilität haben einen positiven Einfluss auf den individuellen beruflichen Werdegang und die soziale Mobilität. Es ist eine klare Dynamik hin zu einer Erwerbstätigkeit festzustellen – und zwar sowohl nach dem Umzug ins Ausland, als auch nach der Rückkehr nach Deutschland.

Das heißt: Der Anteil der Auszubildenden beziehungsweise Studierende geht zugunsten einer Erwerbstätigkeit zurück. Die Ergebnisse deuten laut Studie darauf hin, „dass die Übergänge in den Arbeitsmarkt nach der Wanderung meistens erfolgreich verlaufen“.

Eine generelle Verbesserung der Lebenschancen geht dabei zumeist auch mit gesellschaftlichen Aufstiegen vieler Personengruppen einher.

Dazu Studienforscher Erlinghagen: „Der Weg ins Ausland ist chancengetrieben – es gehen nicht die Verbitterten oder Enttäuschten, sondern diejenigen, die schon in Deutschland erfolgreich waren und den nächsten Karriereschritt planen.“

Da sich also vor allem Hochqualifizierte für einen Umzug ins Ausland entscheiden, führe internationale Mobilität auch zu einer Vergrößerung bestehender gesellschaftlicher Ungleichheiten, so der Hinweis des BiB.

Nachteile des Auslandsaufenthalts

Mit der Verbesserung der ökonomischen Situation geht für viele Menschen,  die international unterwegs sind, eine Verschlechterung der sozialen Lebensbedingungen, insbesondere in Bezug auf den Freundes- und Bekanntenkreis, einher.

Zudem stellt ein Viertel derjenigen, die aus dem Ausland zurückkehren, eine Verschlechterung des Lebensstandards fest.

Mehr: Es muss nicht immer Übersee sein, Manche Auswanderer sind auch im Nachbarland glücklich – zum Beispiel in Österreich.