Jobs für starke Nerven: Mit welchen Strategien Finanzinvestoren auf Firmenjagd gehen

Ohne Härte gegen sich und andere geht es nicht.

Claudia Obmann | 22.09.2019
Private Finanzinvestoren haben aktuell deutsche Unternehmen im Visier. Dafür brauchen sie Führungspersonal.

Private Investoren Private Finanzinvestoren haben aktuell deutsche Unternehmen im Visier. Dafür brauchen sie Führungspersonal. © Helloquence on Unsplash

Private Finanzinvestoren wittern Gewinne. Die Firmenjäger haben zunehmend deutsche Unternehmen im Visier. Dafür suchen die Beteiligungsgesellschaften Führungspersonal.

Doch was heißt es, für KKR, Paragon oder ein Family Office zu arbeiten? Drei Manager schildern ihre persönlichen Erfahrungen.

Gerade traf es den Axel-Springer-Verlag: Als größter Anteilseigner ist die US-amerikanische Investmentfirma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) in den Medienkonzern eingestiegen und sorgt dort für Umbrüche und Restrukturierungen.

Das ist mitnichten ein Einzelfall: Denn private Finanzinvestoren sind elektrisiert von deutschen Unternehmen. Laut dem Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) haben sie allein 2018 mehr als 1200 heimische Firmen übernommen

Angetrieben durch billiges Kapital stecken die Firmenjäger jährlich Milliardenbeträge in ihre „Targets“, wie die Zielfirmen im Branchenjargon heißen.

Frisches Kapital und Spitzenmanager

Um sie flott zu machen wie die Kosmetikkette Douglas und den Lichtkonzern Osram oder um ein Start-up anzuschieben. Dass ein privater Finanzinvestor à la KKR Gewinne wittert und einsteigt, wie beim Springer-Verlag geschehen, kann heute in praktisch jeder Branche und unabhängig von der Firmengröße passieren.

Häufig stellt der Investor nicht nur frisches Kapital, sondern besorgt gleich noch die Spitzenmanager dazu, um seine Spar-, Innovations- oder Wachstumsstrategie zu exekutieren.

Wer sich bewährt, hat gute Chancen viel Geld zu verdienen, da die Vergütung des Spitzenpersonals stark vom Erfolg abhängt.

Insgesamt wächst die Zahl der Stellenangebote für Geschäftsführer und Vorstände in Unternehmen, an denen sich private Finanzinvestoren beteiligen, immer stärker.

Gute Chancen sehen Personalberater in der männlich-dominierten Branche für top-vernetzte Quereinsteiger mit umfangreichem Markt-Know-how zur jeweiligen Industrie.

Tempo und Umsetzungsstärke werden verlangt, ohne Härte gegen sich und andere geht es nicht. Was auf Manager im Dienst von privaten Kapitalgebern zukommt, schildern drei erfahrene Führungskräfte hier.

Beispiel 1: Gordon Riske, Kion-Chef:
„Die Vorbereitungen auf den Börsengang waren extrem anstrengend“

Der Blick aus seinem Bürofenster erinnert den Chef der Kion Group AG an einen der aufregendsten Tage seiner Karriere.

In einem gläsernem Turm vor der Frankfurter Firmenzentrale steht derjenige Gabelstapler, der vor sechs Jahren beim Debüt in der Frankfurter Börse dabei war. Er trägt ein weißes Paket, auf dem der Ausgabekurs prangt: 24,19 Euro pro Kion-Aktie – das unterste Ende der Erwartungen der damalige Eigentümer.

Das waren die beiden New Yorker Finanzunternehmen Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) und Goldman Sachs. Gemeinsam hatten sie Ende 2006 die Stapler-Sparte mit rund 20000 Mitarbeitern von der deutschen Linde AG gekauft.

Die Drahtzieher des Deals waren Alexander Dibelius, damaliger Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman-Sachs, und Johannes Huth, Europa-Chef von KKR. Beides Investoren mit einem ausgeprägten Gespür für Schnäppchen – und der Börsengang ihr erklärtes Ziel.

Riske: „Wir hatten so sehr auf diesen Tag hingearbeitet. Doch in dem Jahr hätten wir uns keine schlechtere Woche aussuchen können.“

Die ungünstigen Vorzeichen zeigten sich dem US-Amerikaner mit den deutschstämmigen Eltern schon vor seinem Rückflug von der Roadshow in New York.

Da sah er die Rede des damaligen US-Notenbankchefs Ben Bernanke in der Wartehalle. Damit war der Optimismus, der eine regelrechte Rally im ersten Halbjahr 2013 genährt hatte, schlagartig vorbei.

Statt der erwarteten Milliarden-Einnahme flossen nur 732 Millionen Euro in die Kion-Kasse. Selbst heute, nachdem KKR und Goldman längst bei Kion ausgestiegen sind, sagt CEO Riske zum verpatzten Börsenstart: „Ich fühlte mich schlecht.“

Dabei hatte der Ingenieur dem großen Ereignis alles untergeordnet. Der passionierte Langstreckenläufer Riske sagt: „Der Börsengang war extrem anstrengend. Sieben Tage-Woche, keine freie Minute für Privates, keine Chance, an morgendliches Jogging oder sogar Marathon-Läufe auch nur zu denken.“

Aufbau einer kompetenten Organisation

Tempo, Direktheit, das liegt Riske, den 2007 ein Headhunter in seinem Nordsee-Urlaub von der Kölner Deutz AG abgeworben hatte.

Beim Motoren- und Anlagenbauer hatte er sich als Sanierer einen Namen gemacht. Riske verbrachte ein paar Tage am Meer, während seine Mitarbeiter in Köln damals Karneval mit Kamelle und Kölsch feierten.

Riske erinnert sich, warum er den Wechsel von Köln nach Frankfurt gewagt hat: „Ich fand die Zusammenarbeit mit einem privaten Finanzinvestor immer interessant, weil wir uns – ohne auf den auf Quartale fokussierten Kapitalmarkt Rücksicht nehmen zu müssen – gleichermaßen auf das operative Geschäft und den Aufbau einer schnellen und kompetenten Organisation fokussieren konnten.“

Gerade in der Startphase des Unternehmens sei das extrem wichtig gewesen, meint der Manager.

Sechs Jahre lang hat Riske dann hart daran gearbeitet, die Kosten zu senken, Kion vom Gabelstapler-Anbieter zum globalen Logistik-Ausrüster umzubauen und börsenfit zu machen. Und dann der verwackelte Börsenstart.

Doch Manager im Dienst von privaten Finanzinvestoren haben keine Zeit zu lamentieren. Rückschläge wegstecken und sofort weitermachen, muss ihre Devise lauten. Das erfordert Härte gegen sich selbst, aber auch gegen andere.

Das hatte Riske schon 2009 erfahren. Als bei Kion „alles am seidenen Faden hing“. Das Gabelstaplergeschäft brach in der Wirtschaftskrise um fast die Hälfte ein und die über 100 Banken zögerten, ihre Kredite zu verlängern.

Mann für unpopuläre Entscheidungen

Zwar schoss Superlift, die Holdinggesellschaft von KKR und Goldman Sachs, damals Geld nach, dennoch musste Riske unpopuläre Entscheidungen exekutieren: Er schloss sechs kleinere Werke in Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland und schickte mehr als tausend Mitarbeiter nach Hause.

Er reiste selbst kreuz und quer durch Europa, um den Kollegen die Schließungen anzukündigen. „Das war mir persönlich sehr wichtig“, sagt Riske im Rückblick.

Den übrigen Produktionsarbeitern verordnete das Management um Chef Riske Kurzarbeit mit Lohneinbußen, um die Flaute zu überbrücken und um die Werke in Aschaffenburg und Hamburg zu sichern.

Priorität hatten die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die „ohne Abstriche fortgesetzt werden sollten“ – um gerüstet zu sein, sobald die Märkte wieder anzögen.

Der Plan ging auf. Kion-Chef Riske hat noch immer alle Hände voll zu tun. Nach der Marktführerschaft in Europa will er als nächstes eine Fabrik für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien in Deutschland aufbauen.

Riske hält noch heute alle Firmenanteile, die er einst erwarb, als er den Vorstandsvorsitz annahm. Auch sein eigenes Investment hat sich gelohnt, immerhin hat sich der Kion-Kurs vom verwackelten Börsendebüt bis heute mehr als verdoppelt.

Beispiel 2: Helga Rübsamen-Schaeff, Aicuris-Gründerin:
„Furchtbare Logik des Erfolgs“

Das Team von Deutschlands renommiertester Viren-Expertin Helga Rübsamen-Schaeff hatte allen Grund zu Jubel: Der erste Lizenzvertrag war geschlossen. 2012, sechs Jahre nachdem die Professorin für Biochemie in Wuppertal das Unternehmen Aicuris gegründet hatte, brachte die erste Substanz aus ihrem Labor 110 Millionen Euro in die Kasse.

Das US-Pharmaunternehmen MSD erwarb dafür das Recht, den vielversprechendsten Aicuris-Wirkstoff am Menschen weiter zu erproben und bei Erfolg später gegen weitere Zahlungen auch zu vermarkten.

„Das war für uns der Ritterschlag“, sagt Rübsamen-Schaeff.

Dass MSD nun sämtliche Aufgaben von der Vorbereitung für die Medikamenten-Zulassung bis zum Vertrieb des neuen Mittels, von seinen Mitarbeitern erledigen lassen würde und damit etwa ein Fünftel der Aicuris-Truppe überflüssig war, bedachte in der allgemeinen Euphorie keiner in der Wuppertaler Runde.

Funktionierendes Netzwerk

Der Investor des Unternehmens, das Family Office der Gebrüder Strüngmann, dagegen schon.

Gründerin Rübsamen-Schaeff hatte Thomas und Andreas Strüngmann, den Kaufmann und den Arzt aus dem bayerischen Holzkirchen, mitten in der Hochphase der Heuschrecken-Diskussion als langfristig orientierte Geldgeber gewinnen können.

Noch heute halten die Brüder 80 Prozent an Aicuris. Zufällig hatte die Naturwissenschaftlerin, die bis dahin für den Bayer-Konzern als Forschungschefin tätig war, damals aus dem Fernsehen erfahren, dass die beiden Hexal-Eigner ihr eigenes Unternehmen für 5,6 Milliarden Euro verkauft hatten.

„Und ich kannte sie. Wir hatten früher mal über unsere Arbeiten in der Aids-Forschung und Kooperations-Möglichkeiten gesprochen.“

Kurzerhand griff die ambitionierte Start-up-Chefin zum Telefon. Als sie dann den frischgebackenen Milliardär Thomas Strüngmann an der Strippe hatte, platzte die Professorin heraus: „Bayer gibt die Infektionsforschung ab. Haben Sie Interesse, bei mir einzusteigen?“

So bereitwillig wie sich die früheren Hexal-Eigner finanziell an ihrer Aicuris beteiligten, waren auch rund 20 ihrer Bayer-Kollegen 2004 bereit gewesen, Rübsamen-Schaeff in die Selbstständigkeit zu begleiten.

„Furchtbare Logik des Erfolgs“

Ihr Mut und ihre Loyalität hatten die Wissenschaftlerin in ihrem Vorhaben bestärkt. Doch nun stand die Chefin angesichts der „furchtbaren Logik des Erfolgs“ wieder mal vor der Frage, was passiert mit meinen Mitarbeitern?

Rübsamen-Schaeff: „Es fiel mir sehr schwer, am nächsten Tag vor meine Mannschaft zu treten und sie über den Personalabbau zu informieren.“

Immerhin gelang es, für alle Lösungen zu finden – sogar zum alten Arbeitgeber Bayer konnten manche zurück.

Rübsamen-Schaeff, die inzwischen als Vorsitzende in den Aicuris-Beirat gewechselt ist und auch anderen Unternehmen als Aufsichtsrätin dient, sagt: „So groß der Einschnitt damals für mich menschlich gesehen auch war, war es doch eine wichtige Lektion in Sachen Unternehmertum: ´Strukturen immer schlank halten´.“

Der Erfolg gibt ihr Recht: Im vergangenen Jahr hatte das Aicuris-Team wieder Grund zu Feiern.

Da nahm Aicuris-Gründerin Rübsamen-Schaeff bei einer Gala in der Berliner Station für ihr lebensrettendes Medikament gegen gefährliche Viren den mit 250.000 Euro dotierten Deutschen Zukunftspreis von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entgegen.

Beispiel 3: Matthias Kötter, ehemaliger Geschäftsführer Anti-Germ International:
„Alles nur eine Frage des Geldes“

Die typischen Volten, die ein privater Finanzinvestor so mit sich bringen kann, hat Matthias Kötter erlebt. Der 56-jährige Wirtschaftsingenieur gehört seit rund zehn Jahren zur deutschen Private Equity-Szene.

Zuerst hat der Spezialchemie-Experte Kapitalgesellschaften dabei geholfen, lohnende Investments zu finden. Zuletzt beriet er dazu Paragon Partners.

Der Münchner Firmenjäger hatte die Memminger Anti-Germ International im Visier – einen Hersteller von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln für Zuchtbetriebe, Schlachthöfe und Molkereien.

Mit dem Eigentümerwechsel sollte der bisherige Chef in Ruhestand gehen. Ein neuer CEO musste her. Berater Kötter präsentierte also seine Vorstellungen von der Restrukturierung und wie die insgesamt 13 Ländergesellschaften wachsen könnten – so dass der Investor sofort anbot: „Wollen Sie CEO der Gruppe werden?“

Kötter gefiel die Vorstellung, seine Strategie beim Mittelständler mit 440 Mitarbeitern zu verwirklichen. Er investierte im Zuge des Firmenkaufs durch Paragon selbst in das Chemieunternehmen.

Vom Erfüllungsgehilfen zum Teilhaber

An das „beeindruckende Gefühl“ nunmehr Teilhaber und nicht mehr nur als angestellter Geschäftsführer ein Erfüllungsgehilfe zu sein, erinnert sich Kötter noch gut.

Der Manager, der zunächst nach seinem Chemie-Studium den klassischen Aufstieg bei BASF und Beiersdorf hingelegt hatte, sagt über den Beteiligungsaspekt: „Damit ist die ultimative Motivation an der Spitze gesichert. Sie tun alles, damit es kein Misserfolg wird.“

So gingen Sanierung und Ausbau der Anti-Germ gut voran. Die monatlich nach München gemeldeten Zahlen lagen im Plan. Die üblichen fünf Jahre wollte Paragon die Memminger Unternehmensgruppe behalten. Doch es kam anders.

Der französische Finanzinvestor Ardian, der Anti-Germs bretonischen Wettbewerber Hypred im Portfolio hatte, kaufte Paragon Anti-Germ ab. Diese Chance, schon nach zwei Jahren Gewinn zu machen, ließen sich die Münchner nicht entgehen.

Ardian stellte 2017 dann dem deutschen CEO einen Franzosen als Co-Geschäftsführer vor, um die Integration der beiden bisherigen Konkurrenten zu bewerkstelligen. Es ging nicht gut.

Unterschiedliche Führungsvorstellungen

Während Kötter nach dem Motto steuerte „alle Macht den Regionen“, verfuhr der Franzose nach dem zentralistischen Führungsprinzip „Le roi, c´est moi“.

Kötter sagt: „Nach drei Monaten wurde ich vom zuständigen Ardian-Partner zum Klärungsgespräch nach Paris gebeten.“

Doch auch am Firmensitz des Investors an der prunkvollen Place de la Concorde gelang es dem Chef-Duo nicht, sich auf eine gemeinsame Integrationsstrategie zu einigen. Damit war die Zündschnur für Kötters Vertragsbeendigung gelegt.

Nur wenige Wochen später traf er sich erneut mit dem französischen Investor. Diesmal am Frankfurter Flughafen in der Hilton-Lounge.

Nach nur fünf Minuten war klar: Der Deutsche wird rausgekauft, die Details regeln die Anwälte.

Kötter, der heute die Ambratec-Gruppe, ein weiteres deutsches Spezialchemie-Unternehmen, anführt, weiß: „Letztlich ist das alles nur eine Frage des Geldes. Der Investor entscheidet. So ist das Spiel.“