Kürzere Recruiting-Zeiten: Worauf Bewerber jetzt hoffen dürfen

Zwar werden die Stellenangebote weniger. Aber wer aktuell die wenigen Jobchancen nutzt, kommt dafür schneller ans Ziel.

Anne Koschik | 19.11.2021
Schneller im Job: Mit IT-Skills, Social-Media-Einsatz und sicherem Handeln: Wer sich jetzt bewirbt, gewinnt.

Expertenwissen I Schneller im Job: Mit IT-Skills, Social-Media-Einsatz und sicherem Handeln: Wer sich jetzt bewirbt, gewinnt.

Das Recruiting-Tempo in deutschen Unternehmen zieht an. Nachdem sich die Personaler in der Coronakrise erstmal um die eigene Arbeitsorganisation kümmern mussten, kehren sie nun langsam wieder in den Arbeitsalltag zurück. Mit mehr Zeit, sich um Bewerber und das Recruiting zu kümmern.

Das stellt gerade die Münchener Personalvermittlungsagentur Avantgarde Experts fest. „Die Unternehmen wollen geeignete Kandidaten schneller sehen. Mussten Bewerber früher mindestens eine Woche auf Feedback warten, kommt jetzt oft schon in zwei, drei Tagen eine Antwort“, sagt Avantgarde Experts-Chef Philipp Riedel.

Doch die Zeiten seien nicht einfach – weder für Führungskräfte und Personaler, noch für Kunden und Kandidaten. Eine Schwierigkeit sieht Riedel im digitalen Recruiting und der aktuellen Möglichkeit, Jobinterviews zu führen. Denn technische Ausstattung und passende Tools seien in den Unternehmen nicht optimal vorhanden.

Höheres Tempo, aber auch mehr Vorsicht

Ein großes Problem hat der Personalvermittler in der Distanz zwischen Recruiter und Bewerber erkannt. „Personaler tun sich schwerer, die Kandidaten richtig einzuschätzen“, sagt CEO Riedel.

Stimmt die Chemie? Aus der Entfernung sei ein Urvertrauen zwischen beiden Parteien schwer herstellbar. Sowohl die Bildschirmkamera als auch eine Gesichtsmaske oder das permanente Beachten der Anderthalb-Meter-Entfernung führe zu falschen Einschätzungen.

„Es wird zu Fehleinstellungen kommen“, ist sich Riedel sicher. „Wir hören das auf Kundenebene und haben die Erfahrung selber schon gemacht, die das Bild unserer Kunden bestätigt.“ Seine Erkenntnis: Personaler seien deshalb im Recruiting vorsichtiger geworden.

Und wie reagieren die Bewerber? Es werden wieder mehr. Der Jobwechsel bietet sich auch ganz klar an. Denn: Unternehmen, die jetzt einstellen, müssen es ja ernst meinen.

Ein Risiko aber bleibt: Dass trotz guten Willens nicht alle Unternehmen die Krise überstehen werden. „Da ist der neue Job unter Umständen schnell wieder weg“, warnt der Avantgarde Experts-Chef.

Branchen und Berufsfeldern mit guten Jobchancen

Kein Nachlassen in der Talentsuche stellt der Münchener Personalvermittler bei den Digital-, Tech- und IT-Jobs fest. Hier seien Fachkräfte deutlich nachgefragt, „da gibt es keinen Rückgang bei den Stellenangeboten“.

Einige Tech-Unternehmen benutzen die aktuelle Situation offenbar auch bewusst, um sich jetzt die Talente zu holen, sie sie sonst nicht bekommen hätten, so Riedels Einschätzung. Dazu gehören auch viele Mittelständler und digitalgetriebene Unternehmen, die bei den besten Nachwuchskräften zuvor weder mit attraktivem Namen noch attraktivem Ort hätten punkten können.

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Ein großer Teil der Firmen habe aber auch endlich begriffen, wie notwendig die Digitalisierung sei – und dass hierfür das richtige Personal noch fehle.

Besonders gesucht werden aktuell Spezialisten in der Medizin-Forschung und Medizin-Technik: Diese sollten sich mit IT auskennen.

Abgesehen davon hat sich die Situation abgekühlt: Flächendeckend sei in den Branchen keine Erholung spürbar, so Philipp Riedel. „Die Unternehmen agieren noch verhalten.“

Gefragte Skills und Qualifikationen

Bewerber punkten gerade jetzt mit ihren IT-Fähigkeiten – oder zumindest mit der Bereitschaft, sich diese schnell anzueignen. Ein guter Kommunikationsstil – insbesondere auch im Social-Media-Bereich bringt zusätzliche Vorteile. Das gilt vor allem im Vorfeld der Bewerbung: Avantgarde Experts-Chef Riedel empfiehlt, in Karrierenetzwerken mehr Präsenz und Kompetenz zu zeigen. Es sei wichtig, proaktiv und selbstinitiativ zu handeln und sich leidenschaftlich und ausführlich bei passenden Themen zu engagieren. „So zeigen die Kandidaten, dass sie sich im Fachgebiet auskennen und positiv mit der Krise umgehen.“

Was kurz vor der Krise galt, bestehe zudem weiterhin: Recruiter setzen fachliche Qualifikation durch ein Studium sowie Praktika in der heutigen Zeit stillschweigend voraus. Hardskills seien nicht mehr das, was sie in früheren Zeiten mal waren. „Qualifikation ist nicht alles.“

Personaler legen Wert auf gute Passform in Sachen Unternehmenskultur, Integrationsbereitschaft, Zukunftsgewandtheit, hat Avantgarde Experts festgestellt. „Es geht auch wieder mehr um Intelligenz im Allgemeinen“, sagt Philipp Riedel. „Unternehmen wollen sicher sein, dass ihre Mitarbeiter die schnellen Wechsel in der Produkt- und Geschäftsentwicklung mitmachen. Das setzt intelligentes Handeln und flexibles Vorgehen voraus.“ Bewerber müssen sich also darauf einstellen, dass Intelligenztests auf sie warten. Riedel hält solche Abfragen sogar für „wichtiger als die klassische Qualifikation“.

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