Die Auswirkungen der Coronakrise und des Shutdown treiben den wirtschaftlichen Abschwung. Für den Jobmarkt sind das eigentlich eher schlechte Nachrichten. Doch eine Umfrage von Karriere.de unter den Dax-30-Konzernen zeigt nun ein anderes Bild.
Viele Unternehmen haben zugesichert: Wir stellen weiter ein. Eine Überraschung, denn bereits im Herbst 2019 zeigten sich erste Eintrübungen am Arbeitsmarkt – da war vom Coronavirus noch keine Spur.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rechnet im Jahresdurchschnitt bestenfalls mit einer Stagnation der Erwerbstätigkeit. Zeitweise könne diese aber „um 300.000 Personen“ und weit mehr sinken. Heißt, Menschen könnten ihren Job verlieren.
Doch bei mehr als 45 Millionen Erwerbstätigen und einer bisherigen Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent ist das nur ein kleiner Einbruch. Jedoch sei davon auszugehen, dass die Zahl der Kurzarbeiter in der nächsten Zeit „Rekordniveau“ erreiche.
Niemand kann derzeit abschätzen, wie lange das gesellschaftliche Leben heruntergefahren bleiben muss. Kein Wunder also, dass sowohl große Unternehmen als auch Mitarbeiter unsicher sind.
Doch wer gerade in den Beruf einsteigt oder den Job wechselt, sollte nicht aufgeben. Es gibt durchaus Chancen auf einen Arbeitsplatz. Ein Überblick:
Viele Konzerne stellen weiterhin ein
Manche, wie der Sportartikelhersteller Adidas, raten Bewerbern sogar dazu, trotz der schwierigen Lage weiterhin auch proaktiv ein Profil auf ihrem Job-Portal zu hinterlegen. Und Covestro betont: „Die Stellen, die wir ausschreiben, sind reale Möglichkeiten, bei Covestro an den Start zu gehen.“
40 Prozent der Dax-Konzerne haben ausführlich über ihre Recruiting- und Jobsituation Auskunft erteilt und suchen Personal. Knapp ein Drittel sieht sich aufgrund der aktuellen Lage außerstande zu antworten – der Rest stellt aus unterschiedlichen Gründen momentan nicht ein.
Eon zum Beispiel verhält sich im Recruiting „zurückhaltend“ – aktuell aufgrund der Übernahme von Innogy und der damit einhergehenden Umstrukturierung des Unternehmens. Die Sicherheit der Arbeitsplätze für die derzeitigen Mitarbeiter habe oberste Priorität, heißt es beim Essener Energiekonzern. Definitiv Einstellungsstopp herrscht bei Heidelberg-Cement und der Lufthansa. Vorhersagen, ob und wann das Recruiting fortgesetzt wird, wollen diese Unternehmen derzeit nicht treffen.
Warum das Recruiting weitergeht
Ob Siemens, Telekom, Covestro, BMW, Vonovia oder Henkel: Diese Konzerne weisen darauf hin, dass sie weiterhin Stellen besetzen und eine Bewerbung daher ratsam sei, „sofern das Bewerberprofil auf die Anforderungen passt“.
Allianz, Beiersdorf und Deutsche Post betonen, bei der Stellen-Besetzung die aktuelle Situation im Blick zu haben und system- beziehungsweise businesskritische Gesichtspunkte ins Recruiting mit einzubeziehen.
Allianz will „stark am Kunden agierende Funktionen“ bedienen, denn es sei gerade jetzt besonders wichtig, „für unsere Kunden genügend top qualifizierte Mitarbeiter zu haben“. Und für die Deutsche Post DHL Group ist die Aufrechterhaltung von Lieferketten und die Zustellung von Briefen und Paketen in der gegenwärtigen Situation „essentiell, um die Versorgung in Deutschland zu sichern“.
Wer sucht wen?
Unternehmen | Recruiting | Gesuchte Qualifikationen | Bewerbungsprozess |
Adidas | Konzentration auf | Digitale und IT-Fähigkeiten; | Karriere-Portal des |
Allianz | Systemkritische | Digitale, IT- und Programmier- | Karriere-Portal des |
Beiersdorf | Suche auf aktuelle | unterschiedlich | Karriere-Portal des |
BMW | konkrete Anforderungen | IT-Security, Software- | Bewerbermanagement- |
Covestro | Normale Stellenbesetzung | Produktion, Ingenieurswesen, | Karriere-Portal des |
Deutsche Post DHL Group | Suche auf aktuelle | k.A. | Traditionelle Bewerbungs- |
Deutsche Telekom | Normale Stellensetzung | Erfahrung im Internet der | Komplett digitalisierter |
Henkel | Normale Stellensetzung | k.A. | Karriere-Portal des |
Infineon | Normale Stellenbesetzung | Ingenieure mit Hintergrund | Online-Bewerbungs- |
Merck | Besetzung von Vakanzen | k.A. | Karriere-Portal des |
Siemens | Normale Stellensetzung | Alle Geschäftsfelder | Karriere-Portal des |
Vonovia | Stellenbesetzung | Fach- und Führungskräfte in | Karriere-Portal des |
Quelle: karriere.de; Umfrage zur aktuellen Bewerbungssituation bei Dax-30-Konzernen
Diese Qualifikationen bringen Sie weiter
Digitale und IT-Fähigkeiten sind am meisten gesucht. Außerdem sind auch Softwareentwickler, Datenanalysten und Security-Experten gefragt. Zudem sind branchenspezifische IT-Kenntnisse und Ingenieurskompetenzen gern gesehen. Adidas hat darüber hinaus Bedarf an Bewerbern mit Erfahrung im Online-Handel. Allianz wünscht sich Talente aus der Start-up- und Gründerszene, die zudem agil aufgeschlossen und kreativ sein sollen. Der Versicherer muss sich gerade gegen digitale Insurtechs durchsetzen.
Funktionsübergreifende Kompetenzen und interkulturelle Fähigkeiten gepaart mit Digitalkompetenz liegen im Suchradar des Versicherungskonzerns. Führungskräftenachwuchs steht ebenfalls auf der Wunschliste.
Auch BMW setzt auf den Mix von Fachbereichen und Funktionen, speziell im Bereich Autonomes Fahren, wo sowohl IT- als auch Ingenieursqualifikationen gefragt sind. Covestro baut sein IT-Know-how weit aus, etwa in Big Data, digitaler Forschung und Entwicklung bis hin zu Quantum Computing.
Die Telekom befindet sich mitten in der digitalen Transformation und hat hier Bedarf an Berufserfahrenen mit Kenntnissen über das Internet of Things (IoT), Cyber Security, Cloudcomputing und SAP: „Im Fokus stehen dabei Softwareentwickler, DevOps Engineers, IT-Architekten, Consultants – aber auch Vertriebsprofis“, heißt es beim Bonner Mobilfunkkonzern.
Als Unternehmen in der Halbleiterbranche sucht Infineon dagegen hauptsächlich Ingenieure mit Hintergrund in Elektrotechnik, Physik oder Chemie. Verstärkt gefragt sind Application Ingenieure, Projekt Manager im technischen Bereich oder auch Instandhalter an den Produktionsstandorten.
Anforderungen an die Bewerber
Für die meisten Unternehmen gibt es nur eins: das Karriereportal auf ihrer Webseite. Hier müssen Bewerber zunächst ein Online-Formular ausfüllen. Zudem ist für einige Konzerne der Weg über die sozialen Medien und Karriere-Netzwerke bereits gang und gäbe. Speziell machen Allianz und Henkel auf diese Möglichkeiten auch gerade jetzt in der Situation aufmerksam.
Hingegen ist die Kontaktaufnahme via Messeveranstaltungen oder Hochschulen zurzeit durch die schwierigen Bedingungen aufgrund der Coronakrise nur begrenzt möglich.
Auswahlprozess via Telefon oder Skype
In den Auswahlprozessen nehmen die Dax-Konzerne in der aktuellen Gefährdungslage große Rücksicht auf die Bewerber. Alle bieten telefonische, Skype- oder Video-Interviews zumindest für die Vorauswahl-, aber auch für die Bewerbungsgespräche an.
Henkel betont, dass „natürlich aktuell keine physischen Treffen“ mit Bewerbern stattfänden.
Bei Covestro heißt es, dass sie bereits „positive Erfahrungen mit Videointerviewing über die bekannten Plattformen“ gesammelt haben.
Und die Telekom erklärt, die Bewerber-Interviews „ausschließlich über Telefon- oder Videokonferenzen“ durchzuführen und dabei die „Wünsche und Zeitfenster unserer Kandidaten“ zu berücksichtigen. Dazu gehöre auch ein Technikcheck vorab. Digitale Lösungen gewährleisteten laut Telekom „einen Recruitingprozess ohne Verzögerungen“.
Allianz prüft darüber hinaus Möglichkeiten, das Auswahlverfahren „in vollständig digitalen beziehungsweise virtuellen Formaten“ durchführen zu können. Beiersdorf will auf das „finale non-virtuelle Kennenlernen“ jedoch nicht verzichten und verschiebt diesen Schritt aber auf einen späteren, unbedenklichen Zeitpunkt.
Merck weist darauf hin, dass für die Video-Konferenzen „dieselben Empfehlungen gelten, wie beispielsweise ein respektvolles und authentisches Auftreten, die auch bei einem persönlichen Treffen berücksichtigt werden sollten“.
Selbst Onboarding-Prozesse steuern manche Konzerne bereits vorwiegend virtuell, zum Beispiel Beiersdorf. Auch Siemens arbeitet daran, „Onboarding durchführen zu können, ohne dass ein Mitarbeiter ins Büro kommen muss“.
Sicherheit sei jetzt das oberste Gebot. Das gilt auch bei Covestro. Der Leverkusener Lieferant von Hightech-Kunststoffen sammelt erste Erfahrungen für den Karrierestart im Homeoffice, den der Konzern in manchen Bereichen für durchaus vorstellbar hält und sich deshalb IT-seitig darauf vorbereitet.
Neue Mitarbeiter müssen sich auf veränderte Situation einstellen
Die Bewerber sollten sich auf die veränderten Bedingungen einstellen. Adidas zum Beispiel erwartet „Flexibilität und Offenheit für digitale und virtuelle Formate im Auswahlprozess“. Allianz wünscht sich Flexibilität „auch hinsichtlich einer möglichen Einarbeitung im Homeoffice über digitale Kanäle“. Das sei sogar besonders wichtig, „denn keiner weiß, wie sich die Situation in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt“.
BMW bittet um Verständnis, „falls wir zusätzliche Fragen zum Beispiel nach dem Aufenthaltsort direkt vor einem Eintritt abfragen und von unseren Kandidaten auch eine gewisse Flexibilität zum Beispiel bei Corona bedingten Prozessverschiebungen erwarten“. So müssten bei einigen Zielgruppen die Eintritte den veränderten Betriebsöffnungszeiten angepasst werden.
Für den bayerischen Chiphersteller Infineon gelten die gleichen Erwartungen wie immer: „Ehrlichkeit, Integrität und Interesse an Infineon und am Job sind gute Ansatzpunkte für ein spannendes Gespräch“, sagt Nicole Goodfellow, Leiterin des HR Talent Network Europe.
Das erwartet auch Vonovia: Neben Motivation und Begeisterung für den angestrebten Job, sind Neugier, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, Empathie, Beziehungsmanagement und Ehrgeiz wünschenswerte Skills für Kandidaten, die sich beim Bochumer Immobilienkonzern ihre Zukunft vorstellen können. Qualifizierte Bewerber haben also auch in dieser wirtschaftlich angespannten Lage gute Chancen.