Trotz schlechter Note zum Traumjob

Nicht alle Absolventen glänzen mit einem sehr guten Abschluss. Der Großteil bewirbt sich mit einem durchschnittlichen Zeugnis. Wie soll man da den Personaler überzeugen? Mit Selbstbewusstsein.

Sara Kammler | 11.09.2018

Den Satz „Warum haben Sie so schlechte Noten?“ kann Katja Förster nicht mehr hören. Die 25-Jährige hat vor kurzem ihr Studium der Elektrotechnik an der Universität Stuttgart abgeschlossen. Ihre Diplomnote ist mit einer 2,4 passabel, allerdings hat sie für einzelne Prüfungen nur eine Vier bekommen. Kaum hatte sie ihr Studium abgeschlossen, fing sie an, sich zu bewerben. Das Problem: Zu dem Zeitpunkt hatte sie nur einen Notenauszug, das Endzeugnis mit der besseren Endnote schickt die Universität den Absolventen erst Wochen später zu. Förster wollte darauf aber nicht warten – und legte ihren Bewerbungen den Notenbogen mit den schlechten Prüfungsergebnissen bei. Die Quittung kam schnell: Zwölf Bewerbungen hat sie abgeschickt – und acht Absagen kassiert.

Supernoten haben die wenigsten Bewerber. Unter die sogenannten High Potentials fallen nur fünf bis zehn Prozent der Studenten, sagt der Karriere-Berater Hermann Refisch. Die breite Masse bewirbt sich mit durchschnittlichen oder schlechten Noten. Doch wie überzeugt man Personaler davon, dass man trotz mittelmäßiger Noten der Richtige für den ersten Job nach dem Studium ist? „Ich habe die Frage, warum ich so schlechte Noten habe, als einen Angriff empfunden“, sagt Förster. „Frei nach dem Motto: Was will die denn hier?“ Sie antwortete, die Uni Stuttgart sei bekannt dafür, schwere Prüfungen zu stellen. Eine Vier sei dort eine durchschnittliche Note. „Der Personaler dachte wohl, ich wolle mich rausreden“, erzählt sie weiter. Und dann habe er gefragt, ob ihr Prüfungen nicht liegen. Am Ende bekam sie den Job nicht.

Verweisen Sie auf Ihre Erfolge

Förster hat sich gerechtfertigt – und damit einen Fehler gemacht. Der Coach Refisch empfiehlt, auf diese Frage mit einem saloppen „Damit war ich auch nicht glücklich“ zu antworten, und sofort auf einen Erfolg hinzuweisen. Das könne eine sehr gute Note, ein erfolgreiches Praktikum oder das Zeugnis für einen passenden Studentenjob sein. Gut sei auch, die eigene Sitzposition zu verändern oder einen Schluck Wasser zu trinken. Das gäbe einen kurzen Moment, um sich innerlich für die Antwort zu wappnen.

Förster sagt heute, sie habe damals besser auf die Fragen antworten sollen, ihre Noten könnten ja so schlecht nicht sein, immerhin sei sie zum Gespräch eingeladen worden. Eine gute Variante ist auch die Antwort: „Sie stellen mich doch wegen meiner Stärken ein.“ Ein bisschen Mut und Schlagfertigkeit sind an dieser Stelle des Gesprächs angebracht, denn die Einladung zu einem persönlichen Gespräch signalisiert, dass man ein potenzieller Kandidat ist.

Verlangen Arbeitgeber, dass sich die Kandidaten über ein Onlineformular bewerben, ist es besser, schlechte Noten dort nicht einzutragen. Oft werden die Unterlagen im ersten Durchgang nach der Note aussortiert, so dass sie gar nicht auf dem Schreibtisch eines Personalers landen. Besser ist es, auf einem anderen Weg den Kontakt zum Arbeitgeber zu suchen. „Noten sind dort weniger wichtig, wo ich Sympathie und Interesse geweckt habe“, sagt Karriere-Berater Refisch. In solchen Fällen ist Initiative angesagt. „Finden Sie heraus, wer der Abteilungsleiter ist, und rufen Sie ihn an oder schreiben Sie ihm“, rät der Karriere-Experte Winfried Guba. Besser sei es, die Personalabteilung zu umgehen, empfiehlt der Coach. Diese könne nicht beurteilen, wie qualifiziert ein Bewerber sei.

Die eigenen Kompetenzen erkennen

Bevor man sich krampfhaft bewirbt und eine Absage nach der anderen kassiert, ist für einige Absolventen ein weiterer qualifizierender Abschluss eine Alternative. So macht es durchaus Sinn, nach dem Bachelor noch einen Master anzuhängen. Oder vielleicht noch einen zweiten Master-Abschluss zu machen, wenn man merkt, dass sich die eigenen Interessen-Schwerpunkte verlagert haben. Nicht immer werden schlechte oder auch durchschnittliche Noten zum Fallstrick bei der Job-Suche. Diese Erfahrung hat der Diplom-Volkswirt Hartmut H.H. gemacht. Das Studium der Volkswirtschaftslehre hat er mit der Note 2,9 abgeschlossen, doch diese Note war bei Vorstellungsgesprächen nie ein Thema. „Ich habe mir überlegt, zu welchem Unternehmen ich passen könnte“, sagt der Berater. Für Experte Guba ist dies ein entscheidender Aspekt: „Man muss sich klar überlegen, wo die eigenen Kompetenzen liegen, mit denen sich auch nicht so gute Noten kompensieren lassen.“ Studenten, die absehen können, dass sie ihr Studium nicht so erfolgreich abschließen werden, rät Guba, gezielt Praktika zu absolvieren. Auch die Abschlussarbeit in einem Unternehmen zu schreiben, sei eine gute Möglichkeit, um „Unternehmen kennenzulernen und sich ein Netzwerk aufzubauen“.

Förster hat bei allem Frust auch Verständnis für die Situation von Personalern. „Die können auch nur nach Noten eine erste Auswahl unter den Bewerbern treffen“, sagt sie. Das gilt vor allem für große Unternehmen, die auf der Wunschliste der Bewerber ganz weit oben stehen. Absolventen mit durchschnittlichen Noten haben bei der Boston Consulting Group (BCG) nur wenige Möglichkeiten. „Bei BCG sind prinzipiell alle Fachrichungen willkommen. Allerdings erwarten wir grundsätzlich ein erstklassiges Examen unter den besten 10 bis 15 Prozent“, sagt der für das Recruiting verantwortliche Geschäftsführer Just Schürmann.

Jobeinstieg im Mittelstand

Eine mittelständische Firma, die nicht hunderte von Bewerbungen auf dem Schreibtisch liegen hat, kann oft der bessere erste Arbeitgeber sein. Hier liegt die Messlatte der Ansprüche an die Bewerber nicht so hoch. So spielen für Andreas Gelking Noten eine untergeordnete Rolle, so lange sie nicht sehr schlecht sind. Er ist Leiter der Personalabteilung bei dem Mittelständler Nass Magnet in Hannover, der elektromagnetische Vorsteuerungen für Ventile herstellt. „Praktische Erfahrung innerhalb des Studiums sind für uns ein wichtiges Kriterium“, sagt Gelking. Was haben die Absolventen an Projektarbeiten vorzuweisen, womit haben sie sich im Praxissemester beschäftigt? Selbst wenn jemand käme, der mit Ach und Krach durch das Studium gekommen sei, dafür aber schon einmal mit unserem Produkt in Berührung gekommen ist, „würde ich ihn zumindest zu einem Gespräch einladen“, sagt Gelking. Als kleineres Unternehmen könnten sie sich die Kandidaten genauer angucken und sie nach anderen Kriterien bewerten als große Konzerne. Stellen sich hingegen Absolventen mit exzellentem Abschluss bei ihm vor, fürchtet er, dass diese letztendlich nicht bei ihm anheuern werden, da Großkonzerne attraktiver für sie seien. Und „als Mittelständler können wir da, was unsere Gehaltsstruktur angeht, nicht mithalten“, sagt er. „Die Gehälter und hierarchischen Aufstiegschancen sind bei uns ganz anders.“ Dafür würden sie mit anderen Vorzügen punkten, wie zum Beispiel mit Projektverantwortung von Anfang an.

Förster ist nach wie vor auf der Suche nach einem Job. Heute sagt sie, es sei ein Fehler gewesen, sich mit dem schlechten Notenbogen zu bewerben. Ihr Diplomzeugnis hat sie den Unternehmen nachgereicht, als sie es von der Universität bekam. Doch das hat nichts mehr geholfen.

Checkliste

1. Rechtfertigen Sie sich nicht für Ihre Noten, und begründen sie diese auch nicht. Wird Ihnen eine entsprechende Frage gestellt, geben Sie eine kurze Antwort und lenken Sie das Gespräch auf Ihre Erfolge.
2. Tragen Sie keine schlechte Examensnote in die Maske einer Onlinebewerbung ein. Stellen Sie auf eine andere Art den Kontakt her, am besten zum Abteilungsleiter und nicht zur Personalabteilung. 
3. Bewerben Sie sich nicht ausschließlich bei den beliebtesten zehn Arbeitgebern Ihrer Branche. Diese bekommen so viele Bewerbungen, dass sie nach Noten aussortieren werden. 
4. Kompensieren Sie schlechte Noten, indem Sie auf anderen Gebieten Engagement beweisen. Machen Sie gezielt Praktika während des Studiums oder suchen Sie sich einen Nebenjob in Ihrer Branche.