So schleimen Sie richtig: Kompliment, Chef!

Dem Chef zu schmeicheln, kann die Karriere vorantreiben. Allerdings sollten die Komplimente ehrlich, nachvollziehbar und wohl dosiert sein. So fahren Sie elegant auf der Schleimspur.

Marcel Berndt | 07.12.2021

Manche Menschen verteilen Lob und Komplimente nur sparsam. Entsprechend vorsichtig sind sie mit netten Worten – oder verzichten ganz darauf. Gerade beim Chef wollen sich viele nicht anbiedern.

Nachvollziehbar, findet Karriereexperte Martin Wehrle: „Komplimente sind nicht ungefährlich, denn Feedbacks fließen in der Regel nach den Gesetzen der hierarchischen Schwerkraft: von oben nach unten, nicht umgekehrt“, sagt der Coach und Buchautor.

Trotzdem kann sich das Lob auf den Chef auszahlen: „Auch Führungskräfte bekommen viel zu selten positive Rückmeldungen. Deshalb kann eine solche Rückmeldung die Arbeitsbeziehung verbessern.“

Lob hilft der Laufbahn

Und das lohnt sich. Eine gute Arbeitsbeziehung treibt die eigene Laufbahn voran, bestätigt die Berliner Karriereberaterin Martina Bandoly: „Bei einem Lob werde ich anderen Menschen viel sympathischer. Und mit Menschen, die wir sympathisch finden, umgeben wir uns auch gerne und fördern sie.“

Kurzum: Je näher man dem Chef ist und je positiver man ihm auffällt, desto besser ist man bei ihm verankert. Und das kann von Vorteil sein, wenn es um ein interessantes Projekt oder eine höhere Position geht.

Ehrlich sein

Damit diese Rechnung aufgeht, gilt es einiges zu beachten: Komplimente müssen ehrlich und nachvollziehbar sein, lieber sachbezogen als persönlich, weder aufdringlich noch übertrieben – und den Kollegen sollten sie nicht negativ auffallen, um als Schleimer abgestempelt zu werden.

Allerdings ist Loben ist nicht dasselbe wie Schleimen, sagt Martin Wehrle. „Die Grenze zum Schleimen ist überschritten, wenn das Lob nicht mehr spezifisch, sondern allgemein und verherrlichend ausfällt.“

Soll heißen: Schmeicheln Sie dem Chef nicht für „die besten Ideen“, sondern drücken Sie sich so präzise wie möglich aus. So können sich Angestellte beispielsweise im Mitarbeitergespräch für eine konkrete Phase bedanken, in der sich der Chef für sie eingesetzt hat, oder auf die exakten Punkte einer Präsentation eingehen, die der Chef gehalten hat.

Ein weiterer Vorteil: „Je präziser das Lob, desto aussagekräftiger ist es für einen Menschen“, sagt Martina Bandoly. Aus genereller Lobhudelei wird man nicht schlauer.

Zeitpunkt beachten

Wichtig für die Nachvollziehbarkeit: Ein Kompliment muss zeitnah erfolgen, damit die konkrete Situation, auf die es sich bezieht, noch im Gedächtnis des Chefs ist: „Wer seinen Chef dafür lobt, dass er ein gutes Projektteam zusammengestellt hat, sollte das auf dem Höhepunkt des Projektes tun – nicht drei Monate später“, sagt Martin Wehrle.

Außer dem Zeitpunkt ist auch die Häufigkeit wichtig: Martina Bandoly empfiehlt, Komplimente wohldosiert fallen zu lassen: „Ein Lob sollte ein Highlight sein. Ansonsten nutzen sich Komplimente ab und werden unglaubwürdig.“

So bleiben Sie glaubwürdig

Um glaubwürdig zu wirken, sollte man vor allem selbst daran glauben, was man sagt. „Wer dem Chef verbales Falschgeld unterjubeln will, fliegt damit schnell auf – zum Beispiel durch eine Differenz zwischen seinen Worten und seiner Körpersprache“, sagt Wehrle.

Lügen haben bekanntermaßen kurze Beine und sind nicht Jedermanns Stärke. Also sollte man vor allem bei Komplimenten aufs Flunkern verzichten, um nicht als Heuchler abgestempelt zu werden.

Hierbei zählt auch, wie man es sagt. Da Komplimente üblicherweise in der Hierarchie von oben nach unten und weniger von unten nach oben fließen, ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Wehrle empfiehlt, immer zu betonen, dass es sich um die persönliche Sicht handelt. Also nicht: „Sie können gut motivieren.“ Das wäre anmaßend. Besser: „Ich finde, Sie motivieren gut.“

Eine Gratwanderung stellt speziell persönliches Lob dar, das sich aufs Aussehen oder den Charakter bezieht. „Das hängt vom Verhältnis untereinander ab“, sagt Martina Bandoly. „Bei einem guten Verhältnis kann man auch mal die Frisur loben. Wenn man aber eher selten miteinander zu tun hat, wirkt ein persönliches Lob eher seltsam.“

Nah dran

Deshalb sollte man stets bei sachlichen Komplimenten bleiben, die die Arbeit betreffen. So fällt man vor seinen Kollegen auch nicht allzu negativ als Schleimer auf.

Wen solche Kollegen stören, der sollte das ruhig ansprechen – entweder mit Humor und Ironie oder mit ernsten Worten. Aber immer unter vier Augen.

Die beste Lösung ist es natürlich, durch gute Leistungen zu überzeugen. Fragen Sie sich also, wie Sie Ihrem Chef und dem Unternehmen den größten Nutzen bringen. Das zählt mehr als jedes Kompliment – und sei es auch noch so ernst gemeint.

Zuerst veröffentlicht auf wiwo.de