Inkompetenter Chef – was tun?

Unfähige oder böswillige Vorgesetzte stressen ihre Untergebenen und machen sie krank. Dagegen kann man etwas tun – wenn man die richtigen Mittel kennt.

Jan Guldner, wiwo.de | 08.07.2019

Gemessen daran, wie viele Hilfsangebote es für sie gibt, sind Manager die bedürftigste Spezies in Unternehmen. Schauspieler bringen ihnen selbstbewusstes Auftreten bei. Verhandlungsprofis verraten ihnen die besten Kniffe, um Konkurrenten über den Tisch zu ziehen. Und selbst von Affen im Zoo können sie sich abschauen, wie man möglichst geschickt ein Rudel führt.

Vielleicht finden auch deshalb 97 Prozent von ihnen, dass sie gute Führungskräfte sind. Das zeigt der aktuelle Engagement Index des Beratungsunternehmens Gallup. Ihre Untergebenen sehen das anders: Zwei Drittel von ihnen hatten in ihrer Karriere schon mal einen schlechten Chef, so das Ergebnis der Gallup-Studie.

Der Unterschied: Ihnen steht meist niemand bei im Umgang mit schlechten Chefs – sie müssen lernen, sich selbst zu helfen. Denn wer unter einem Tyrannen oder Dilettanten arbeiten muss, verliert nicht nur die Lust an der Arbeit. Auch die Gesundheit leidet, wie eine Studie von Birgit Schyns von der Durham University und Jan Schilling von der Hochschule Hannover zeigt.

Was kann man gegen schlechte Chefs tun? Zunächst einmal hilft es, zu wissen, wie sich ein schlechter Chef verhält. Seth Spain von der Binghamton Universität im US-Bundesstaat New York hat dazu gerade eine vereinfachte Typologie aufgestellt. Er unterscheidet dabei zwischen dem „dark boss“, also dem dunklen Chef, und dem „dysfunctional boss“, also dem unfähigen Chef. Letzterer sei nicht aktiv darauf aus, seinen Mitarbeitern zu schaden. „Wegen persönlicher Unzulänglichkeiten oder Mangel an Fähigkeiten sind sie einfach nicht besonders gut in ihrem Job“, sagt der Professor für Organizational Behavior.

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Der schlechte Chef hat viele Ausprägungen

Der dunkle Boss dagegen kann nicht nur schlecht mit Menschen umgehen. Er vermarktet sich bei den eigenen Vorgesetzten wo es nur geht und versucht seine Untergebenen klein zu halten. Sie hätten machiavellistische, narzisstische oder gar psychopathische Züge, so Spain. „Sie genießen den Schmerz und das Leiden von anderen“, sagt der Forscher, „deshalb werden sie im Alltag gemein und beleidigend sein und Mitarbeiter schikanieren.“ Zum Beispiel drängen sie Untergebene zu unethischem Verhalten, wie etwa Zahlen zu schönen, wenn sie selbst einen Vorteil davon haben.

Das Beratungsunternehmen Second City Works hat aus einer Umfrage unter 2000 US-Arbeitnehmern kleinteiligere Stereotypen gebildet. Da wären der Chef, der immer die Lorbeeren für die Arbeit seines Teams alleine kassiert. Der Geist, der nie auf E-Mails antwortet, kein Feedback gibt und nur mal kurz zwischen Mittagspause und persönlichen Besorgungen im Büro ist. Der „Ja, aber“-Boss, der keine der Ideen seiner Mitarbeiter gut findet, aber auch kein Feedback zur Verbesserung gibt. Oder der coole Vorgesetzte, der so sehr gemocht werden will, dass er vergisst, zu managen.

Klar ist: Der schlechte Chef hat viele Ausprägungen. Egal welchen Typ man aber ausgemacht hat: „Der erste Schritt ist die kritische Überprüfung der eigenen Wahrnehmung“, sagt Jürgen Weibler, „Das muss man fairerweise mit in sein Kalkül aufnehmen.“

Der Professor für Leadership an der FernUniversität Hagen empfiehlt daher, sich selbst und die Unzufriedenheit mit dem Chef zu hinterfragen: Wird man wirklich schlecht behandelt? Wie nehmen Kollegen das wahr? Liegt es an der Situation? Ist man vielleicht selbst mitverantwortlich? Oder liegt es alleine am Chef?

Kommt man zu dem Schluss, dass man selbst nicht schuld ist, empfiehlt Weibler, sich mit dem Werk des US-Ökonomen Albert Hirschman vertraut zu machen. Dieser empfahl unzufriedenen Mitarbeitern wie Kunden das Prinzip „Exit, Voice or Loyalty“. Man könne das Unternehmen verlassen (Exit), seinen Unmut kundtun und auf Veränderung hoffen (Voice) oder einfach an Bord bleiben, ohne etwas zu ändern (Loyalty).

Konstruktive Kritik üben

Die erste Option sollte sein, dem ungeliebten Chef die aktuelle Situation zu schildern. Viele Studien zeigen, dass man sich besser fühlt, wenn man soziale Kontrolle über sein Umfeld ausüben kann, selbst wenn diese nur gefühlt ist. Ergreift man die Initiative, übernimmt man auch wieder ein Stück weit Kontrolle.

„Das Gespräch zu suchen ist immer eine große Hürde, besonders wenn die Führungskultur sowieso schon schlecht ist“, sagt Weibler, „Es nicht zu tun, wäre aber fahrlässig.“ Dabei sollte man möglichst konkret sagen können, was einen stört. Und möglichst konstruktive Vorschläge machen, wie man das ändern könnte.

Es geht darum, zu vermitteln, was man wahrgenommen hat, warum man es ändern will und wie man das gemeinsam erreichen kann. Taktieren und im Gespräch tricksen hält Jürgen Weibler nicht für ratsam. „Man sollte sich nicht selbst verleugnen müssen“, so der Professor, aber: „Wenn das direkte Gespräch nichts bringt, sollte man sich an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden.“

Kündigung als letzter Ausweg

Die Möglichkeit, Einfluss auf den Vorgesetzten zu nehmen, kann auch von der Organisation erwünscht sein. Bei Google zum Beispiel müssen Mitarbeiter ihre Chefs für Führungspositionen vorschlagen.

Nützt das Gespräch nichts, können frustrierte Mitarbeiter natürlich trotzdem bleiben. Weil man sich der Organisation verbunden fühlt, den Produkten oder Ideen und die Befriedigung daraus das Leid durch den Vorgesetzten überkompensiert. „Im Fußball würde man sagen, mir ist der Verein wichtig oder das Spiel an sich und nicht der Trainer“, sagt Weibler.

Oder man wählt, wenn die Situation unerträglich wird, die dritte Option: den Exit. Dann kann man sich immer noch mit einer Tatsache trösten, die die Forscher Morgan McCall, Mike Lombardo und Ann Morrison in ihrem Klassiker der Management-Literatur „Erfolg aus Erfahrung“ herausgearbeitet haben: Von schlechten Chefs kann man sich zumindest abschauen, wie man später einmal nicht führen will.

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Zuerst veröffentlicht auf: wiwo.de