Kommentar: Warum Meetings nach 15 Uhr abgeschafft gehören

Wenn Sie nur eine Sache an Ihrer Meetingkultur verbessern wollen – ändern Sie die Uhrzeit.

Lazar Backovic | 07.01.2020
Konzentrierte Aktion: Meetings, die vor 15 Uhr stattfinden, liefern bessere Ideen und binden das gesamte Team am besten ein.

Gutes Timing für mehr Kreativität Konzentrierte Aktion: Meetings, die vor 15 Uhr stattfinden, liefern bessere Ideen und binden das gesamte Team am besten ein. Foto: Elena Koycheva on Unsplash

Die erste richtige Arbeitswoche im neuen Jahr. Auch wenn viele nach den Feiertagen noch Schwierigkeiten mit der Motivation haben: Die Zahl der guten Vorsätze im Büro dürfte zu keinem Zeitpunkt im Jahr höher sein als jetzt.

„Endlich mehr Zeit fürs Wesentliche!“, fordern die einen. „Weniger Rumsitzen in unproduktiven Meetings!“, murren die anderen.

„Glücklichere, motiviertere Kollegen!“, das wollen die Chefs.

Hier ein Vorschlag, der allen drei Vorsätzen gerecht wird. Sie brauchen dafür nur eine einzige Sache tun. Streichen Sie jedes Meeting nach 15 Uhr rigoros aus Ihrem Kalender!

Und ja: Das ist ernstgemeint.

Denn es gibt gute Gründe, die Nachmittage meetingfrei zu halten.

1. Späte Meetings schaden der Konzentration

Jeff Bezos dürfte im Vergleich zum deutschen Durchschnitts-Beschäftigten einen ziemlich straffen Terminkalender haben. Trotzdem schafft der Amazon-Boss es, wichtige Meetings stets auf den Vormittag zu legen – am liebsten zwischen 10 und 12 Uhr, wie er kürzlich dem Nachrichtenportal „Axios“ verriet.

Begründung: Am späten Nachmittag kann auch ein Jeff Bezos nicht mehr über anspruchsvolle Probleme nachdenken, geschweige denn verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. „Besprechungen, die mich geistig fordern, setze ich deshalb immer vor dem Mittagessen an“, so der Amazon-Gründer.

Dass die beste Zeit, um etwas Neues zu lernen, die Morgen- beziehungsweise Vormittagsstunden sind, bestätigen auch zahlreiche Studien. Denn: Kurz vorm Aufwachen steigt unsere Körpertemperatur langsam an. Und damit auch unser geistiges Ich und seine kognitiven Fähigkeiten – Konzentration, Aufmerksamkeit, Erinnerungsvermögen.

Wäre doch blöd, diese Zeit mit E-Mails-Checken zu verplempern, oder?

2. Späte Meetings schaden der Work-Life-Balance

Auf die Idee für diesen Text bin ich vor einigen Monaten gekommen, als ich eine ehemalige Arbeitskollegin und ihre Familie in Dänemark besucht habe. Was mich damals wie heute an ihnen fasziniert: Sowohl sie als auch ihr Mann sind so gut wie jeden Tag spätnachmittags zu Hause, um mit ihren Kindern Zeit zu verbringen und anschließend das Abendessen zu machen – und das obwohl beide Vollzeit arbeiten.

In Dänemark ist es selbstverständlich, dass man Zeit mit der Familie verbringt und auch der Arbeitgeber darauf Rücksicht nimmt. Deshalb, so erzählte es mir der Mann meiner früheren Kollegin, gibt es in seiner Firma eigentlich kaum Meetings nach 15 Uhr. Und wenn doch? Fragt man vorsichtig bei allen Teilnehmern nach, ob das auch wirklich okay ist. In Deutschland unvorstellbar. Warum eigentlich?

Work-Life-Balance, also ein gesunder Mix zwischen Beruf- und Privatleben, ist ein Riesenthema für Beschäftige hierzulande. Trotzdem lässt Deutschland hier Chancen liegen. So liegt Dänemark im aktuellen OECD Better Life Index in Sachen Work-Life-Balance auf Platz 3. Deutschland rangiert auf dem 9. Platz.

3. Späte Meetings schließen Mitarbeiter aus

Späte Meetings schaden aber nicht nur der Work-Life-Balance und stressen insbesondere Eltern, die ihre Kinder nach der Arbeit noch aus Kita oder Schule abholen. Wer sich zu später Stunde für eine geschäftliche Besprechung trifft, ignoriert auch, dass es Angestellte gibt, die in Teilzeit arbeiten.

Das ist gleich in doppelter Hinsicht fatal. Denn erstens gilt: Wer nicht teilnimmt, kann auch nichts sagen. Das verhindert, dass möglichst viele Ideen auf den Meetingtisch kommen.

Und zweitens: Fühlt sich jeder Ausgeschlossene immer auch demotiviert. Eine brandgefährliche Mischung. Denn wer chronisch unzufrieden im Job ist, dem fällt es leichter einfach in den Sack zu hauen – und seinen Job zu kündigen. Sicherlich ist die Meetingkultur hier nur eine Stellschraube. Aber: Es ist eine, an der sich vergleichsweise leicht drehen ließe.

So gehen Sie in die Umsetzung:

Schon klar, was Sie jetzt denken, wenn Sie Angestellter in einem ganz normalen deutschen Unternehmen sind: „Mein Chef und die Assistenz legen doch die Meetingzeiten fest. Da kann ich rein gar nichts machen!“

Nun, das lasse ich so nicht gelten. Denn erstens hoffe ich, dass zumindest ein paar Team-, Abteilungs- oder Geschäftsleitungen diese Zeilen hier lesen (Texte lassen sich übrigens auch weiterleiten).

Und zweitens: Der nächste Gruppenworkshop oder das Mittagessen mit dem Vorgesetzen kommt bestimmt. Warum nicht dort einmal das Thema Meetingkultur auf die Agenda heben?

Und wer weiß: Vielleicht gefällt dem Team der Vorschlag so gut, dass Sie schon bald selbst mehr Verantwortung übernehmen. Auch dann dürften sich meetingfreie Nachmittage wie ein Segen anfühlen.

Mehr: Tipps für ein harmonisches Miteinander zwischen Voll- und Teilzeitkräften.