Humor am Arbeitsplatz: Warum Lachen und Humor der Karriere gut tun

Humor stärkt die Motivation und das Wohlbefinden. Manager können das gezielt nutzen – ohne selbst lustig zu sein.

Angelika Ivanov | 19.11.2024
Um die Effekte zu nutzen, braucht man gar nicht selbst witzig zu sein. Es reicht schon ein Bild in die Präsentation einzubauen. Wie etwa dieses hier.

Lachen, lachen, lachen Um die Effekte zu nutzen, braucht man gar nicht selbst witzig zu sein. Es reicht schon ein Bild in die Präsentation einzubauen. Wie etwa dieses hier.

Alles änderte sich, als Andrew Tarvin sich im Meeting wieder einmal langweilte. „Das Problem war, dass ich diese Besprechung selbst abgehalten habe“, erzählt der Amerikaner. Dem technischen Ingenieur, der bis 2012 beim Konsumgüterhersteller Procter and Gamble arbeitete, passierte das damals häufig. Als er sich bei einem Freund darüber beklagte, antwortete der: „Du bist doch Ingenieur. Finde eine Lösung.“

Da erinnerte sich Tarvin an seine Studienzeit und an seine Auftritte im Improvisationstheater. Aus Erfahrung wusste er: Rechnen die Zuschauer mit einem guten Gag, sind sie viel aufmerksamer. Und genau das nutzte er fortan auch im Job.

Bei Mitgliedern einer Projektgruppe für ein neues Produkt ließ er zum Beispiel mit einem Persönlichkeitstest herausfinden, welcher Disney-Märchenprinzessin sie entsprechen. Es entstanden Spitznamen für die Dauer ihrer Zusammenarbeit. „Ich bin Pocahontas“, gesteht Tarvin und bringt sein Gegenüber damit schnell zum Schmunzeln: Der rehäugig, bezopften Indianerin gleicht der schlaksige 36-Jährige so gar nicht.

Humor als Führungskompetenz

Aber darauf kommt es auch gar nicht an. Was ihm mit der Albernheit gelungen ist? Ein Stimmungswechsel. Hemmungen sind abgelegt, dem kreativen Austausch steht nichts entgegen.

Was Tarvin selbst im Umgang mit Kollegen und Geschäftspartnern voranbrachte, gibt er inzwischen als Humortrainer an andere Führungskräfte weiter. Der Chef von „Humor that works“ hält heute Seminare in Unternehmen wie Microsoft oder IBM und wird sogar von staatlichen Institutionen wie der US-Polizeibehörde FBI engagiert.

Denn Humor dient nicht nur in Krisensituationen als Stimmungsaufheller und hält die Motivation hoch, sondern wird für Führungskräfte im Arbeitsalltag quasi zur Allzweckwaffe: Wortspiele, Witze, Ironie oder lustige Vergleiche hier und da eingestreut reduzieren Stress, wie US-Forscher der Universitäten Florida und Wilmington herausfanden.

Sie verstärken zudem die persönliche Motivation und das Wohlbefinden. Besonders für Manager, die Mitarbeitern zunehmend auf Augenhöhe begegnen wollen, wird Humor als Facette ihrer Führungskompetenz daher immer wichtiger.

Unternehmer Branson: Spaß haben und ein Vermögen machen

Der britische Unternehmer und Gründer Richard Branson, der laut „Forbes“ zu den zehn reichsten Briten zählt, ist dafür ein Paradebeispiel. Sogar in den Titel seiner Biografie packte er Humor mit hinein: „Losing My Virginity: How I survived, had fun, and made a fortune doing business my way“. Was in etwa mit den Worten übersetzt werden kann: „Meine Entjungferung: Wie ich überlebte, Spaß hatte, ein Vermögen erwarb und nach meinen Spielregeln arbeitete“.

Branson schreibt: „Es gibt sicherlich Parameter, die ein Business am Laufen halten. Aber Unternehmertum folgt keiner Formel. Es ist immer im Fluss, eine sich verändernde Substanz.“ Gemeint ist Agilität – Führung fußt auf Teamgeist, Ideenaustausch und Kommunikation auf Augenhöhe.

Ein weiteres Beispiel par excellence für diesen Führungsstil ist Barack Obama. Als ehemaliger US-Präsident beherrschte er nicht nur die Politik, sondern bestach ebenfalls durch seinen großartigen Humor.

Besonders in Erinnerung blieb vielen seine letzte Rede bei einem Dinner im Weißen Haus 2016. Die Videoaufnahmen zeigen ein Publikum, das alle drei Minuten schallend lacht. Als Krönung beendete Obama die Rede, indem er wie ein Rockstar das Mikro zu Boden fallen lässt.

„Humorvolle Führungskräfte sind eher bereit, Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen“

Ganz anders dagegen der Führungsstil von Amtsinhaber Donald Trump: Auch einmal über sich selbst zu lachen – das käme ihm nicht in den Sinn. Doch sein „Alles hört auf mein Kommando“ gilt als nicht zeitgemäßer hierarchisch orientierter Führungsstil.

Trump und andere hierarchisch geprägte Führungskräfte können wohl auch über folgende Anekdote mitten aus dem Leben nicht schmunzeln: Vor dem Meisterbüro eines großen Automobilwerks werden neue Garderobenhaken angebracht und dazu ein Schild: „Nur für Meister“. Am nächsten Tag steht handschriftlich darunter: „Man kann aber auch Mäntel dranhängen.“

„Humor hinterfragt Normen und Konventionen und stellt Autoritäten infrage. Diktatoren mögen das zum Beispiel gar nicht“, sagt Kabarettist Jürgen Becker schmunzelnd. Der Kölner ist bekannt als Moderator der TV-Sendung „Mitternachtsspitzen“.

„Humorvolle Führungskräfte sind eher bereit, Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen“, urteilt Becker. Sie hätten kein Problem damit, durch Kompetenz und Kommunikation zu überzeugen. Auf ihren Rang brauchten sie dabei nicht zu pochen.

In zunehmend hierarchiefreien Organisationen vernetzter Experten geben Führungskräfte mit Humor zunehmend den Ton an. Sie sorgen für Teamgeist, Menschlichkeit und Lebensfreude – Voraussetzungen für ein erfolgreiches, zeitgemäßes Miteinander.

Mit Humor in der Hackordnung bestehen

Dennoch: Gerade hierzulande geht vor allem bei Managern, die klassisch in der Hierarchie aufgestiegen sind, die Angst um, nicht ernst genommen zu werden, wenn sie sich humorvoll präsentieren. Anders als in Großbritannien und den USA sei es in Deutschland so, dass man allzu oft erklären müsse, „ernst und lustig zugleich zu sein“, sagt Klaus-Jürgen Deuser, besser bekannt als „Knacki“ Deuser.

Der Comedian bringt in Coachings mehr Humor in den Manager-Alltag. Dabei ist es nicht das Ziel, einen Schenkelklopfer nach dem anderen zu platzieren, sondern mit gewitzten Beobachtungen oder netten Bemerkungen positive Stimmung zu erzeugen.

Auch bei US-Humortrainer Tarvin geht es in Seminaren nicht darum, Manager zu bühnenreifen Comedians auszubilden. „Sie sollten nur offener werden und das Mindset annehmen“, sagt er.

Lustiges um die Ecke gedacht schafft überraschende Verknüpfungen von Bekanntem oder bricht mit Erwartungen. Wer die Klaviatur der humorvollen Erwiderung beherrscht, erreicht seine Ziele auch in einem schwierigen Umfeld.

Das weiß zum Beispiel Psychiater Rolf Dieter Hirsch. Der Arzt und Autor hat die Wirkung von Humor im Klinikalltag selbst erlebt. „Ich habe mich zum Beispiel humoristisch kleiner gemacht“, sagt er. So habe er bei überheblichen Kollegen etwa seine Zustimmung ein wenig überdreht und „Ja, hervorragende Idee. Das machen wir genau so“ gesagt – sich damit via Kunstkniff bewusst unter den Kollegen gestellt.

Konflikte charmant lösen

Das reichte, um dem ein oder anderen Kollegen die Augen zu öffnen und ihn zum Lachen anzuregen. Gut, wieder andere hatten wohl keine Antennen für den gezielt eingesetzten Humor. Aber Hirsch erreichte eines: Selten betrachteten Kollegen ihn als Gefahr – es gelang ihm, seine Ziele durchzusetzen.

„Solche Techniken haben mein Überleben im Klinikalltag gesichert“, sagt er. Sein Wissen um den gezielten Einsatz hat er in seinem „Humorbuch“ zusammengetragen. Humor helfe, Distanz und damit einen kühlen Kopf zu wahren, um angemessen zu reagieren. Hirschs Fazit: „Wer Humor hat, beherrscht die Situation.“

Das ist besonders wichtig, wenn ein direkter persönlicher Angriff erfolgt. Dann rät Humortrainerin Eva Ullmann zur Technik der Überhöhung. Die Expertin, die 2005 in Leipzig das Institut für Humor gegründet hat und zuletzt bei der Versicherung Generali und dem Halbleiterhersteller Globalfounderies Workshops gegeben hat, nennt ein Beispiel: „Angenommen, jemand bezeichnet Sie als unfähig.

Dann antworten Sie: „Ja. Ich habe sogar ein Seminar besucht und habe jetzt ein Zertifikat.“ Diese überraschend positive Reaktion nehme dem Gegenüber den Wind aus den Segeln. Denn üblicherweise reagierten Menschen mit Gegenwehr.

Vorsicht bei Witzen

Beim Einsatz von Humor seien zwei grundlegende Dinge zu unterscheiden, erklärt Ullmann: „Es gibt den sozialen Humor, der eine vielleicht peinliche Situation liebevoll auffängt. Aber auch den aggressiven Humor, der das Gegenüber abwertet“, sagt sie.

Ein Beispiel: In einer Konferenz fällt einem Teilnehmer das Wasserglas auf den Boden. Eine nette Reaktion wäre: „Sie können aber schön loslassen.“ Ullmann erläutert: „Das nimmt der Person Schuld und Scham.“ Der aggressive Witz könnte dagegen lauten: „In Ihrem Alter wird es schwer, das Wasser zu halten.“ Dieser Kommentar ist zwar in seinem Sprachwitz doppeldeutig, beleidigt aber, was sich kontraproduktiv aufs Teamgefühl auswirkt.

Comedian Deuser und Humortrainer Tarvin warnen davor, Humor unreflektiert einzusetzen. „Vorsicht bei Witzen“, rät Deuser. Denn sie gehen immer auf Kosten eines anderen. Im Zweifel lieber sich als Zielscheibe aussuchen. „Gespeichert im Netz kann ein heute vielleicht noch politisch korrekter Witz in zwei Jahren schon zum Problem werden.“

Im privaten Bereich funktionieren Witze dagegen besser, weil die Menschen ihr jeweiliges Wertesysteme kennen, eine Zote oder einen flapsigen Spruch als Ausrutscher einordnen können. Doch im Büro gelten andere Spielregeln. Tarvins Tipp: „Jeden Witz, den Sie Ihrer Mutter verschweigen würden, behalten Sie am besten für sich.“

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