Arbeitsunfähigkeit: Rekordhoch bei psychischen Erkrankungen

Noch nie haben sich so viele Mitarbeiter aufgrund psychischer Ursachen krankgemeldet.

Anne Koschik | 03.02.2020
Wenn der Druck zu groß wird, kann sich das im Arbeitsleben stark auswirken. Psychische Belastungen nehmen immer mehr zu.

Unter starker Belastung Wenn der Druck zu groß wird, kann sich das im Arbeitsleben stark auswirken. Psychische Belastungen nehmen immer mehr zu. © Karriere Foto: Ben White on Unsplash

Burnout, Depressionen, seelische Belastungen, Essstörungen und andere psychische Erkrankungen haben im vergangenen Jahr extrem zugelegt. Mit durchschnittlich 2,89 Arbeitsunfähigkeitstagen pro Kopf steigt der Wert auf ein Allzeithoch, wie jetzt die Techniker Krankenkasse in einer aktuellen Vorabauswertung des Gesundheitsreports 2020 bekanntgab.

„Psychische Erkrankungen sind für rund 19 Prozent aller Fehlzeiten verantwortlich, das ist der höchste Wert im Vergleich zu anderen Diagnosen – noch vor Rückenbeschwerden und Erkältungskrankheiten“, sagt dazu TK-Gesundheitsexperte Albrecht Wehner. Über die Gründe kann die Krankenkasse keine konkreten Angaben machen. Ob die Ursachen für den erhöhten Druck im privaten oder beruflichen Umfeld zu suchen sind – darüber lässt sich nur spekulieren.

Möglich sei auch, so die TK, dass es schlichtweg einen offeneren Umgang mit dem Thema „Psychische Belastung“ gibt, sich Menschen gegenüber Ärzten oder Therapeuten eher öffnen als früher. Zu den Berufsgruppen, in denen die höchsten Krankenstände gemeldet wurden, gibt es erst in einigen Monaten nähere Erkenntnisse. Dann sollen alle Daten ausgewertet sein.

Krankenstand insgesamt rückläufig

Insgesamt aber sind Beschäftigte in Deutschland weniger häufig krankgeschrieben als noch im Vorjahr: Mit 4,21 Prozent liegt der Krankenstand um 0,81 Prozent niedriger. Die Erkältungswelle vor Weihnachten sei 2019 weniger stark ausgefallen als im Jahr zuvor, so die Erklärung der Krankenkasse.

Was an den Fehlzeiten im Job besonders auffällt, sind die regionalen Unterschiede. Auf die meisten krankheitsbedingten Fehltage kommen vor allem die östlichen Bundesländer. An erster Stelle rangiert Mecklenburg-Vorpommern mit einem Durchschnittswert von 19,8 Fehltagen vor Sachsen-Anhalt mit 19,5 und Brandenburg mit 19,3 Fehltagen.

Zum Vergleich: Der in Deutschland ermittelte Krankenstand liegt bei 15,4 Tagen je Erwerbsperson. Die meisten Arbeitnehmer sind bei einer Krankmeldung bis zu einer Woche krankgeschrieben.

Die wenigsten Fehltage leisten sich Beschäftigte in Baden-Württemberg mit 12,6 Fehltagen. Auch in Bayern zeigen sich mit durchschnittlich 13,3 Fehltagen Mitarbeiter gesünder als in anderen Bundesländern.

Ursachen für den Psychostress im Job

Bereits im vergangenen Jahr hatte die TK festgestellt, dass die meisten Krankheitsfehltage erstmals auf die Diagnose von psychischen Störungen entfiel. Frauen leiden jedoch häufiger darunter als Männer, die wiederum besonders stark mit Erkrankungen des Bewegungsapparates zu kämpfen haben.

Den starken Anstieg der psychischen Erkrankungen hatte auch der BKK-Gesundheitsreport bestätigt und auf die besonderen Konsequenzen in der Arbeitswelt hingewiesen, die von Leistungsminderung über Ausfälle bis zur Frühverrentung reichen können. Als besonders krankheitsrelevant stellt der Report folgende drei Faktoren heraus:

1. Hohe Anforderungen an die Beschäftigten bei gleichzeitig geringem Handlungsspielraum
2. Hohe Anforderungen an die Beschäftigten bei gleichzeitig geringer Gratifikation
3. Hohe Anforderungen an die Beschäftigten bei gleichzeitig geringer sozialer Unterstützung.

Körperliche Belastungen bei Nicht-Akademikern höher

Interessant in dem Zusammenhang ist die Anzahl der Fehlzeiten in Bezug zur beruflichen Qualifikation, wie es der Gesundheitsreport der Barmer Krankenkasse darstellt. Demnach fehlen am häufigsten Beschäftigte ohne beruflichen Ausbildungsabschluss, wohingegen promovierte Mitarbeiter sowie Kollegen mit den akademischen Abschlüssen Diplom, Magister, Master oder Staatsexamen am seltensten ihrer Arbeitsstelle fernbleiben.

Techniker und Meister liegen dazwischen. Hier spielen allerdings auch die „stärkeren körperlichen Belastungen“ eine Rolle, denen die Beschäftigten mit ihrer jeweiligen Expertise ausgesetzt sind.

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