Volles Gehalt : SAP gratuliert Vätern auf besondere Art

Der Softwarekonzern SAP lässt Väter ihre Arbeitszeit in den ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes reduzieren.

Michael Scheppe | 17.12.2019
Bei SAP können Väter sich ab Januar 2020 ohne Gehaltseinbußen Zeit für ihre Neugeborenen nehmen.

Belohnung für Väter Bei SAP können Väter sich ab Januar 2020 ohne Gehaltseinbußen Zeit für ihre Neugeborenen nehmen. © Jude Beck on Unsplash

SAP macht seinen Vätern ein besonderes Geschenk zur Geburt: Alle Mitarbeiter, die ab Januar 2020 Vater werden, dürfen ihre Arbeitszeit in den ersten acht Wochen nach der Geburt um 20 Prozent reduzieren – und zwar ohne Gehaltseinbußen hinnehmen zu müssen. Bei Mehrlingsgeburten verlängert sich der Zeitraum sogar auf zwölf Wochen.

„Mit dem neuen Angebot wollen wir zeigen, wie ernst wir es meinen, dass unsere Mitarbeiter Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren können“, sagte Cawa Younosi, Personalchef von SAP Deutschland, dem Handelsblatt.

Mit seinem Vorstoß reiht sich SAP neben andere Unternehmen ein, die mit familienfreundlichen Zusatzleistungen bei Angestellten punkten wollen. So offeriert der PC- und Druckerhersteller Hewlett Packard Enterprise seinen Mitarbeitern eine sechsmonatige Elternzeit bei vollem Gehalt. Beim Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé können Mitarbeiter künftig eine bezahlte Familienarbeitszeit von bis zu 18 Wochen nehmen.

Die Maßnahmen stehen beispielhaft dafür, wie Firmen angesichts des Fachkräftemangels und 1,4 Millionen unbesetzter Stellen in Deutschland um Talente buhlen. So können Jobsuchende häufig aus mehreren Alternativen auswählen, was den Druck auf die Firmen erhöht.

„Das Vorhaben von SAP macht das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv und trägt dazu bei, Mitarbeiter einfacher halten zu können“, sagt Immo Futterlieb, Partner im Münchner Büro der Unternehmensberatung Russell Reynolds Associates. Der Softwarekonzern adressiere, dass künftigen Generationen das Thema Familie wieder wichtiger werde.

SAP-Personalchef Younosi betont allerdings, dass der neue Vorstoß nicht das primäre Ziel habe, den Konzern für potenzielle Bewerber attraktiver zu machen. „Uns geht es um etwas viel Fundamentaleres: Wir wollen, dass unsere eigenen Mitarbeiter noch glücklicher sind“, sagt der 43-Jährige. Dass das positiv auf die Arbeitgebermarke abstrahle, sei eine „wünschenswerte Nebenerscheinung“.

Die ersten Wochen sind prägend

Ob ein Arbeitgeber attraktiv ist, hängt laut Younosi nicht von solchen Einzelmaßnahmen ab, sondern von der gesamten Unternehmenskultur. „Das neue Angebot ist nur ein Mosaikstein in unserer Strategie.“ So dürfen die mehr als 20.000 Mitarbeiter des Konzerns etwa frei entscheiden, wo und wann sie arbeiten, ins Büro sollten sie nur zu wichtigen Besprechungen kommen.

„Die ersten Wochen sind für die Familie eine prägende und emotionale Zeit“, so Younosi. Mit dem neuen Angebot wolle SAP es den Vätern einfacher machen, in der Anfangszeit eine enge Beziehung zu ihren Kindern aufbauen zu können und die Mütter zu entlasten. Väter, die sofort mit der Geburt die gesetzliche Elternzeit beantragen, können das SAP-Angebot nicht nutzen. Das neue Angebot ermöglicht es den Mitarbeitern auch nicht, komplett frei zunehmen.

„Erziehung von Kindern kein Gender-Thema mehr“

Mit seiner neuen Väterzeit orientiert sich der Dax-Konzern am gesetzlich geregelten Mutterschutz. Dieser endet frühestens acht, bei Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung. Für Väter gibt es solche Regelungen nicht.

Da 70 Prozent der SAP-Angestellten männlich sind, scheint die neue Offerte eine sinnvolle Ergänzung zu den gesetzlichen Regelungen. „Wir sind grundsätzlich der Überzeugung, dass die Erziehung von Kindern kein Gender-Thema mehr ist“, so Personaler Younosi. „Der Zeitgeist hat sich verändert und deshalb wollen wir gerade unsere Väter unterstützen.“

Für Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen, läutet SAP mit dem Vorstoß einen Paradigmenwechsel ein: „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird so nicht mehr nur als Frauenthema betrachtet.“ Berater Futterlieb ergänzt: „Gerade Väter werden von Unternehmen oftmals kritisch beäugt, wenn sie eine Auszeit für ihr Kind beantragen.“ Durch Maßnahmen wie von SAP könnte es bei Managern am Ende des Tages eine größere Akzeptanz für solche Anfragen geben.

Deutlich weiter als der Walldorfer Softwarekonzern geht der deutsche Ableger des IT-Konzerns Hewlett Packard Enterprise: Mütter und Väter können bei der Geburt bei vollem Gehalt sechs Monate in Elternzeit gehen. Das Elterngeld in Deutschland fällt weniger großzügig aus: Der Gesetzgeber zahlt maximal 1800 Euro netto pro Monat. „Bei den Verdiensten, die wir in der IT-Industrie haben, biete eine Weiterbezahlung des ganzen Gehalts also einen enormen Vorteil“, sagt Ernst Reichart, Personal-Geschäftsführer für das Deutschland-Geschäft.

HP-Mitarbeiter erhalten in den ersten sechs Monaten ausschließlich Geld des Konzerns, staatliche Leistungen entfallen für diesen Zeitraum, können von Eltern aber anschließend bezogen werden. Anders verfährt die Lebensmittelfirma Nestlé. Sie stockt bei Angestellten in Deutschland für 18 Wochen die Differenz zwischen Elterngeld und Gehalt auf, sodass quasi das normale Gehalt weiterläuft.

Dass SAP mit seinem neuen Angebot nicht so weit geht wie HP, kommentiert Personalchef Younosi so: Die Väter von SAP hätten sich das offerierte Angebot so gewünscht. Die neue Initiative geht auf Befragungen im unternehmenseigenen Väternetzwerk zurück.

Welche Mehrkosten der neue Vorstoß verursachen wird, wollte Younosi, selbst Vater eines elfjährigen Kindes, nicht sagen. „Ehrlich gesagt haben wir uns die Frage nach dem Geld in diesem Kontext auch nicht gestellt. Die Mitarbeiter zu unterstützen, lohnt sich in jedem Fall.“ Younosi erwartet, dass weitere Unternehmen mit entsprechenden Maßnahmen nachziehen werden.

Experten wie Berater Futterlieb sehen das zwar als sinnvoll an, befürchten aber, dass kleinere Unternehmen solche Maßnahmen nicht so einfach stemmen können: „Wenn ein Spezialist wegen Elternzeit für einige Monate ausfällt, kann ein Mittelständler ihn nicht so leicht ersetzen wie ein Großkonzern.“

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