Frauennetzwerke: „Notwendiger Ausgleich zu Männerbünden“

In der WeiberWirtschaft, einem bunten Gebäudekomplex in Berlin-Mitte, sind nur Frauen tätig – in Geschäften, Büros, Ateliers und Restaurants.

dpa | 17.11.2021
Frauen können die männliche Dominanz unterbinden, wenn sie auch selbst ihr Verhalten ändern.

Frauen unter sich Frauen können die männliche Dominanz unterbinden, wenn sie auch selbst ihr Verhalten ändern. Foto: Cowomen on Unsplash

Die WeiberWirtschaft Genossenschaft betreibt hier seit Mitte der 1990er Jahre auf 7000 Quadratmetern ein Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentrum. Najda Ivazovic ist Gründerin und Mitglied im Vorstand der Genossenschaft.

Ursprünglich kommt sie aus der Immobilienwirtschaft. „Eine männlich dominierte Branche”, erzählt die 34-Jährige, die sich 2014 mit einem Unternehmen für Gebäudereinigung selbstständig gemacht hat.

Bei einem Gründerinnen-Abend lernte sie die WeiberWirtschaft kennen und merkte, dass viele Frauen ähnliche Probleme hatten.

Frauen unter sich: Lernen von männlichen Vorbildern

Die WeiberWirtschaft wurde bereits vor 30 Jahren gegründet. „Als notwendiger Ausgleich zu Männerbünden. Um aufzuholen und uns gegenseitig zu empfehlen”, erklärt Katja von der Bey, auch Vorstandsmitglied.

Es sei wichtig, unter Frauen eine „Empfehlungskultur” zu entwickeln, wie sie unter Männern selbstverständlich sei.

Netzwerkveranstaltungen unter Frauen machen es leichter, sich im Selbstmarketing und Kontakte-Knüpfen zu üben, sagt Anja Seng, Professorin für Personalmanagement an der FOM Hochschule.

An vielen Standorten der Hochschule fänden regelmäßig Frauen-Foren statt, erzählt die Diversity-Beauftragte. Es gehe beispielsweise um Selbstmarketing, Netzwerken oder Verhandlungsführung.

Frauen im Nachteil: Ein Erziehungsproblem

Hier haben Frauen Nachholbedarf – einen Grund dafür sieht Seng in der unterschiedlichen Sozialisation. Übten sich Jungs oft früh im Wettbewerb, profitierten Frauen eher davon, brav zu sein.

Das erweist sich als Nachteil für eine Karriere im oberen Managementbereich. „Wenn ich gefallen will, ist es viel schwerer, eine Gehaltsverhandlung zu führen”, weiß Seng.

Prof. Maria Wersig ist Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes und lehrt in Dortmund Recht in der sozialen Arbeit. Die Ausbildung an den juristischen Fakultäten sei traditionell männlich dominiert, sagt sie: „Als ich 1998 an die Uni kam, hatten wir keine einzige Professorin.”

Auch heute seien nur 16 Prozent der unbefristeten Professuren von Frauen besetzt, obwohl mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich sei.

Frauen in Aktion: Gegenseitige Unterstützung

Frauennetzwerke wollen Frauen besonders stärken, sollen aber gemischtgeschlechtliche Netzwerke nicht ersetzen. „Ich schätze auch die männlichen Kollegen sehr”, betont Najda Ivazovic.

Sie rät dazu, sich möglichst breit zu vernetzen – mit Männern wie Frauen.

Die gläserne Decke können Frauen nach Ansicht von Anja Seng nicht allein bekämpfen. „Aber sie können und müssen lernen, sich gegenseitig aktiv auf ihren Karrierewegen zu unterstützen.”

Katja von der Bey sieht in einigen Bereichen Fortschritte. „Das allgemeine Verständnis dafür, dass Frauen dieselben Chancen haben sollten wie Männer, ist viel größer geworden.”

Allerdings würden die Gegenkräfte häufig unterschätzt, sagt Maria Wersig. „Sobald man sagt, diese Themen haben sich erledigt, werden sich männerdominierte Strukturen wieder durchsetzen.”