Beziehung am Arbeitsplatz: Liebe im Büro: Bitte keine Sexnachrichten per E-Mail

Jeder Vierte findet seinen Partner am Arbeitsplatz. Was Büropaare tunlichst vermeiden sollten.

Michael Scheppe | 17.11.2024
Liebe unter Kollegen ist in vielen Unternehmen mittlerweile erlaubt. Aber es gibt bestimmte Spielregeln.

Büropaar Liebe unter Kollegen ist in vielen Unternehmen mittlerweile erlaubt. Aber es gibt bestimmte Spielregeln. Quelle: Pablo Merchan Monte/Unsplash © Karriere

Es war ausgerechnet ein verspäteter Zug, der die Liaison des Deutsche-Bahn-Pärchens auffliegen ließ. Frank Berlin und Nicole Burger hatten sich während einer mehrteiligen Schulung kennen und lieben gelernt.

Zum Seminar in der Hauptstadt reisten sie gemeinsam – und kamen zu spät. Ihre Erklärung: ein verpasster Anschlusszug. Doch die Ausrede fiel auf, arbeitete er doch in Hamburg und sie in München.

Die Kollegen kannten das Schienennetz, welchen gemeinsamen Zug also sollten sie verpasst haben? Spätestens als den beiden für das Abschlussseminar ein Doppelzimmer gebucht wurde, war allen klar: Burger und Berlin sind mehr als nur Arbeitskollegen.

Das war 2001. Heute heißt Burger auch Berlin mit Nachnamen. Beide sind leitende Manager bei DB Region in Frankfurt. Das Paar hat sich seit der Schulung nie wieder getrennt – weder privat noch beruflich.

Jeder dritte Deutsche war schon in einen Arbeitskollegen verliebt

Vielen Managern ergeht es so wie den Berlins. Glaubt man einer Befragung der Online-Partnervermittlung Elite Partner, hat sich jeder dritte Deutsche schonmal in einen Kollegen verliebt, knapp jeder vierte hat sogar seinen Partner im Job kennengelernt. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es nicht, andere Umfragen kommen allerdings zu ähnlichen Ergebnissen.

Firmen in Deutschland stehen der Büroliebe zusehends offen gegenüber – und das nicht nur an Valentinstag. „Beziehungen unter Kollegen sind hierzulande längst nicht mehr so verpönt wie früher“, sagt Walter Jochmann, Geschäftsführer der Managementberatung Kienbaum. „Wer sie toleriert und Transparenz herstellt, gibt sich als offener und moderner Arbeitgeber.“

So ist die neue Akzeptanz der Büroliebe ein Spiegelbild der sich wandelnden Unternehmenskultur – hin zu einem familiäreren Umfeld. Die Liebe darf jetzt ins Büro, genauso wie Manager ohne Krawatte, der Tischkicker und das duzen unter Kollegen – zumindest bei Firmen, die mit flachen Hierarchien locken wollen.

Die Büroliebe „kann Flügel verleihen“

Und auch die Unternehmen profitieren: „Mitarbeiter in einer stabilen Liebesbeziehung sind viel motivierter und produktiver, weil sie einfach gut drauf sind“, sagt die Frankfurter Karriere- und Beziehungsexpertin Christine Backhaus. „Das kann richtig Flügel verleihen.“

Das gilt umso mehr, wenn der Partner zugleich der Arbeitskollege ist. So ist es viel leichter, die beruflichen Sorgen und Sehnsüchte des anderen zu verstehen. Und an die Firma bindet die Kollegenliebe gleich mit, ist es doch praktisch, ähnliche Arbeitszeiten zu haben und mit demselben Auto ins Büro zu fahren.

Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen in ihre Kollegen verlieben. Im Durchschnitt verbringen Vollzeitangestellte 41 Stunden pro Woche auf der Arbeit – viel Zeit, um die Arbeitsmoral des Gegenübers, seine Stressresistenz und die Teamfähigkeit näher kennen zu lernen.

Menschen, die im gleichen Unternehmen arbeiten, sind sich oft auch näher, weil sie einen ähnlichen Berufsweg und vergleichbare Interessen haben, sagt Hannes Zacher, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Leipzig – und ergänzt: „Beziehungen von Menschen, die sich ähnlich sind, halten oft länger.“

Auch die Obamas haben sich auf der Arbeit kennen gelernt

Eine Reihe prominenter Büropaare beweist das: Liz Mohn saß bei Bertelsmann am Empfang, bevor sie den damaligen Vorstandschef bei einem Betriebsfest kennenlernte. Heute ist sie Vorsitzende der Gesellschafterversammlung – und Milliardärin.

Microsoft-Gründer Bill Gates soll der Programmiererin Melinda French per E-Mail einen Heiratsantrag gemacht haben. Auch bei den Obamas hat es auf der Arbeit gefunkt: er machte Praktikum in einer Kanzlei, sie war die Betreuerin.

Doch neben allen Vorzügen der Büroliebe gibt es auch gravierende Nachteile. Wer mit Kollegen flirtet, muss bedenken, dass es schief gehen kann. Danach müssen sie aber weiterhin zusammenarbeiten. Oder die Kollegen sind vom Geturtel genervt. Oder die Beziehung dreht sich nur noch um die Arbeit.

Was Büropaare auf jeden Fall vermeiden sollten – Karriere.de gibt vier Ratschläge, damit die Büroliebe gelingt.

1. Fehler: Sich Hals über Kopf in den Chef verlieben

Jeder zehnte Deutsche hat sich laut Elitepartner-Erhebung schonmal in den Chef verguckt. Natürlich lässt sich Liebe nicht verhindern. Klar ist aber: Wenn der Angestellte und sein Vorgesetzter ein Paar sind, ist die Situation besonders pikant, findet der Berliner Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger. „Die Verhältnisse im gesamten Team werden vergiftet, weil niemand mehr weiß, was er im Pausenraum noch erzählen darf.“

Um solchen Interessenskonflikte vorzubeugen, fordern Unternehmen wie die Allianz oder Adidas ihre Mitarbeiter dazu auf, Beziehungen publik zu machen. BMW strebt „einen Wechsel von einem der beiden Partner in eine andere Abteilung an“. Durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist das möglich.

Und das dienstliche Machtgefälle kann auch die Liebesbeziehung belasten, sagt die Münchner Paar- und Sexualtherapeutin Andrea Bräu. „Oftmals begegnen sich die beiden Partner dann auch im Privaten nicht auf Augenhöhe.“ Gerade bei einer Trennung kann das problematisch werden.

Backhaus rät ihren Klienten dazu, schon am Anfang ein mögliches Ende der Liaison und die Folgen für die Karriere mitzudenken – so unromantisch das auch sein mag. „Wenn sich Paare nach einer Trennung nicht mehr aus dem Weg gehen können, wird einer seine Position verlassen müssen“, so die Expertin. „Und das kann Existenzen zerstören“ – gerade, wenn die beiden für einen kleineren Betrieb arbeiten, schon älter oder stark spezialisiert sind.

Unter dem Liebesaus leiden meist die Frauen, beobachtet Backhaus. Ihre Erklärung: Tendenziell kündigt derjenige, der niedriger in der Hierarchie steht – und das sind eben häufig noch die Frauen.

2. Fehler: Die Beziehung verheimlichen

Besser nicht! Rechtlich verpflichtet sind Angestellte in Deutschland dazu zwar nicht. „Liebesbeziehungen sind Teil des Persönlichkeitsrechts und vom Grundgesetz geschützt“, sagt Arbeitsrechtler Sebastian Schröder von der Düsseldorfer Kanzlei Aquan.

Doch im Büroalltag kommen schnell die fragenden Blicke, dann die Gerüchte. Warum kommen die beiden immer zusammen? Und warum reicht er ihr den Mantel an?

Am Ende fliegt die Heimlichtuerei sowieso auf. So wie beim Deutsche-Bahn Pärchen Berlin. Daraus hat Nicole Berlin gelernt: „Es ist wichtig mit offenen Karten zu spielen, das verhindert komische Situationen mit Kollegen, wenn sie über meinen Mann reden.“

3. Fehler: Sexnachrichten per E-Mail

Anzügliche Chats gehören nicht ins Büro! Denn die können unter Umständen die Karriere kosten. Auch wenn die Büroliebe erlaubt ist: Die Kündigungen droht, falls Mitarbeiter durch ihre Beziehung die Arbeit vernachlässigen oder der Betriebsfrieden durch Streitereien gestört wird, erklärt Jurist Schröder.

Was Büropaare ebenfalls vermeiden sollten: Küsse im Kopierraum und Flirts auf dem Flur. Das Techtelmechtel in der Teeküche „kann die Kollegen wahnsinnig nerven oder sie gewinnen den Eindruck, dass sie ausgeschlossen werden“, sagt Psychologin Backhaus.

Auch für die Berlins kommen Intimitäten am Arbeitsplatz nicht infrage: „Ich bin hier in meiner Rolle als Führungskraft, das kann ich sehr wohl unterschieden“, sagt Nicole Berlin.

4. Fehler: 24 Stunden am Tag miteinander verbringen

Morgens im Meeting sitzen und abends beim Abendbrot über die Ergebnisse diskutieren. Das sollten Büropaare tunlichst vermeiden, um sich nicht ausschließlich über die Arbeit zu definieren. An diesen Expertenratschlag hält sich das DB-Pärchen.

Über Arbeit sprechen beide aber auch nach Feierabend: „Wir kommen nach Hause, um zu leben. Und unsere Gespräche flankieren wir auch mit Arbeitsthemen –so wie bei anderen Paaren auch, die keine Kollegen sind“, sagt Frank Berlin. Wenn sich Berufliches und Privates zu sehr vermischen, raten Arbeitspsychologen eine Uhrzeit festzulegen, nach der Berufsthemen tabu sind.

Denn unter 24-stündiger Dauernähe leiden viele Beziehungen. Wer vom Frühstück über den Kantinenlunch bis zum Abendessen ständig in Kontakt sei, laufe Gefahr, keine Leidenschaften mehr entstehen zu lassen, so Therapeutin Bräu.

„Bei solch symbiotischen Büropaaren sollte jeder Einzelne nach Impulsen von außen suchen.“ Hilfreich ist, wenn die Liebenden getrennten Hobbies nachgehen, sagt Bräu.

So machen es auch die Berlins. Er fotografiert und sie näht gern. Manchmal aber gehen sie auch zusammen Golf spielen – gemeinsam mit anderen Arbeitskollegen.

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