Gender Pay Gap: Warum Frauen weniger verdienen als Männer

Je höher die Qualifikation und Position, desto größer die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen. Der Equal Pay Day markiert symbolisch die Lohnlücke. karriere.de zeigt warum.

Ferdinand Knauß, Anne Koschik | 17.11.2024
Am Equal Pay Day protestieren Frauen regelmäßig für gleiche Gehälter. Der Unterschied zu Männern ist nach wie vor gravierend.

Gleiches Gehalt für gleiche Arbeit Am Equal Pay Day protestieren Frauen regelmäßig für gleiche Gehälter. Der Unterschied zu Männern ist nach wie vor gravierend. © Karriere Foto: imago images /IPON

Am 17. März ist Equal Pay Day – ein symbolisches Datum, das die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern markiert: Genau 77 Tage eines Jahres sind es demnach, die Frauen sozusagen umsonst arbeiten.

Weibliche Führungskräfte können noch einige Tage mehr dran hängen: Denn in den oberen Etagen ist das geschlechterspezifische Gehaltsgefüge noch stärker aus den Fugen geraten.

Doch erst einmal zum allgemeinen Durchschnitt: Frauen verdienen immer noch rund 20 Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Das zeigen die jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts.

Der so genannte „Gender Pay Gap“ hat sich damit in gut einem Jahrzehnt nur um drei Prozentpunkte verkleinert. Warum das so ist, können Statistiker und Sozialwissenschaftler nur zum Teil erklären.

Interessant ist, dass auch die per Gesetz eingeführte Gehaltstransparenz nicht viel zur Beseitigung dieser Ungleichheit beiträgt: Denn Unternehmen zahlen Frauen jetzt nicht unbedingt mehr. Stattdessen stiegen die Gehälter der Männer weniger, geht aus einer Studie der Cornell-Univesity hervor.

Der Trend ist weltweit ähnlich, in Europa aber beträgt er durchschnittlich nur 16 Prozent – Deutschland zählt hier zu den Schlusslichtern.

Bis diese Lücke einmal geschlossen sein wird, werde es sogar noch mindestens 200 Jahre dauern, hat das World Economic Forum in seinem Global Gender Gap Report festgestellt.

Niedriger Bruttostundenlohn

Jetzt zu den Fakten: Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen liegt in Deutschland bei 17,72 Euro, der von Männern bei 22,61 Euro.

Bei Betrachtung der Führungsebene sind die Unterschiede gravierender, wie Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschungen (DIW) zeigen. So kommen weibliche Führungskräfte auf einen Bruttostundenlohn von 20,60 Euro, ihre männlichen Pendants auf 29,30 Euro. Frauen erreichen somit nur 70 Prozent der Verdienste der Männer.

Ähnliche Verdienstunterschiede gibt es bei Technikern (30 Prozent), akademischen Berufen (28 Prozent) und Handwerkern (25 Prozent).

Den geringsten Geschlechterunterschied (4 Prozent) gibt es bei Bürokräften. Der Gender Pay Gap lag bei niedrigen Abschlüssen (Haupt- oder Realschulabschluss) bei 11 Prozent.

Bei mittlerer Bildung (Abitur) betrug der Verdienstabstand 19 Prozent. Bei höheren Abschlüssen (zum Beispiel Hochschulstudium) lag der Verdienst von Frauen hingegen um 27 Prozent unter dem von Männern.

Der Verdienstunterschied steigt also mit der Qualifikation – und dem Alter. Bei Männern und Frauen der unter 24-Jährigen betrug er nur 2 Prozent, bei den 25- bis 34-Jährigen waren es elf Prozent, bei den 35- bis 44-Jährigen 24 Prozent und bei den 55- bis 64-Jährigen 28 Prozent.

Die Macho-Verschwörung?

Als Ursache für Geschlechterunterschiede beim Verdienst wird allgemein eine anhaltende Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt angenommen – ähnlich wie in der Diskussion um den geringen Frauenanteil in Führungspositionen.

Implizit geht die Frauenpolitik davon aus, dass in der Gesellschaft noch immer machistische Mächte am Werk sind, die den Aufstieg von Frauen aus reiner Missgunst verhindern. Von „gläsernen Decken“ ist da oft die Rede.

Aktuell hat eine der größten Vergütungsstudien, die Mercer Total Remuneration Surveys (TRS), festgestellt, dass Männer in den Unternehmen durchschnittlich höher eingestuft werden als Frauen, „was letztendlich zu einem höheren durchschnittlichen Gehalt führt“. Sogar in weiblich dominierten Industrien repräsentierten Männer eine Mehrheit in Management-Positionen.

„Hierbei handelt es sich um eine strategische Herausforderung für Personalabteilungen und die Unternehmensführung. Gleichstellung muss von oben gedacht und konsequent umgesetzt werden“, fordert daher Thomas Gruhle, Vergütungsexperte bei Mercer.

Tatsache ist, dass Frauen im Top-Management der 160 wichtigsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland nach wie vor massiv unterrepräsentiert sind: In 97 Prozent dieser Unternehmen ist der Vorstandschef männlich und in zwei Drittel der Unternehmen ist im gesamten Vorstand keine Frau zu finden, stellt die Personalberatung Hunting Her klar. Dieses Missverhältnis sei durch nichts zu begründen.

Natürlich gibt es auch ganz handfeste Gründe für den geringen Frauenanteil in Führungspositionen und für die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern. So ist der geringere Frauenanteil in Führungspositionen nach einer Studie des Frankfurter Soziologen Fabian Ochsenfeld zum Teil durch die Geschlechtsunterschiede bei der Studienfachwahl zu erklären.

Frauen planen Karrieren anders 

Zudem studieren junge Frauen tendenziell Fächer, die sie weniger für Karrieren in der freien Wirtschaft qualifizieren, nämlich Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften sowie Lehramtsstudiengänge.

Vor allem die Natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer sind trotz aller geschlechterpolitischen Bemühungen nach wie vor eine Männerdomäne.

In den sogenannten MINT-Studienfächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) beträgt der Frauenanteil aber immerhin bereits rund 30 Prozent. In zehn Jahren ist er damit um etwa 90 Prozent gewachsen.

Noch entscheidender als die Fächerwahl ist nach Ochsenfeld aber etwas anderes: Die meisten Frauen reduzieren mit der Geburt von Kindern ihr berufliches Engagement zugunsten der Familie.

Ähnlich kann man auch die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, vor allem in höherqualifizierten Berufen, zumindest teilweise erklären. Sozialwissenschaftler sprechen daher auch von einem „Family Gap“: Frauen sind stärker als Männer auf die Familie fokussiert und planen dementsprechend einen weniger geradlinigen Berufsweg.

Das heißt, sie wählen bewusst oder unbewusst Berufe und bewerben sich auf Positionen, die mit der Familie gut zu vereinbaren sind. Aber diese sind in der Regel schlechter bezahlt und weniger zum beruflichen Aufstieg geeignet als andere.

Die „Opportunitätskosten“, die Frauen im Dienste der Familie für entgangene Chancen im Beruf zahlen, sind umso größer, je größer die Chancen wären. Das erklärt, warum die Gehaltsunterschiede bei Hochqualifizierten deutlicher sind als bei gering Qualifizierten.

Frauen im Nachteil durch ständige Rücksichtnahme

Einige Ökonomen gehen auch davon aus, dass Frauen bei der Arbeit weniger Energie in karriererelevante Aktivitäten (zum Beispiel Fortbildungen) investieren, da ihre Karrieren – familienbedingt – ohnehin weniger geradlinig und planbar verlaufen. Und vor allem: Frauen mit Kindern haben für solche Aktivitäten neben der regulären Arbeit oft einfach keine Zeit. Viele arbeiten nur noch Teilzeit oder sind geringfügig Beschäftigte.

Einig sind sich die meisten Sozialwissenschaftler, dass dies nicht den gesamten Unterschied erklärt. Das Statistische Bundesamt hat einen um die oben genannten Erklärungen „bereinigten“ Gender Pay Gap berechnet. Danach blieb noch ein Gehaltsunterschied von durchschnittlich sechs Prozent übrig.

Verhandeln Frauen schlechter?

Also verdienen Männer selbst bei weitestgehend gleichen Bedingungen noch mehr als Frauen. Der Rest der Erklärung ist dann da zu suchen, wo man mit Statistiken und ökonomischen Modellen nicht weiter kommt.

Möglicherweise laufen Gehaltsverhandlungen mit Frauen tatsächlich anders ab als solche mit Männern. Vielleicht bieten Personalverantwortliche Frauen tendenziell geringere Gehälter an.

Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie das tun, weil sie bewusst Frauen diskriminieren. Möglich wäre zum Beispiel auch, dass sie die Erfahrung gemacht haben, dass Frauen tendenziell schlechter verhandeln.

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat herausgefunden, dass Frauen eher zufrieden mit ihrem Gehalt sind als Männer und gar nicht nach einer Erhöhung fragten. Dieser Unterschied ist jedoch zunehmend geringer geworden: So stellt eine aktuelle Umfrage der Online-Jobplattform Stepstone fest, dass 42 Prozent der Männer ihren Arbeitgeber regelmäßig nach einer Gehaltserhöhung fragen – und 38 Prozent der Frauen eben auch. Aber die Branchen, in denen Frauen vor allem anzutreffen seien, stehen laut Stepstone für niedrigere Gehälter. So springt auch beim Jobwechsel in andere Unternehmen weniger heraus, wenn der Arbeitgeber wieder einer dieser Branchen entstammt.

An mangelndem Selbstbewusstsein liegt es bei den Frauen jedenfalls nicht: Denn „60 Prozent der Frauen, die nach einer Gehaltserhöhung fragen, sind der Ansicht, dass sie diese aufgrund ihrer Leistung auch verdient haben“, so Stepstone.