Führungspotenzial: Welche 4 Stärken Sie von internationalen Top-Managerinnen lernen können

Diese Management-Skills und Persönlichkeitsmerkmale bringen Frauen an die Spitze.

Claudia Obmann | 08.11.2024
Frauen sind in Spitzenpositionen mindestens so erfolgreich wie Männer. Sie müssen sich aber anders durchsetzen.

Spitzenkräfte Frauen sind in Spitzenpositionen mindestens so erfolgreich wie Männer. Sie müssen sich aber anders durchsetzen. © Karriere Foto: Brooke Lark on Unsplash

Was haben Frauen in Spitzenpositionen in unterschiedlichen Ländern gemeinsam und was unterscheidet sie? Das wollte Bettina Al-Sadik-Lowinski, internationale Executive Coachin und Führungskräftetrainerin, herausfinden.

Deshalb hat sie insgesamt 110 Topmanagerinnen aus China, Russland, Frankreich, Deutschland und Japan zu ihren Karriereverläufen sowie zu persönlichen Stärken und Kompetenzen befragt. Das Ergebnis ihrer Analyse, die weltweit mehr als 500 Unternehmen und Tätigkeiten in über 21 Ländern umfasst, bestätigt zum Teil Klischees, zum Teil fördert sie aber auch Überraschendes zu Tage.

Was die Top-Managerinnen, die heute in den fünf genannten Ländern arbeiten, eint, sind folgende Eigenschaften:

  • ein früh ausgeprägter Erfolgswille
  • eine sportliche Einstellung zu Wettbewerb
  • ein von gesellschaftlichen Normen unbeirrter beruflicher Aufstieg
  • die Attitüde, Rückschläge als Lernchance zu nutzen.

Doch es gibt eben auch ländertypische Unterschiede: Speziell diese nationalen Besonderheiten könnten für den weiblichen Führungsnachwuchs in Deutschland von großem Interesse sein, „wenn nicht sogar den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen“, sagt Bettina Al-Sadik-Lowinski.

Denn die deutschen Top-Managerinnen beschreiben sich selbst als analytisch starke Expertinnen mit hoher Zahlenaffinität, einem Faible für strategische Planung und einem besonderen Händchen für Transformationsprozesse in Unternehmen. Das sei zwar eine solide Karriere-Basis, für den Aufstieg in der multinationalen Konzernwelt. Doch ließe sich das Kompetenzprofil durchaus ausbauen.

Die Wissenschaftlerin vergleicht Anforderungen an eine Managerin dabei mit einem Kuchen: „Deutsche Frauen könnten sich selbstkritisch fragen, welches Stück sollte ich mir von Top-Managerinnen der anderen Nationen abschneiden, um meine eigenen Erfolgschancen auf dem Weg an die Spitze zu verbessern?“

Und diese Stärken begünstigen die Top-Karriere von Frauen:

Globales Mindset der Chinesin

Während alle befragten Spitzenmanagerinnen sich grundsätzlich offen für fremde Kulturen zeigen und den Wunsch hegen, sie zu begreifen, erweisen sich Chinesinnen als versierte „Wanderer zwischen den Welten“. Damit ist, über die Fähigkeit auf Unternehmensleitungsebene in mehreren Sprachen kommunizieren zu können, ihr  besonders ausgeprägtes Talent gemeint, sich in die Denk- und Handlungsweisen ausländischen Entscheider und Kollegen nicht nur einfühlen, sondern auch daran anpassen zu können.

Hierin haben es die Chinesinnen offenbar zur Meisterschaft gebracht. Grund dafür ist ihr „globales Mindset“. Die innere Einstellung erklärt Al-Sadik-Lowinski so: „Mit positiver Neugierde suchen die Chinesinnen in der eigenen und in der fremden Kultur die jeweiligen Juwelen, anstatt allem Fremden, Ungewohnten mit Misstrauen und Ablehnung zu begegnen.“

Vorteil:
Diese Grundhaltung befähigt sie, sich feinste kulturelle Unterschiede bewusst zu machen. Im Führungsalltag erweist sich ihre interkulturelle Kompetenz als ausgesprochen wertvoll. Denn die chinesische Managerin kann integrativ auf ihre Teams beziehungsweise bei Konflikten ausgleichend einwirken – und  ihr Wissen auch strategisch zum eigenen Vorteil nutzen.

Visionäre Kraft der Russin

Das große Ganze zu sehen und die Vorstellungskraft, wie man Dinge im Unternehmen verändern muss, um erfolgreich zu sein, ist für ein Mitglied der Chefetage essenziell. Noch bedeutender allerdings ist es, andere von einer neuen Geschäftsidee oder einem strategischen Ziel zu überzeugen und sie zum Handeln zu motivieren.

Die meisten der befragten Frauen sehen hier ihre Schwäche – besonders im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Ausnahme: russische Topmanagerinnen. Sie attestieren sich durchaus visionäre Kraft und rhetorisches Motivationsgeschick, das es ihnen ermöglicht, Mitarbeitende für die Umsetzung ihrer Ziele zu begeistern.

Ein Erklärungsansatz von Al-Sadik-Lowinski dafür, dass speziell die Osteuropäerinnen in dieser Disziplin punkten, lautet: „Die Karriere-Verläufe der Russinnen zeigen, dass diejenigen, die in der multinationalen Konzernwelt heute eine bedeutende Rolle spielen, zuvor in der Heimat oder in anderen osteuropäischen Ländern ein Geschäft sozusagen aus dem Nichts aufgebaut haben.“

Vorteil:
Dieser frühe Ansatz ist laut Führungskräftetrainerin Al-Sadik-Lowinski „eine wertvolle Übung, um eine Zukunftsvision eines Unternehmens oder von großen Projekten zu entwerfen, sie zu kommunizieren und Leute dafür zu begeistern, dieses Leitbild zu realisieren.“

Durchsetzungskraft der Französin

Die französischen Top-Managerinnen bestechen durch ihre Intellektualität, die sie strategisch einsetzen, um in Unternehmen zu überzeugen. Häufig ausgebildet an Elite-Universitäten und über Mentoren bis in die inneren Zirkel der Elite- und Machtkreise bestens verdrahtet, sind sie die intellektuelle Auseinandersetzung auf hohem Niveau gewöhnt.

Sie scheuen keinen Konflikt und verfügen über eine besonders starke Durchsetzungsfähigkeit.  Al-Sadik-Lowinski erklärt dieses Analyseergebnis so: „Auch wenn die erfolgreiche französische Managerin gern als Vorbild für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hingestellt wird, ist es um die Chancengleichheit von Mann und Frau bei unseren Nachbarn tatsächlich gar nicht so viel besser als in Deutschland bestellt. Diese Rechte wurden erst hart von der aktuellen Managerinnen-Generation an der Spitze erkämpft und es bestehen durchaus weiterhin unterschwellige Widerstände in Frankreich gegenüber Frauen mit starken Karriereambitionen.“

Ohne entsprechende Rollenvorbilder von Müttern oder Großmüttern hat sich die aktuelle Generation der Spitzenmanagerinnen sich seit Schulzeiten nach oben durchgeboxt.

Vorteil:
Französinnen haben gelernt, „dass sich so manch ein Gegenüber von ihrem Mix aus Intellekt und Angriffsfreude einschüchtern lässt“, sagt Al-Sadik-Lowinski.

Flexibilität der Japanerin

Die japanischen Topmanagerinnen sind die Ausnahmeerscheinungen in der Untersuchung. Sie sind exzeptionelle Systemüberwinderinnen, denn sie haben es geschafft, sich von den einschränkenden gesellschaftlichen Normen ihres Landes zu befreien, die Frauen den beruflichen Aufstieg noch immer versagen.

Die wichtigste Eigenschaft für ihren Erfolg ist nach Angaben der erfolgreichen Japanerinnen, dass sie sich früh bewusst gemacht haben, dass sie Karriere machen wollen. Und bereit waren, ihren Ambitionen alles unterzuordnen – egal, welche persönlichen oder familiären Schwierigkeiten sie dafür in Kauf nehmen mussten. Al-Sadik-Lowinski erläutert den Befund so: „Diese Frauen warten nicht darauf, dass Unternehmensumfelder sich ändern. Sie wählen vielmehr ihren Arbeitgeber bewusst aus und wechseln dahin, wo sich eine neue Chance für das eigene Vorankommen bietet.“

Vorteil:
Ob das einen Umzug in die entferntesten Regionen des Landes, ein kulturell unbekanntes Unternehmensumfeld bei ausländischen Firmen oder die vorübergehende Trennung von ihrer Familie bedeutet: Die japanische Top-Managerin zeigt außerordentlich hohe Flexibilität und Veränderungsbereitschaft, um an die Spitze großer Wirtschaftsunternehmen zu gelangen. Al-Sadik-Lowinski: „Ist die strategisch geschickte japanische Job-Hopperin dort einmal angekommen, wird sie von ihren Landsleuten gar nicht mehr primär als Frau, sondern eher als Inhaberin eines repräsentativen Amtes wahrgenommen.“

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