Corona-Zeiten: Karriere machen im Wirtschaftsabschwung

Ein Manager-Coach erklärt, welche neuen Spielregeln Sie im Job beachten müssen. Ein Gastbeitrag.

Michael Alznauer | 19.11.2021
„Haben Sie jetzt den Mut, auch unter Unsicherheit dort Verantwortung zu übernehmen", meint Manager-Coach Michael Alznauer.

Führung in der Krise I „Haben Sie jetzt den Mut, auch unter Unsicherheit dort Verantwortung zu übernehmen", meint Manager-Coach Michael Alznauer. Foto: Matteo Vistocco/ unsplash © Karriere

Manchmal ist etwas vorbei, bevor es überhaupt begonnen hat. „Momentan haben wir ganz andere Probleme.“ Mit diesen Worten sagt die Personalchefin den Gesprächstermin mit meinem Klienten Andreas ab. Dabei sollte es endlich um die Ergebnisse seines Management-Profilings vom Jahresbeginn und seine weitere Entwicklung im Unternehmen gehen.

Dass man auch sein Coaching und das Führungsseminar im Sommer storniert hat, frustriert Andreas schon. „Verstehe ich“, antwortet er trotzdem. Denn wer will schon den Eindruck hinterlassen, jetzt an die eigene Karriere zu denken? Solidarität ist das Wort der Stunde. Keine guten Zeiten für berufliche Ambitionen!

Der wirtschaftliche Einbruch hinterlässt massive Spuren auf dem Arbeitsmarkt, auch wenn nicht jede Branche gleichermaßen von den Folgen der Pandemie betroffen ist. Das Management konzentriert sich auf das Notwendige und man fragt sich, ob der gerade noch propagierte „War for Talents“ schon Geschichte ist.

Eine Entwicklung, die uns sicherlich nicht nur einige Wochen lang, sondern sehr viele Monate beeinflussen wird. Wohin also mit dem beruflichen Ehrgeiz in Corona-Zeiten?

Die Spielregeln für die Karriere ändern sich

Dass Potenzialverfahren und -programme in den Unternehmen keine Priorität mehr haben, ist eine Sache. Die Herausforderung, unter den aktuellen Bedingungen an der eigenen Positionierung und Entwicklung zu arbeiten, eine andere.

Für viele ambitionierte Menschen ist es sehr schwer geworden, die eigenen Zielvereinbarungen zu erfüllen, sich selbst über Projekte und Auftritte im Hause sichtbar zu machen oder berufliche Netzwerke zu nutzen.

Und noch etwas ändert sich: Wer gerade noch das eigene Verhalten an den Vorbildern des „Agilen Coachs“ und des „Moderators auf Augenhöhe“ orientierte oder gar – ganz im Sinne von New Work – Führung überflüssig machen wollte, stolpert jetzt durch eine Welt entschlossen agierender Krisenmanager.

Moderne Führungsbilder verblassen

In Momenten der Wahrheit – wie wir sie seit ein paar Wochen erleben – wird deutlich, dass Führung nicht darin besteht, bestimmte Gesprächstechniken zu beherrschen, den „richtigen“ Führungsstil im Repertoire zu haben oder einem kulturellen Sollprofil zu entsprechen.

Die in Seminaren gelernten Techniken wirken plötzlich leer, Homeoffice-Tipps unter Karriereperspektive glanzlos. Ungeschminkt tritt plötzlich hervor, worum es für Führungskräfte geht: Dafür Sorge zu tragen, dass es gemeinsam (weiter) funktioniert!

Noch bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die Corona-Krise langfristig auf unser gemeinsames Führungsverständnis haben wird. Festhalten lässt sich aber schon jetzt, dass niemand einfach angelernte Techniken und Rituale auf die anstehenden Herausforderungen übertragen sollte.

Insofern könnte es eine wertvolle Nebenwirkung der Krise sein, differenzierter über die Kernaufgaben der Führung nachzudenken. Was lässt sich aus dieser Perspektive für die Arbeit an der eigenen beruflichen Entwicklung in Richtung Führung ableiten?

Führen in der Krise: Wie man auch in Corona-Zeiten die Karriere im Auge behält

Erfolgreich Führende haben – für viele von uns verblüffend – laut Forschung nicht vieles gemeinsam. Etwas eint sie jedoch: Sie verfügen über eine freiwillige Gefolgschaft.

Wir Menschen haben uns im Laufe unserer Evolution darauf ausgerichtet, den Mitgliedern unserer Gruppe zu folgen, von deren „Beitrag für das große Ganze“ wir profitieren. Wenn Gemeinschaften nun in Krisen –das heißt an die Grenzen ihrer Lösungskapazität – geraten, können Einzelne einen wesentlichen Unterschied machen. Gelingt ihnen das, bleibt das lange in Erinnerung.

Fünf Tipps, wie Sie zu diesen besonderen Persönlichkeiten gehören können – und dadurch die eigenen beruflichen Ambitionen auch während der Corona-Krise nicht aufgeben müssen:

  1. Stabilität demonstrieren

Menschen achten in Krisen stark darauf, wer unter Anspannung die eigene Besonnenheit, Handlungsfähigkeit und Professionalität bewahrt. Wenn Sie in schwierigen Zeiten anderen Menschen Sicherheit vermitteln und beständig deren Fokus auf das Wesentliche lenken, fallen Sie auf und bleiben in Erinnerung.

Wichtig: Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, das Reden über Ihre persönlichen Ängste und Befindlichkeiten vermittle Authentizität und sorge auf diese Weise für Führungsakzeptanz. Das Gegenteil ist der Fall!

  1. Aufgabenbezogen bleiben

Orientieren Sie sich – auch wenn Sie noch keine Verantwortung für Mitarbeiter haben sollten – konsequent an der Kernaufgabe der Führung: Dafür sorgen, dass es gemeinsam (weiter) funktioniert!

Wichtig: Da das in verschiedenen Phasen einer Krise etwas anderes bedeuten kann, dürfen Sie nicht an irgendein „ideales Führungsverhalten“ glauben. Beweisen Sie vielmehr:

  • dass Sie zum einen die sich verändernden Anforderungen erkennen und
  • zum anderen über das Repertoire und die Flexibilität verfügen, darauf angemessen einzugehen.
  1. Operative Sichtbarkeit bewahren

Instinktiv werden die meisten Menschen in Krisenzeiten vorsichtiger, passiver, unsichtbarer. Das bietet zwangsläufig Raum. Aber Dinge müssen entschieden, initiiert und konkret umgesetzt werden.

Wichtig: Haben Sie jetzt den Mut, auch unter Unsicherheit dort Verantwortung zu übernehmen, wo ansonsten ein Vakuum entstehen würde. Man spricht gerne davon, in der Krise schlüge die „Stunde der Exekutive“. Nutzen Sie diese Chance!

  1. Kümmern Sie sich um die Beteiligten

Wenn Sie die Verantwortung für Menschen tragen (wollen), dann müssen Sie sich um deren Wohlergehen sorgen. Das bedeutet selten, dass man es jedem rechtmachen kann. Aber die Gemeinschaft darf nie daran zweifeln, dass Sie alle Beteiligten im Auge haben und Ihnen deren Sicherheit und Erfolg wichtig sind.

Wichtig: Seien Sie nahbar und investieren Sie Zeit in die Begegnungen. Auch in schwierigen Zeiten sollte Ihr Netzwerk spüren, dass Sie nicht nur ein „Schönwetter-Kontakt“ sind.

  1. Bieten Sie eine Perspektive an

Zukunftsvorhersagen waren in der Geschichte nicht nur selten zutreffend, sie konnten auch Ruf und Glaubwürdigkeit für immer ruinieren. Verwechseln Sie also diesen Tipp nicht mit der Aufforderung, allwissend zu erscheinen. Krisen lassen ihren Ausgang zumeist im Dunkeln.

Allerdings brauchen wir Menschen gerade in der Unsicherheit Orientierung, Struktur und Halt. Selbst beim berühmten Flug auf Sicht möchten wir zumindest wissen, was der Pilot gerade mit uns vorhat. Wir möchten die Sorge genommen bekommen, dass alles Willkür und Zufall ist. Sonst gewinnt unser Panikmodus, die Fantasie geht mit uns durch und wir verlieren unsere Handlungsfähigkeit.

Wichtig: Machen Sie keinen Hehl daraus, wohin Sie – Stand heute – die Dinge entwickeln möchten und was das von jedem Beteiligten verlangt. Erarbeiten Sie zweckmäßige Szenarien und Empfehlungen für Ihren eigenen Verantwortungsbereich.

Die Chance für uns alle

Krisen können ein Nährboden für Charismatiker und Populisten sein. Aber gerade die Corona-Pandemie zeigt auch, dass man mit leeren Phrasen und Emotionen allein rasch an Grenzen kommt.
Gesucht sind Persönlichkeiten, die in schwierigen Zeiten helfen, die Lösungen anbieten und Fortschritt erleben lassen. Dafür gebührt diesen Menschen Aufmerksamkeit, Respekt und häufig auch Gefolgschaft.

Und was bedeutet das: Können Sie sich vorstellen, dass eine Organisation solche Menschen (später) verlieren möchte? Viel wahrscheinlicher ist es, dass man sie in wichtigen Funktionen und Rollen für die Gemeinschaft gewinnen, fördern und halten will.

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