Richtig abschalten: So kommen Sie gut durch den Resturlaub während des Lockdowns
Genießen und entspannen im Lockdown: Auch zuhause gibt es gute Möglichkeiten, dem Urlaub in der Coronakrise etwas abzugewinnen. Experten geben Tipps.
Entspannen in der Weihnachtszeit Im Lockdown sind die Urlaubsmöglichkeiten eingeschränkt. Trotzdem ist es wichtig, richtig zu genießen. © Karriere Foto: Amy Humphries on Unsplash
Der harte Lockdown ist da. Und für viele Arbeitnehmer beginnt gleichzeitig der Weihnachtsurlaub. An Reisen ist kaum zu denken. Die Bundesregierung warnt sogar davor: „Alle nicht zwingend erforderlichen beruflichen und privaten Reisen, insbesondere touristische Reisen auch ins Ausland unter anderem in Hinblick auf die Skisaison sind zu vermeiden.“
Wo und wie also wieder zu Kräften kommen? Urlaub ist schließlich die Zeit der Erholung – schon von Gesetzes wegen: „Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten“, heißt es im Bundesurlaubsgesetz.
Karriere.de hat Freizeitforscher, Gesundheitswissenschaftler und Coaches befragt – und im Internet nach Ideen geforscht, aus der sich eine kleine Liste mit Tipps zur Besinnung und Erholung zusammenstellen lässt.
Die Pause ist notwendig, darin sind sich Forscher und Coaches einig. „2020 war anstrengend, hat Nerven und Kraft gekostet. Es ist daher Zeit, den Stress hinter sich zu lassen und die Batterien aufzuladen“, sagt Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der „Stiftung für Zukunftsfragen“. Schwerpunktmäßig forscht er zum Thema Freizeit-, Konsum- und Tourismusverhalten der Deutschen.
Den Stress vergessen
Eine klare Abgrenzung zu allem, was stresst, hält Utz Niklas Walter, Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG), gerade in dieser Zeit für wichtig: „Wer glaubt, er bräuchte das nicht, wird irgendwann mit hoher Wahrscheinlichkeit doch feststellen, dass es ihm langfristig gut tut.“
Es sei für die Mehrheit der Beschäftigten schlichtweg nicht gut, wenn der Körper und die Psyche rund um die Uhr in Alarmbereitschaft seien. „Das führt zu Unruhe, Schlafproblemen – und dadurch ist die Leistungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt.“
Also raus aus dem Hamsterrad: „Löschen Sie alle optischen Reminder, die signalisieren ‚Achtung Arbeit‘“, empfiehlt Topmanagement-Coachin Cordula Nussbaum.
Idealerweise sollten Berufstätige für Jobfragen nicht erreichbar und auch nicht zuständig sein. „Eine gute Vertreterregelung ist also besonders dann unabdingbar, wenn wir zu Hause Urlaub machen“, weiß die Wirtschaftspsychologin. Wer sich hingegen zuständig fühle, der tappe gerne in die „Schnell mal Mails checken“-Falle. „Und schon sind Sie wieder zeitlich und gedanklich im Job.“
Für elementar halten es daher alle, das Diensthandy abzuschalten und keine Mails zu checken.
Kontrast zum Corona-Alltag finden
Dann kann es losgehen: Ein durchdachtes Programm sorgt für Vorfreude und hilft dabei, den Urlaub zu Hause genauso attraktiv zu finden wie eine Auslandsreise. So banal es klingen mag: „Beschäftigen Sie ihren Kopf mit schönen, positiven Impulsen, dann kommt die Erholung von ganz alleine“, sagt Cordula Nussbaum.
Zunächst geht es darum, einen Kontrast zum (Corona-)Alltag zu finden. Ausschlafen, in Ruhe frühstücken und sich der Zeit für solche Dinge bewusst zu werden, die sonst zu kurz kommen – das ist ein Warm-up zum Urlaubsstart.
Dann kann es – langsam – losgehen: Wer aber denke, „er müsse sich jetzt auf Teufel komm raus so schnell wie möglich erholen, der löst den Stress erst recht aus“, warnt Coachin Nussbaum. So sei es für manche Menschen eben wichtig, erst mal auch unangenehme Aktivitäten in Angriff zu nehmen, etwa den Keller zu entrümpeln. Auch das sei entspannend, denn „erledigte To-dos setzen Glückshormone frei“.
Etwas Schönes sollte jeder Tag bringen. Und am einfachsten funktioniert das über ausreichend Bewegung im Tageslicht an der frischen Luft. Schon kleine körperliche Aktivitäten können dabei dem Wohlbefinden dienen und sind wichtig, um auch psychisch gesund zu bleiben. Das bestätigt eine aktuelle Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. „Das führt sogar zu Glückseligkeit“, hebt Freizeitforscher Ulrich Reinhardt hervor – und ist somit die beste Basis für erholsamen Urlaub.
Darauf lässt sich aufbauen. Mit folgenden Programmpunkten ist es einfach möglich, sich einen individuellen Urlaub zusammenzustellen:
Sich etwas gönnen
Fitness: Spazieren gehen, stundenlang wandern, joggen – alles, was außerhalb der eigenen vier Wände stattfindet, erfrischt die Seele. Sightseeing in der eigenen Stadt überrascht nicht nur neue Einwohner. Eine Radtour in die Umgebung oder ausgiebige Winterwanderungen lassen für Neuentdeckungen ordentlich Raum.
Viele werden feststellen: Was sie im Auslandsurlaub regelmäßig praktizieren, haben sie zu Hause noch nie ausprobiert. „Nicht nur das Licht und der Sauerstoff haben einen guten Einfluss“, sagt Utz Niklas Walter. „Es wirkt sich positiv aus, die Natur einmal anders wahrzunehmen und seine Sinne einfach arbeiten zu lassen.“
Auch Yoga, Meditation und Wellness sind für die geistige Fitness elementar. Nicht nur Fortgeschrittene können hier stundenlang auf ihre Kosten kommen: Auf Youtube etwa gibt es Einsteigerkurse für Yoga und Meditation, die Sie für sich ausprobieren können. Alternativ können Sie einen Kurs im Studio ums Eck buchen, wenn er denn online angeboten wird.
Essen: „Gönnen Sie sich etwas, ein schmackhaftes Essen oder ein leckeres Getränk lassen sich ideal mit einem guten Gespräch verbinden“, findet IFBG-Leiter Walter. Dabei kann man auch die Gastronomie vor Ort hervorragend unterstützen, indem man aus der dortigen Menükarte etwas bestellt und zu sich nach Hause liefern lässt.
Natürlich ist es auch möglich, die eigenen Kochkenntnisse zu erweitern. Gerade die Corona-Zeit hat viele dazu animiert, wieder selbst zu kochen und Neues auszuprobieren, wie es eine repräsentative Studie des Marktforschungsinstituts Kantar zeigt. Wer es selbst nicht austesten will, kann ebenfalls auf Onlineangebote zurückgreifen, die über Erlebnisportale oder direkt bei Kochschulen gebucht werden können.
Einen schönen Einstieg in die Zubereitung von Mahlzeiten bietet nach wie vor auch ein klassisches Kochbuch. Offline selbstverständlich.
Vom Sofa aus Kultur genießen
Spiele, Musik, Lesen: „Offline-Hobbys sollten Sie viel stärker genießen“, rät Utz Niklas Walter. Gerade die ältere Generation sollte mal überlegen, was sie in den 80er/90er-Jahren gemacht hat: musizieren, malen, Brett- oder Kartenspiele oder Bücher lesen. „Stricken kommt bei einigen wieder in Mode, und Puzzeln hat zu Beginn der Coronazeit einen kleinen Boom erlebt – sogar bei einigen Managern“, stellt der Gesundheitsberater fest.
Neu sei dagegen das „Upcyclen“, also das Basteln von etwas aus Abfall. Um bei den Anglizismen zu bleiben: Cordula Nussbaum empfiehlt das „Extrem Couchening“ – Kulturgenuss in jeglicher Form vom Sofa aus. Auch „Journaling“ ist während der Coronakrise wieder populärer geworden: Dabei versuchen Menschen, durch Schreiben sich selbst besser zu erkennen oder ihre Probleme zu lösen.
Gemeinschaftserlebnisse: Als Paar, mit Freunden oder als Familie: Auf viele Arten ist es möglich, im kleinen Kreis Zeit miteinander zu verbringen. Gemeinsam in einem digitalen Escape-Room auf Rätseltour gehen, kann sehr spannend sein. Und auch ein geplanter Filmabend muss nicht als unspektakulärer Fernsehabend enden. Selbst ein gemeinsames Kochen mit Kindern kann auch bei den jüngeren Familienmitgliedern großes Interesse wecken: „Wenn Sie es als Event planen, zu dem jeder etwas beisteuert, wird es sogar zum richtigen Erlebnis“, sagt Gesundheitsberater Walter. Eine schöne Geschenkidee ist darüber hinaus ein All-inclusive-Tag, den Freunde, Paare oder Familie gegenseitig füreinander ausrichten.
Virtuelle Reise: Der Tapetenwechsel kann auch virtuell und medial gelingen: Neue Länder kennen zu lernen ist über Dokumentationen auf Streamingportalen wie Netflix möglich. Auch die Erfahrungen-Rubrik bei Airbnb erlaubt ungewöhnliche Einblicke in eine andere Welt. Es gibt im Internet und auf Youtube die vielfältigsten Angebote, sich in hippe Städte oder auf entlegene Inseln wegzuträumen.
Das kann sogar dazu führen, aus lauter Fernweh gleich den nächsten Urlaub zu panen. „Und Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude“, sagt Freizeitforscher Reinhardt.
Ach ja: Dafür gleich die richtige Sprache zu lernen, wäre auch noch ein Spaß.
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