Unternehmensbewertung: Arbeitgeber verpassen ihre Chance auf konstruktiven Mitarbeiterdialog

Bewerber erteilen Dax-Unternehmen schlechte Noten.

Anne Koschik | 17.11.2024
Die Bewertungsplattform Kununu hat sich angeschaut, welcher Arbeitgeber am beliebtesten ist - aber auch wer wie häufig Stellung zu Kritik nimmt.

Welches Unternehmen steht auf Platz 1? Die Bewertungsplattform Kununu hat sich angeschaut, welcher Arbeitgeber am beliebtesten ist - aber auch wer wie häufig Stellung zu Kritik nimmt. © austris-augusts unsplash

Siemens ist eines der Unternehmen, die es sich nicht nehmen lassen, die Bewertungen seiner Mitarbeiter auf der Bewertungsplattform Kununu relativ häufig zu kommentieren: Jedenfalls ist das Unternehmen mit 786 Statements top aktiv im Vergleich zum Dax 30-Umfeld.

Auch Volkswagen und Vonovia nutzen häufiger die Gelegenheit zum Austausch. Doch sie sind eher die Ausnahme als die Regel.

Denn selbst wenn rund Zweidrittel der Unternehmen schon einmal auf einen Post geantwortet haben, schauen die meisten Konzerne bei den Bewertungen gerne weg und lassen diese unkommentiert.

Die Arbeitgeberaktivitäten auf seiner Plattform hat sich Kununu jetzt erstmals genauer angesehen. „Wir wissen aus zahlreichen Rückmeldungen von Bewerter-Seite, dass sich Mitarbeiter und Bewerber aktive Arbeitgeber auf kununu wünschen“, sagt Moritz Kothe, CEO bei Kununu.

Die Passivität der Unternehmen schade hier besonders, denn Jobinteressenten könnten sich kein vollständiges Bild vom Unternehmen machen. Speziell bei den Bewertungen durch Bewerber gibt es daher ein deutliches Problem.

Problem: Kritik wird gerne übersehen

Denn genau diese Bewertungen haben es in sich: Mehrfach wird zum Beispiel die Langatmigkeit des Bewerbungsprozesses kritisiert. „Auf die Bewerbung gab es Ewigkeiten gar keine Rückmeldung“ steht da. Oder es wird direkt gefragt: „Wieso dauert der Bewerbungsprozess nach dem Gespräch drei Monate?“

Solche Kritik scheinen die Unternehmen weniger gerne zu hören – und bleiben einfach stumm.

Kununu ist sich bewusst, dass es sich bei der aktuellen Studie nicht um repräsentative Ergebnisse mit statistischer Relevanz handeln kann. Die individuellen Sichtweisen seien jedoch in der Masse ernstzunehmen, da sich aus ihnen Vergleichswerte für Arbeitgeber ablesen lassen.

Bewertung: Score könnte besser sein

Deutlich zeigt sich: Gut ein Drittel der Dax-Konzerne lassen sich auf keinerlei Kommunikation auf der Bewertungsplattform ein. SAP kann sich das leisten, denn das Software-Unternehmen schneidet mit einem Gesamtscore von 4,25 Sternen (von 5) am besten ab. Kein anderer Dax-Konzern erreicht ansonsten die 4-Sterne-Grenze.

Auch der Zweitplatzierte BMW verhält sich gegenüber Mitarbeitern und Bewerbern ruhig.

Die Top 10 sind demnach:

Rang Unternehmen Score
1 SAP 4,25
2 BMW 3,92
3 Covestro 3,89
4 Daimler 3,89
5 Bayer 3,88
6 HeidelbergCement 3,88
7 Infineon 3,87
8 Volkswagen 3,85
9 Beiersdorf 3,82
10 Deutsche Telekom 3,78

Reaktion: Mehr Schein als wirkliche Unterstützung

Manche Unternehmen loben zwar das „konstruktive Feedback“, das sie an die „entsprechende Stelle“ weiterleiten möchten. Solche Aussagen sind zwar eine Reaktion, aber keine wirkliche Hilfe für die Bewerber.

Qualitative hochwertige Aussagen kommen jedoch relativ selten vor.

Und so gibt der Score der Bewerber ein wesentlich schlechteres Bild der Dax-Konzerne ab: Etwas mehr als drei Sterne erreichen nur diese fünf Dax-Konzerne:

Rang Unternehmen Score
1 MTU Aero Engines 3,66
2 Heidelberg Cement 3,5
3 Eon 3,23
4 Deutsche Telekom 3,16
5 Vonovia 3,07

Alle anderen bewegen sich im Zwei-Sterne-Bereich.

Handlungsbedarf: Bewerber auf der Suche nach Aufklärung

Die Diskrepanz zeigt sich also gerade da, wo Transparenz fehlt: Mitarbeiter, die tiefe Einblicke haben, bewerten ihr Unternehmen im Durchschnitt besser als Jobinteressenten, die im Bewerbungsprozess an Grenzen stoßen und nicht erfahren, warum ihr Wunscharbeitgeber auf ihre Bewerbung nicht antwortet, „merkwürdige“ Assessmentcenter durchführt oder sie nach dem Vorstellungsgespräch in einer lang andauernden Warteschleife versauern lässt.

Das Feedback von Mitarbeitern und Bewerbern müsse ernstgenommen und gezielt für Verbesserungen genutzt werden, betont Kununu. Ausschließlich positive Stimmungen einzufangen, könne dabei nicht das Ziel sein. „Indem sie sichtbar auf Kritik reagieren, signalisieren Arbeitgeber Wertschätzung für offenes Feedback und zeigen, dass sie sich nicht wegducken.“

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