Krankenversicherung: Was bei der Wahl zu beachten ist

Gerade zum Beginn der Karriere führt meist kein Weg an der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung vorbei. Doch eine gute medizinische Versorgung setzt nicht zwangsläufig ein Managergehalt voraus. Mit der richtigen Taktik sichern sich auch Berufseinsteiger einen umfassenden und bezahlbaren Gesundheitsschutz – trotz Beitragserhöhungen und Reformen.

Catrin Gesellensetter, cg, uh | 11.09.2018

Der Einstieg ins Berufsleben begann für Alexandra Bartusch (Name geändert) mit einer Grippe – und einer völlig neuen Erfahrung. Eigentlich wollte die Rechtsreferendarin vor Dienstantritt beim Anwalt nur kurz beim Hausarzt vorbeischauen, um sich ein Rezept für Nasenspray und Hustensaft zu besorgen. Doch anders als in den Jahren zuvor winkte der Mediziner diesmal ab. „Bagatellmedikamente“, so die Auskunft, „müssen Sie künftig selbst bezahlen.“

Der Grund: Die private Versicherung, die die Beamtentochter noch im Studium betreut hatte, stand der Berufsanfängerin nun nicht mehr offen. Ihr Referendarsgehalt lag weit unter der Einkommensgrenze von zurzeit 3.975 Euro monatlich, die eine Versicherung im privaten System erlaubt. Stattdessen war die junge Juristin nun, wie 90 Prozent der deutschen Bevölkerung, Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Und die zahlt Arzneien für schnöde Erkältungen schon länger nicht mehr.

Ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig

Was Kassenpatienten per Gesetz an Behandlungen finanziert bekommen, klingt zugegebenermaßen nicht verheißungsvoll: ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig. Und damit es keine großen Diskussionen über die Auslegung gibt, hat der Gesetzgeber gleich definiert, welche Medikamente und Therapien diesen Anforderungen entsprechen. Die Folge: Rund 95 Prozent aller medizinischen Leistungen sind verbindlich vorgeschrieben und damit bei jeder der derzeit 241 Krankenkassen fast gleich.

Die monatlichen Beiträge, die ein Versicherter zu leisten hat, unterscheiden sich dagegen ziemlich deutlich. Nach der jüngsten Erhöhungsrunde von über 100 Krankenkassen zum Jahresbeginn reicht das Spektrum von 11,8 Prozent des monatlichen Bruttogehalts bei der IKK Sachsen bis zu 15,8 beispielsweise bei der AOK Saarland.

Mit einem Wechsel der Kasse ließe sich also ordentlich Geld sparen: Schon bei einem Monatsbrutto von 3.000 Euro könnte das monatlich fast 60 Euro mehr im Geldbeutel bedeuten – je nachdem, ob die Kasse zwölf oder 15,5 Prozent veranschlagt. „Gerade für Berufsanfänger ist deshalb der Beitragssatz noch immer eines der wichtigsten Kriterien bei der Wahl ihrer Kasse“, weiß Christoph Kranich, Abteilungsleiter Gesundheit und Patientenschutz bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Ohne Einschränkungen ist dieses „Geiz-ist-geil“-Prinzip allerdings nicht zu empfehlen. Denn es sind eben nur 95 Prozent der Leistungen identisch. Unterschiede bei den restlichen fünf Prozent und beim Service machen die billigste Variante nicht immer zur besten Wahl. „Die diversen Gesundheitsreformen haben viele Anbieter dem Druck ausgesetzt, sich mit allen Mitteln im Wettbewerb zu behaupten“, urteilt Patientenberater Kranich. „Wer sich aber die Mühe macht, akribisch die verschiedenen Angebote zu durchforsten, findet auf jeden Fall einen Anbieter, der den eigenen Ansprüchen gerecht wird.“

Kassen können ambulante Vorsorgekuren zahlen

So lässt das Gesetz neben den Pflichtleistungen auch Extras zu, die die Krankenkassen nach eigenem Ermessen gestalten können. Kassen, die ihren Kunden mehr als nur Standard bieten wollen, können zum Beispiel ambulante Vorsorgekuren zahlen, Selbsthilfegruppen zur Krankheitsvorsorge organisieren oder Präventionsurlaube bezuschussen. Manche Anbieter sponsern ihren Versicherten bei Krankenhausaufenthalten eine Haushaltshilfe oder unterstützen ihre Mitglieder im Fall eines Behandlungsfehlers. Einzelne Kassen haben mittlerweile sogar Ayurveda, Tai-Chi oder Ozontherapie im Angebot.

Versicherte, die solche Leistungen finanziert haben möchten, müssen also mehr als nur die Beitragssätze vergleichen. Eine erste grobe Orientierung bieten Beitragsrechner und -übersichten wie etwa von Finanztest, Forium oder Ino24, bevor man dann gezielt Info-Material bei den Kassen anfordert. Liegt einem eine Behandlung besonders am Herzen, sollte man bei der Kasse explizit nachfragen, was wann wie lange finanziert wird. Denn Papier ist geduldig, insbesondere Werbebroschüren.

Besonders bei alternativen Heilmethoden klaffen Versprechen und Praxis weit auseinander. „Manche Kassen werben damit, auch homöopathische Leistungen zu finanzieren, übernehmen dann aber noch nicht einmal die Kosten für ein einziges Therapiegespräch“, kritisiert Christoph Trapp, Sprecher des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte in Bonn. Bislang sind die alternativen Heilmethoden zwar noch nicht die Regel; allerdings, ist Christoph Trapp überzeugt, werde sich der Trend zur Komplementärmedizin weiter durchsetzen. Immerhin 90 Kassen, darunter auch so bekannte Namen wie die Deutsche BKK, bieten mittlerweile schon ein Full-Service-Paket jenseits der traditionellen Schulmedizin an.

Wer der Werbung blind vertraut, riskiert ein teures Erwachen. Beispiel: Akupunktur. Sie hat mittlerweile zwar Einzug in den allgemeinen Leistungskatalog der GKV gehalten und muss von allen Kassen bezahlt werden. Ohne Einschränkungen gilt die Neuerung allerdings nicht. Die heilsamen Sticheleien sind bislang nur bei chronischen Rücken- und Knieschmerzen anerkannt, Migränebehandlungen sind dagegen aus eigener Tasche zu zahlen.

Ein dichtes Filialnetz ist die bequemste Lösung

Ein weiteres wichtiges Auswahlkriterium ist der Service einer Kasse. Wer auf Beratung angewiesen ist und sich Fragen gerne schnell und persönlich beantworten lässt, braucht eine Kasse, die auch kurzfristig für ihn erreichbar ist. Ein dichtes Filialnetz, wie es zum Beispiel die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) anbieten, ist sicher die bequemste Lösung, schlägt sich allerdings meist in höheren Beitragssätzen nieder.

Die Alternative: „Wer mit einer guten Telefonberatung zufrieden ist, kann sich durchaus auch für eine der günstigen Betriebskrankenkassen entscheiden. Allerdings sollte er im Vorfeld die Qualität und Erreichbarkeit der Hotline testen – mit einigen Probeanrufen“, so Experte Kranich. Und sollte trotz aller gründlicher Recherchen bei der Kassenwahl etwas schief gehen, lässt sich der Fehlgriff recht schnell wieder gutmachen: Ein Wechsel zu einem anderen Anbieter ist für alle Kassenpatienten spätestens nach 18 Monaten wieder erlaubt oder innerhalb von zwei Monaten nach Beitragserhöhung – so wie derzeit bei über 100 Kassen.

Beitragsbemessungsgrenze
Grundsätzlich gilt: Je höher das Einkommen, desto höher der Krankenkassenbeitrag. Aber irgendwann ist damit auch Schluss: Ab einem Gehalt von 3.562,50 Euro im Monat oder 42.750 Euro jährlich steigen die Beiträge nicht weiter an.

Beitragsrückerstattung
Freiwillig gesetzlich Versicherten können die Kassen Beitragsrückzahlungen anbieten, wenn diese keine Leistungen zu Lasten ihres Versicherers beanspruchen. Die Rückzahlung ist auf einen Monatsbeitrag beschränkt.

Beitragssatz
Dieser Satz gibt an, wie viel Prozent vom monatlichen Bruttogehalt jeden Monat an die Kasse fließen. Diese Summe teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer – bei 13 Prozent Beitragssatz und 3.500 Euro Einkommen zahlen beide je 227,50 Euro. Hinzu kommen 0,9 Prozent Sonderbeitrag, den der Mitarbeiter aber alleine trägt.

Bonusprogramme
Kassen dürfen kooperative Versicherte mit Vergünstigungen belohnen: So können Patienten, die zu Früherkennungsuntersuchungen gehen, Facharztbesuche vermeiden, sich in ein DMP (siehe unten) einschreiben oder regelmäßig ins Fitnessstudio gehen, von Zuzahlungen befreit oder mit Sportgeräten & Co. beschenkt werden.

Disease-Management-Programme, DMP
Um chronisch Kranke kostengünstiger zu versorgen, bieten viele Kassen Programme an, die den Umgang mit einer bestimmten Krankheit trainieren. Derzeit gibt es DMP für Zuckerkranke, Herzkranke und Patientinnen mit Brustkrebs. Die Teilnahme ist freiwillig, kann sich aber lohnen, wenn sie an einen Bonus gekoppelt ist.

Familienversicherung (FV)
Anders als in der PKV sind Ehe-, Lebenspartner und Kinder in der GKV gratis mitversichert. Voraussetzung: Sie verdienen nicht mehr als 350 Euro pro Monat (als Minijobber 400 Euro). Ist ein Elternteil Privatpatient, sind die Kinder so versichert, wie der besser verdienende Elternteil. Die FV läuft, bis das Kind 18 wird (bei Studium/Ausbildung: bis 25). Selbstständige profitieren nicht von der FV.

Freiwillig gesetzlich Versicherte
Wer einmalig (beziehungsweise ab der Gesundheitsreform: drei Jahre in Folge) die so genannte Versicherungspflichtgrenze überschreitet, das heißt mehr als 3.975 Euro pro Monat oder 47.700 Euro jährlich verdient, ist nicht mehr Pflichtmitglied in der GKV. Zur Wahl stehen dann der Wechsel in die PKV oder die Weiterversicherung in der GKV als freiwilliges Mitglied. Vorteile: Angebote wie Beitragsrückerstattung oder Selbstbehalt. Nachteile: Elternzeit und Auslandsaufenthalte sind unter Umständen komplizierter und teurer als bei einem Pflichtmitglied.

Gebührenordnung
Für Kassenpatienten erhalten Ärzte Honorare nach festgelegten Sätzen. Privat Versicherte werden nach Gebührenordnungen (GO) abgerechnet: Je nach Aufwand kann eine Therapie mit dem einfachen bis 3,5-fachen Honorarsatz berechnet werden. Kassenpatienten, die einen Privatarzt aufsuchen, werden auch nach GO abgerechnet und bleiben meist ganz oder teilweise auf diesen Kosten sitzen.

Hausarztmodell
Der Patient trägt sein Wehwehchen immer erst zum Hausarzt, der ihn bei Bedarf an Fachärzte überweist. Die Gegenleistung: zum Beispiel Wegfall der Praxisgebühr.

Kassenwechsel
Alle 18 Monate kann ein GKV-Versicherter die Krankenkasse wechseln, die Kündigungsfrist beträgt zwei Monate zum Monatsende. Darüber hinaus besteht ein zweimonatiges Sonderkündigungsrecht nach Beitragserhöhungen.

Kostenerstattungsprinzip
Wählt ein freiwillig Versicherter das Kostenerstattungsprinzip, so erfolgt die Abrechnung der Behandlungskosten ähnlich wie bei privat Versicherten: Der Patient erhält vom Arzt eine Rechnung, die er begleicht und von der Kasse erstattet bekommt. Der Haken: Die Kasse erstattet nur in Höhe der gesetzlichen Vorgaben, die Ärzte rechnen aber gern die Sätze wie für Privatkunden ab.

Private Krankenversicherung (PKV)
Wer nicht in der Gesetzlichen pflichtversichert ist, kann sich privat versichern. Anders als in der GKV ist der Umfang der Leistungen dort nicht gesetzlich fixiert. Die Prämien berechnen sich nach Ausstattung der gewählten Versicherung sowie Risikofaktoren wie Eintrittsalter, Geschlecht und Vorerkrankungen. Weiterer Unterschied zur GKV: Der Kunde muss beim Arzt in Vorleistung treten und bekommt die Kosten erstattet. Ein Wechsel zurück in die GKV ist meist sehr schwierig.

Selbstbehalt
Freiwillig versicherte Mitglieder können pro Jahr einige hundert Euro Behandlungskosten selbst tragen und erhalten im Gegenzug Preisnachlässe. Den Selbstbehalt gibt es meist nur in Kombi mit dem Kostenerstattungsprinzip.

Sie kommt spät, doch sie kommt. Zum 1. April soll die Gesundheitsreform 2007 endlich in Kraft treten, in Teilen sogar rückwirkend zum 1. Februar. Doch trotz – oder wegen – der endlosen Diskussionen im Vorfeld können fast 80 Prozent der Deutschen laut einer Forsa-Umfrage gar nicht mehr nachvollziehen, was die Regierung in Sachen Gesundheit eigentlich vorhat. Zum Glück müssen sie das auch gar nicht, denn unmittelbar ändert sich für das Gros der gesetzlich Versicherten erst mal wenig. Details müssen eh noch ausgearbeitet werden. Eines ist aber schon so gut wie sicher: Unterm Strich wird es für alle teurer. Dennoch lohnt es, sich durch die Eckpunkte der Reform zu quälen. Nur wer seine Rechte kennt, kann sich um eine gute Absicherung kümmern.

Selbstbehalt & Co. für alle
Künftig sollen alle gesetzlich Versicherten Selbstbehalts- und Beitragsrückerstattungsmodelle et cetera wählen können. Bislang dürfen das nur die freiwilligen GKV-Mitglieder. Jede Kasse muss einen Hausarzttarif anbieten. Wer an Vorsorgechecks teilnimmt, soll besser gestellt werden als Schlendriane.

Gleicher Beitrag für alle
Ab 2009 sollen alle GKV-Versicherten einen einheitlichen Beitragssatz zahlen, Experten vermuten ihn zwischen 15 und 16 Prozent – deutlich mehr als viele Versicherte heute zahlen. Zusätzlich dürfen Kassen, die mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds (siehe unten) nicht auskommen, einen Zusatzbeitrag erheben. Dessen Obergrenze liegt bei einem Prozent des Haushaltseinkommens der Patienten.

Der ominöse Gesundheitsfonds
Ab 2009 sollen die Beiträge der Versicherten nicht mehr direkt den Kassen, sondern einem Fonds zufließen. Der weist den Kassen eine einheitliche Pauschale zu, mit der sie erst einmal wirtschaften müssen.

Familienversicherung bleibt
Kinder und einkommensschwache Ehepartner eines Kassenmitglieds können sich weiterhin beitragsfrei in der GKV versichern. Finanziert werden soll das künftig über Steuergelder.

Leistungsschwund
Wer Folgeschäden von Tattoos, Piercings oder kosmetischen OPs ohne medizinischen Hintergrund behandeln lässt, muss dafür künftig selbst aufkommen. Bei neuen Behandlungsverfahren oder Medikamenten wird vor der Finanzierung noch mehr auf Kosten und Nutzen geschaut.

Neue Leistungen
Empfohlene Impfungen, Eltern/Kind-Kuren und Reha-Leistungen müssen von den Kassen finanziert werden.

Versicherung wird Pflicht
Ab 2009 soll jeder Bundesbürger eine Krankenversicherung haben müssen. Wer danach Kassenleistungen ohne Police in Anspruch nehmen will, muss rückwirkend bis 2007 alle Beiträge nachzahlen.

Billiger für Selbstständige
Selbstständige sollen künftig in der GKV billiger als bisher wegkommen.

PKV mit Basistarif
Ab 2009 müssen die privaten Versicherer einen so genannten Basistarif anbieten, der in Preis (derzeit rund 500 Euro pro Monat) und Leistung im Wesentlichen dem maximalen Niveau der gesetzlichen Kassen entspricht. Der Basistarif steht privat Versicherten und freiwilligen GKV-Mitgliedern offen, Gesundheitsprüfung und Risikozuschläge entfallen. Lediglich das Alter und das Geschlecht haben Einfluss auf die Beitragshöhe. Neukunden, die sich ab 2009 für die PKV entscheiden, können jederzeit zwischen den Basistarifen aller Versicherer wechseln. Wer bereits Privatpatient ist, hat dafür nur ein enges Zeitfenster von sechs Monaten. Ab dem 1.7.2009 ist ein Wechsel in den Basistarif nur noch beim eigenen Anbieter möglich. Weitere Hürde: Ein solcher Wechsel ist nur gestattet, wenn der Versicherte älter als 55 Jahre ist oder sich seinen bisherigen Tarif nicht mehr leisten kann.

Altersrückstellungen mitnehmen
Neukunden in der PKV dürfen ab 2009 beim Anbieterwechsel zumindest einen kleinen Teil ihrer bisherigen Altersrückstellungen mitnehmen. Für Bestandskunden ist der Wechsel zu einem anderen Unternehmen unter Mitnahme von Teilen ihrer Altersrückstellungen nur im ersten Halbjahr des Jahres 2009 vorgesehen. Diese neue „Portabilität“ dürfte die PKV-Beiträge nach Expertenschätzungen um gut zehn Prozent verteuern. Wer sich derzeit mit einem Wechsel in die PKV trägt, sollte einkalkulieren, dass die breit angelegten Wechselmöglichkeiten rund um die Basistarife und die Mitnahme der Rückstellungen erst für Abschlüsse ab 2009 gelten. Und Achtung: Kosten für bereits laufende Behandlungen werden nach einem Wechsel in den PKV-Basistarif nicht von der neuen Versicherung getragen – was zum Beispiel bei chronischen Krankheiten zu echten Versorgungslücken führt.

Wechsel in die PKV erschwert
Rückwirkend zum 1. Februar 2007 muss die Versicherungspflichtgrenze (siehe S. 70) nicht nur einmal, sondern drei Jahre hintereinander überschritten werden, bevor die Versicherungspflicht endet und ein GKV-Versicherter in die Private wechseln kann.