Studie: Bewerber wünschen sich mehr Transparenz beim Gehalt

Jeder dritte Jobsuchende will schon in der Stellenanzeige erfahren, wie viel er verdienen wird.

Michael Scheppe | 17.11.2021
Bereits bei der Jobsuche wollen Bewerber das Gehalt wissen. In den meisten Stellenanzeigen bitten Arbeitgeber um den Gehaltswunsch der Bewerber.

Transparenz gefordert Bereits bei der Jobsuche wollen Bewerber das Gehalt wissen. In den meisten Stellenanzeigen bitten Arbeitgeber um den Gehaltswunsch der Bewerber. © Thought Catalog/Unsplash

Bewerber wünschen sich von ihren Arbeitgebern mehr Offenheit beim Thema Gehalt – und das schon bei der Jobsuche. Zu diesem Ergebnis kommt eine bislang unveröffentlichte Studie des Berliner Recruiting-Anbieters Softgarden unter mehr als 4.000 Jobsuchenden. Die Ergebnisse liegen karriere.de exklusiv vor.

Demnach will fast jeder dritte Bewerber schon in der Stellenanzeige darüber informiert werden, wie viel er verdienen wird. Unter Akademikern ist dieser Wunsch noch ausgeprägter: 40 Prozent wollen Infos zum Gehalt – und zwar bevor sie die Bewerbung schreiben.

In der Praxis zeigt sich allerdings ein anderes Bild: nur bei jedem zehnten Betrieb bekommen Bewerber diese Infos. Mehr als jeder fünfte Jobsuchende erfährt erst nach dem ersten Vorstellungsgespräch, was er verdienen würde. Zu spät, urteilen die Studienautoren. „Das verbrennt Ressourcen auf beiden Seiten.“

Denn Arbeitgeber führen Bewerbungsgespräche, ohne dass sie Aussicht auf Erfolg hätten oder sie versuchen durch ihr Schweigen die Bewerber möglichst lange im Bewerbungsprozess zu halten. Und Bewerber? Nehmen zum Teil lange Anfahrten in Kauf, bevor sie das Gespräch abrupt beenden, weil ihnen das Gehalt nicht passt.

Gehaltstransparenz durch Google?

Ausgerechnet Google könnte hierzulande für mehr Gehaltstransparenz sorgen. Ende Mai ist Googles Jobsuche an den Start gegangen. Bewerber müssen nur einen Jobtitel ins Google-Suchfeld eintippen – und schon spuckt die Suchmaschine passende Jobangebote aus. Der Suchgigant zeigt Jobannoncen, in denen ein konkretes Gehalt angegeben ist, weiter oben an. Den Wünschen der Bewerber wird das jedenfalls gerecht.

Dass viele Unternehmen keine Gehaltsdaten veröffentlichen, in ihrer Stellenanzeige gleichzeitig aber verlangen, dass Bewerber eine Gehaltsvorstellung nennen müssen, sorgt bei 40 Prozent der Jobsuchenden für Unmut.
Denn für sie ist die Nennung einer Zahl mit Risiken verbunden: Sie fürchten durch eine zu hohe Gehaltsangabe den Job zu verspielen – oder müssen im Nachhinein feststellen, dass für sie ein höheres Gehalt drin gewesen wäre. Vielleicht trägt auch dieser Zwiespalt dazu bei, dass Bewerber eine konkrete Gehaltsangabe vom Unternehmen fordern.

Gehälter offenlegen? Die Befragten sind im Zwiespalt

Im Zuge der Debatte über neue und agile Arbeitsmethoden („New Work“) wird die Forderung nach Gehaltstransparenz in Unternehmen immer lauter. Erste Unternehmen haben ihre Gehaltsstruktur transparent gemacht, die Mitarbeiter wissen, was ihre Kollegen verdienen – müssen aber auch ihr eigenes Einkommen offenlegen.

Was halten Bewerber davon? Das Bild ist gespalten: Jeder zweite Befragte der Softgarden-Studie befürwortet das – 30 Prozent sind dagegen, 20 Prozent haben dazu keine Meinung. „Damit könnte vermieden werden, dass in der gleichen Position innerhalb eines Unternehmens unterschiedliche Gehälter gezahlt werden“, sagt einer der Befragten. Andere fürchten allerdings Neid, Missgunst und schlechte Stimmung im Büro.
Die Umfrage zeigt auch: Das Gehalt ist hierzulande nach wie vor ein Tabuthema. Gerade im Kollegenkreis weigern sich viele über das eigene Einkommen zu sprechen. Nur ein Drittel der befragten Bewerber fordert regelmäßig und aktiv eine Gehaltserhöhung ein, 40 Prozent ist es gar unangenehm mit ihrem Vorgesetzten über das eigene Einkommen zu sprechen – das gilt insbesondere für Frauen.

40 Prozent sind mit ihrem derzeitigen Gehalt unzufrieden

„Gehalt ist eine der wichtigsten Formen von wertschätzendem Feedback“, heißt es in der Studie. So hat fast jeder dritte Bewerber schon einmal seine Position gewechselt, weil er mit dem Gehalt unzufrieden war. Fast 40 Prozent sind mit ihrer derzeitigen Bezahlung unzufrieden. Die meisten orientieren sich, zeigt die Studie, an marktüblichen Gehältern – und zwar indem sie entsprechende Zahlen googeln.

Arbeitgeber sollten diese Unzufriedenheit ernst nehmen – gerade angesichts der strukturellen Mangelverhältnisse in vielen Branchen. Für Unternehmer heißt es also: Mehr Transparenz wagen. Vier Tipps, wie das gelingen kann.

  • Auf Tricksereien verzichten: Wer versucht, Bewerber mit hohen Forderungen lange im Bewerbungsprozess zu halten und am Ende nur ein niedriges Gehalt zahlen will, verprellt die guten Leute. Das schädigt außerdem das Image.
  • Gehaltswünsche in der Stellenanzeige nur einfordern, wenn Spielraum für Verhandlungen besteht: Ansonsten ist es fairer und transparenter, das eigene Gehaltsangebot von Anfang an zu nennen.
  • Eigenes Gehaltswissen aufbessern: Firmen sollten regelmäßig überprüfen, ob die eigenen Gehälter gerade in Mangelberufen wirklich konkurrenzfähig sind. Sonst nützen die besten Versprechungen nichts.Mehr Gerechtigkeit wagen: Arbeitgeber sollten selbst eine Gehaltserhöhung vorschlagen, wenn Mitarbeiter gute Leistungen bringen. Das bindet die Mitarbeiter stärker ans Unternehmen.