Der letzte Abschied vom Kollegen

Nach dem Tod eines Mitarbeiters können Arbeitgeber viel falsch machen – von der Traueranzeige bis zur Neubesetzung der Stelle. Wir erklären, was Chefs beachten sollten.

Tina Groll, zeit.de | 11.09.2018

Unfassbarer Umgang

Die Nachricht kam unerwartet. Noch auf der Weihnachtsfeier hatten die Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens in Norddeutschland mit ihrer 32-jährigen Kollegin gefeiert. Wenige Tage später kam die Frau durch einen Autounfall ums Leben.

Die Nachricht von ihrem Tod verbreitete der Chef per Rundmail. An die engeren Kollegen sandte er die Bitte, die persönlichen Gegenstände der Verstorbenen doch einzusammeln, damit der Arbeitsplatz im Januar von einem Hospitanten genutzt werden könne.

Dann fuhr er in den Urlaub, ohne das Team über die Trauerfeier zu informieren, eine Anzeige zu schalten oder der Familie der Verstorbenen zu kondolieren. „Das war absolut geschmacklos“, erinnert sich ein Kollege, der lieber anonym bleiben möchte, an den Vorfall vor zwei Jahren. „Ich habe mich gefragt, ob der Mensch für meinen Arbeitgeber gar nicht zählt.“

Mehr als nur eine Arbeitskraft

Wenn Mitarbeiter sterben, verliert ein Unternehmen mehr als nur eine Arbeitskraft. „Maschinen lassen sich abschreiben, Menschen aber nicht“, sagt der Bestatter und Trauerbegleiter Fritz Roth. An seiner Trauerakademie in Köln bietet er Unternehmen Seminare zum richtigen Umgang mit Trauernden an.

„Trauer ist eine große Energiequelle, man muss ihr aber Platz geben – und zwar dort, wo das Leben stattgefunden hat. Also auch im Büro“, sagt Roth. Er rät Arbeitgebern dazu, den Tod eines Kollegen in einem würdevollen Rahmen und möglichst persönlich mitzuteilen.

Zeit zum begreifen

Besonders die engsten Kollegen bräuchten nach einer überraschenden Todesnachricht Zeit, den Verlust zu begreifen und zu verarbeiten. „Man kann beispielsweise eine Kerze für den Verstorbenen auf dessen Schreibtisch anzünden, die nächste Teambesprechung dem Toten widmen und sich gemeinsam an ihn erinnern“, sagt Roth.

Eine gute Idee könne es auch sein, gemeinsam mit den Mitarbeitern eine persönliche Todesanzeige zu gestalten. Solche Anzeigen sammelt Christian Sprang. Besonders gelungene aber auch misslungene Beispiele hat der Sammler in seinen Büchern Aus die Maus und Wir sind unfassbar veröffentlicht.

Da ist die liebevolle Erinnerung der Kollegen an einen Reproduktionsmediziner zu finden, in der sie dem Toten versichern, dass er in ihren Werken weiterleben werde. Ein Büroeinrichtungszentrum gedenkt dem „Abteilungsleiter Schrankwände“ und ein Familienunternehmen verabschiedet seinen Patriarchen mit einem Gruß an die Kunden: „Halten Sie uns weiterhin die Treue.“

Keine Werbung in Traueranzeigen

Sprang findet es „geschmacklos“, die Traueranzeige für Werbung zu nutzen. „Ich habe einige Anzeigen in meiner Sammlung, wo der Name der Firma größer geschrieben ist als der Name des Toten. In manchen sind sogar Werbesprüche mit abgedruckt, die auf einen Sonderverkauf oder neue Öffnungszeiten hinweisen. Und manchmal erscheint gleich neben der Todesanzeige die Stellenanzeige“, sagt Sprang.

Noch schlimmer sind Fehler. „Fehler in Todesanzeigen sind nie wiedergutzumachen“, sagt Sprang. Ein Stück aus seiner Sammlung zeigt die Annonce für einen Mitarbeiter, der versehentlich zum Verwaltungsdirektor gemacht wurde. Auf die Traueranzeige folgte eine Richtigstellung, dass es sich doch nur um einen ganz gewöhnlichen Mitarbeiter gehandelt habe.

Unverzeihliche Fehler

Häufig kommen auch Standardanzeigen vor, bei denen der Arbeitgeber nur den Namen und das Geburts- und Todesdatum austauscht. Oft sind es große Arbeitgeber in einer Region, die solche Anzeigen für Mitarbeiter schalten, die längst im Ruhestand sind – eigentlich in der guten Absicht, dass alle Mitarbeiter gleich behandelt werden sollen. „Aber wenn gleich mehrere solcher Anzeigen für verschiedene tote Mitarbeiter in der gleichen Ausgabe abgedruckt werden, sieht es sehr lieblos aus“, sagt Sprang.

Wie es besser geht, weiß Carolin Lüdemann. Sie ist Mitglied im Deutschen Kniggerat und schult Arbeitgeber auch darin, sich angemessen im Todesfall von Mitarbeitern zu verhalten. „Weil der Tod keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft hat, kennen viele auch nicht mehr die richtigen Umgangsformen bei einem Todesfall“, sagt die Knigge-Expertin.

Einige Arbeitgeber versenden etwa schwarz umrandete Kondolenzbriefe. „Das ist ein Fehler. Das Papier mit schwarzer Umrandung ist der Familie vorbehalten“, sagt Lüdemann. Ebenso wie bei der Traueranzeige sollten Unternehmen keine vorgefertigten Standardschreiben versenden.

Der richtige Kondolenzbrief

„Ein Kondolenzbrief muss sofort nach Erhalt der Todesnachricht versendet werden. Wer zu lange wartet, riskiert die Trauer bei den Angehörigen wieder aufzureißen. Darum sollten Arbeitgeber Kondolenzschreiben auf keinen Fall aufschieben“, sagt Lüdemann.

Verboten ist ein maschinengeschriebener Text. „Ein Kondolenzbrief muss immer handschriftlich und persönlich vom Arbeitgeber verfasst sein. Versendet wird er in einem geschlossenen Umschlag ohne Fenster. Es dürfen auch keine Adressaufkleber und schon gar nicht die Frankiermaschine benutzt werden.“

„Aufrichtiges Mitgefühl“

Das Firmenbriefpapier darf nur verwendet werden, wenn es keine bunten Schriftzüge enthält. Arbeitgeber, denen es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden, sollten sich kurz und so wertschätzend wie möglich ausdrücken. Statt der Formulierung „herzliches Beileid“ sei es besser, von „tiefem“ oder „aufrichtigen Mitgefühl“ zu sprechen. „Das Wort herzlich wird mit freudigen Ereignissen assoziiert“, sagt Lüdemann.

Der Arbeitgeber sollte sich auch Gedanken darüber machen, wie der Familie des Verstorbenen geholfen werden kann. Hat der Mitarbeiter seine Familie ernährt, kann es eine angemessene Geste sein, für die Hinterbliebenen zu sammeln. Es kann aber auch wie eine Beleidigung für die Angehörigen wirken.

Auch ein Kranz oder Blumenschmuck für die Beerdigung könnte ein angemessenes Zeichen der Wertschätzung sein.

„Ohne unsere Mitarbeiter wären wir nichts“

Ein guter Umgang mit Todesfällen ist auch Nils Janssen aus Bremen wichtig. Er ist Juniorchef eines mittelständischen Unternehmens in vierter Generation. „Ohne unsere Mitarbeiter wären wir nichts“, sagt der Familienunternehmer.

„Darum ist es für uns selbstverständlich, als Arbeitgeber der Beerdigung eines Mitarbeiters beizuwohnen – selbst wenn der schon vor 20 Jahren in Rente gegangen ist.“

Dankbarkeit

Im Unternehmen von Janssen entwerfen die Mitarbeiter zusammen mit dem Chef die Todesanzeige und das Kondolenzschreiben an die Familie. Meist stiftet das Unternehmen auch einen Kranz, der an die Verdienste des Verstorbenen erinnert.

„Viele unserer Mitarbeiter haben ihr gesamtes Berufsleben bei uns verbracht. Ihnen und ihren Familien Dankbarkeit auch im Tod entgegenzubringen, gehört für mich zur Pflicht eines Arbeitgebers. Umso mehr, wenn der Mitarbeiter jung war und mitten aus dem Leben gerissen wurde“, sagt Janssen.

Trauer braucht Zeit

Doch was geschieht nach der Beerdigung? Wie schnell kann in einem Unternehmen wieder normaler Betrieb herrschen? Knigge-Expertin Lüdemann rät Arbeitgebern, sensibel zu sein. „Wie sich ein Arbeitgeber im Todesfall eines Mitarbeiters verhält, sagt viel aus über die Firmenkultur. Man sollte sich für alles Zeit lassen, auch mit der Neubesetzung der Stelle“, sagt Lüdemann.

Für die engen Kollegen kann es sogar tröstend sein, wenn die Stelle eine Weile unbesetzt bleibt. Generell sollten die engsten Kollegen Mitsprache daran haben, was mit dem Arbeitsplatz geschieht. Hilfreich kann es sein, wenn das Team den Schreibtisch des Verstorbenen gemeinsam ausräumt und die privaten Gegenstände der Familie bringt.

„Trauer braucht Zeit und hält sich an keine Businessregeln“, sagt Trauerbegleiter Fritz Roth. „Arbeitgeber, die das verstehen, geben ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, kreativ mit dem Tod eines Kollegen umzugehen. Dabei werden sogar positive Ressourcen frei.“