Was darf der Chef?
Die dritte Nachtschicht in Folge, der Urlaub ist kurzfristig gestrichen und wer in Jeans kommt, darf direkt wieder gehen. Der Chef hat gesprochen. Doch geht das eigentlich? Junge Karriere klärt, was der Boss darf und was nicht.
Er darf, wenn er gute Gründe dafür hat. Der Vorgesetzte kann Überstunden anordnen, wenn sie aus betrieblicher Sicht notwendig sind. Beispiele: Ein wichtiger Auftrag muss fertig werden oder ein Kollege ist krank. Nachtschichten dürfen aber nicht zum Dauerzustand werden. Ordnet der Chef die Mehrarbeit willkürlich und ohne Grund an, darf sich der Mitarbeiter weigern.
Bekomme ich die Überstunden bezahlt?
Wenn weder Tarif- noch Arbeitsvertrag die Kompensation von Mehrarbeit regeln, muss sich der Angestellte selbst um den Ausgleich kümmern. „Am geschicktesten ist, die Überstunden bis zum Ende des Sonderprojekts oder der Urlaubsvertretung aufzuschreiben und dann mit dem Chef über Freizeitausgleich oder Bezahlung zu verhandeln“, empfiehlt Pia Alexa Becker, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Wichtig: Einen Ausgleich kann es nur geben, wenn der Chef die Überstunden wirklich angeordnet hat. Nichts gibt’s, wenn der Mitarbeiter tagsüber gebummelt hat und lieber abends arbeitet.
In meinem Vertrag steht, dass die Mehrarbeit mit dem Monatsgehalt abgegolten ist. Damit ist der Chef fein raus, oder?
Diese Klausel taucht vor allem in Verträgen von Fach- oder Führungskräften auf. Da diese in der Regel außertariflich bezahlt werden, müssen sie beim Thema Überstunden tatsächlich etwas toleranter sein. Anwältin Becker: „Eine Führungskraft mit gutem Verdienst kann bei vier bis fünf Stunden pro Woche keine Extravergütung erwarten.“ Eine pauschale Abgeltungsklausel ist laut Bundesarbeitsgericht allerdings unwirksam. Im Vertrag müsse eine Höchstzahl der Überstunden und der Zeitraum genau angegeben sein.
Kann der Chef Wochenendarbeit anordnen?
Wenn im Vertrag eine Fünf-Tage-Woche vorgesehen ist und auch der Tarifvertrag keine Wochenendarbeit erlauben, müssen die Samstage und Sonntage bürofreie Zone bleiben. „Nur in echten Notfällen kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, auch am Wochenende einzuspringen“, sagt Anwältin Becker. In dem Fall sollte der Mitarbeiter aber einen Ausgleich – Geld oder Freizeit – verlangen.
Laut Arbeitsvertrag habe ich eine Stunde Mittagspause. Ich arbeite die aber lieber durch und gehe früher. Kann ich das einfach machen?
Offiziell nicht. Laut Gesetz ist man sogar verpflichtet, nach spätestens sechs Stunden eine halbstündige Pause zu machen. Bei Nichteinhaltung kann der Chef zu einem Bußgeld verdonnert werden. Pausen gehören im Übrigen zur bezahlten Arbeitszeit. „Ich habe daher schon erlebt, dass ein Chef dem Mitarbeiter kurzerhand Arbeitszeit und Gehalt gekürzt hat, weil er ständig durchgearbeitet hat“, warnt Anwalt Michael Felser aus Brühl.
Ich fahre mit der Bahn zur Arbeit. Durch Verspätungen komme ich häufig unpünktlich ins Büro, circa zehn bis 30 Minuten. Kann ich die Zeit einfach hinten dranhängen?
Die Lage der Arbeitszeit bestimmt der Chef. Und der Mitarbeiter ist dafür verantwortlich, pünktlich zu erscheinen. Das gilt übrigens auch, wenn die Bahn mal wieder streikt. Nur bei Gleit- oder Kernarbeitszeiten haben die Mitarbeiter entsprechende Flexibilität bei Arbeitsbeginn und -ende. Andernfalls können häufige Verspätungen sogar zur Kündigung führen.
Ich muss während der Arbeitszeit zum Arzt. Kann der Chef das verbieten?
Wer akut krank wird, kann beziehungsweise muss direkt zum Arzt. Bei Vorsorgeuntersuchungen sollte sich der Mitarbeiter dagegen bemühen, die Termine in seine Freizeit zu legen. Nur wenn das absolut nicht gelingt, muss der Chef den Angestellten auch in der Arbeitszeit gehen lassen. Wichtig: Bescheinigungen für solche Fälle gibt es beim Arzt.
Nachdem ich mich krankgemeldet hatte, wollte mein Chef direkt ein Attest sehen.
Den „gelben Schein“ müssen Arbeitnehmer erst am dritten Krankheitstag vorlegen. Aber Vorsicht: Gemeint ist der dritte Kalendertag, nicht der dritte Werktag. Wer also freitags krank wird, muss direkt am Montag ein Attest schicken.
Urteil: Mehrarbeit notieren
Ein Arbeitnehmer kann die Bezahlung von Überstunden nur dann erfolgreich einklagen, wenn er die Extra-Stunden nachvollziebar aufgelistet hat.
LAG Rheinland-Pfalz, Az. 6 Sa 799/04.
URLAUB
Weil ein wichtiger Auftrag fertig werden muss, hat der Chef Urlaubssperre angeordnet.
Wenn betriebliche Gründe vorliegen, darf er das auch. Existiert ein Betriebsrat, muss dieser allerdings zustimmen. „Unwirksam ist solch eine Anordnung nur dann, wenn es dem Arbeitnehmer dadurch unmöglich wird, seinen kompletten Urlaub zu nehmen“, sagt Anwalt Felser. Beispiel: Die Sperre gilt von Januar bis März und der Mitarbeiter müsste eigentlich noch Resturlaub abfeiern.
Verfallen meine Urlaubstage, die ich nicht bis Ende des Jahres genommen habe?
Laut Gesetz muss der Urlaub grundsätzlich im Kalenderjahr genommen werden. Haben aber etwa ein wichtiges Projekt oder eine lange Krankheit das Vorhaben vereitelt, hat der Mitarbeiter ausnahmsweise bis Ende März des Folgejahres Zeit. Die Übertragung muss er jedoch rechtzeitig vor dem 31. Dezember beantragen. Anwältin Becker: „In den meisten Arbeitsverträgen ist von vornherein geregelt, dass man seinen Resturlaub bis Ende März nehmen kann.“
Laut Dienstanweisung muss ich Heiligabend und Silvester einen halben Tag Urlaub nehmen. Ist das in Ordnung?
Silvester und Heiligabend sind keine Feiertage. Wenn das Unternehmen also beschließt, dass an diesen beiden Tagen nicht gearbeitet wird, müssen die Mitarbeiter ihren Urlaub tatsächlich opfern. Der Chef könnte sogar verlangen, dass zwei ganze Urlaubstage angerechnet werden.
Mein Chef hat mich drei Tage vor Urlaubsende angerufen und wegen eines dringenden Projekts früher wieder ins Büro zitiert.
Darf er eigentlich nicht, denn das Bundesarbeitsgericht hat geklärt, dass ein Rückruf aus dem Urlaub unzulässig ist. Dennoch kann es im Einzelfall ungeschickt sein, wenn sich der Mitarbeiter strikt weigert. Clever ist daher, wenn niemand weiß, wo man Urlaub macht und man auch nicht ans Handy geht.
Mein Chef hat mich oft im Urlaub angerufen, daher war meine Handyrechnung enorm hoch. Bekomme ich die Mehrkosten zurück?
Hier muss der Mitarbeiter Fingerspitzengefühl beweisen. „Wenn seine Arbeit vor Urlaubsantritt nicht fertig geworden ist und er seine Projekte nicht ordentlich übergeben konnte, sollte er die Anrufe stillschweigend akzeptieren“, rät Pia Becker. Andernfalls kann der Arbeitnehmer freundlich um Erstattung bitten und am besten gleich einen Einzelverbindungsnachweis parat haben.
Der Chef hat meinen Urlaubsantrag abgelehnt, weil ein anderer Kollege schneller war.
Wenn zwei Mitarbeiter zur gleichen Zeit Urlaub haben wollen, muss der Vorgesetzte abwägen, wer den Zuschlag erhält. Dass einer schneller war, darf dabei jedoch nicht das Hauptargument sein. Grundsätzlich darf der Chef den Antrag nur aus betrieblichen Gründen ablehnen, etwa, weil zu viel zu tun ist oder zu viele Kollegen fehlen.
Ich bin im Urlaub krank geworden. Dennoch zieht mir die Personalabteilung alle Tage vom Urlaubskonto ab.
Das geht nicht. Laut Gesetz muss der Arbeitgeber „kranke Urlaubstage“ wieder gutschreiben. Allerdings muss der Mitarbeiter seine Krankheit unbedingt per Attest nachweisen – und zwar vom ersten Tag an. Am besten, er faxt das Attest nach dem Arztbesuch sofort ins Büro.
Urteil: Urlaub ist heilig
Hat der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter den Urlaub einmal gewährt, ist er daran gebunden und nicht berechtigt, den Urlauber wieder zurückzurufen.
BAG, Az. 9 AZR 405/99.
VERGÜTUNG
Der Chef hat eine genehmigte Fortbildung gestrichen, weil zu viel zu tun ist. Geht das?
Wenn die Fortbildung fest vereinbart und in der Genehmigung keine Widerrufsmöglichkeit geregelt war, muss der Chef seinen Mitarbeiter lernen lassen. „Wenn es arg pressiert, ist es für das Klima aber manchmal besser, man einigt sich auf eine Verschiebung“, rät Anwalt Felser. In dem Fall muss der Chef aber anfallende Stornokosten übernehmen.
Der Chef hat im letzten Jahr Weihnachtsgeld gezahlt, dieses Jahr streicht er es. Ist das erlaubt?
Einen Anspruch auf Weihnachts- oder Urlaubsgeld haben Mitarbeiter nur, wenn dies ausdrücklich und ohne Widerrufsvorbehalt im Arbeits- oder Tarifvertrag steht. Zahlen muss der Chef auch, wenn die Gratifikation zur „betrieblichen Übung“ geworden ist. Das ist der Fall, wenn das Unternehmen drei Jahre in Folge ohne Vorbehalte den Bonus gezahlt hat. Ansonsten kann der Chef von Jahr zu Jahr entscheiden.
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Laut Arbeitsvertrag besteht mein Gehalt aus einem variablen Teil. Mein Chef hat aber kein Zielvereinbarungsgespräch geführt. Muss ich deshalb auf den Bonus verzichten?
Der Mitarbeiter sollte in diesem Fall rechtzeitig am Jahresbeginn ein Gespräch anmahnen. Felser: „Kommt es dann immer noch nicht zustande, kann der Mitarbeiter Schadenersatz in Höhe des Vorjahresbonus verlangen – denn der Chef war schuld.“
Urteil: Weihnachtsgeld für alle
Gratifikationen wie Weihnachtsgeld darf der Chef nicht streichen, wenn er mit der Leistung seines Mitarbeiters unzufrieden ist. Ausnahme: Die Sonderzahlung ist im Arbeitsvertrag ausdrücklich an die Erreichung bestimmter Ziele gekoppelt.
AG Frankfurt/Main, Az. 7 Ca 1743/99.
ARBEITSORT
Der Chef hat angekündigt, dass ich demnächst in einer anderen Niederlassung arbeiten soll. Kann er mich so einfach verpflanzen?
Das hängt von der konkreten Formulierung im Arbeitsvertrag ab. „Je genauer die Jobbeschreibung und die Benennung des Einsatzortes ist, desto schwerer lässt sich der Mitarbeiter versetzen“, erklärt Arbeitsrechtlerin Becker. In den meisten Verträgen behält sich der Chef aber leider vor, den Mitarbeiter auch für andere Aufgaben, Projekte und Abteilungen einzusetzen. Vor seiner Entscheidung muss der Chef aber abwägen, ob die Versetzung einen anderen Kollegen unter Umständen weniger hart treffen würde. Kriterien sind beispielsweise Familie oder Ortsgebundenheit. Wichtig: Enthält der Vertrag keine Versetzungsklausel, muss der Chef eine Änderungskündigung aussprechen, wenn er einen Kollegen verpflanzen will.
Kann ich mich gegen die Arbeit im Großraumbüro wehren?
Einen Anspruch auf ein eigenes Büro gibt es leider nicht. Daher muss der Mitarbeiter einen Sitzplatz im Großraumbüro grundsätzlich akzeptieren. Hat jemand allerdings eine Position, bei der Vertraulichkeit wichtig ist, wird er sich eher wehren können. „Im Übrigen können allenfalls gesundheitliche Beeinträchtigungen wie extreme Lärmempfindlichkeit angeführt werden, die dann aber auch nachgewiesen werden müssen“, so Anwältin Becker. Das Großraumbüro darf der Chef aber nicht mit einer Legebatterie verwechseln. Jeder Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, sich frei zu bewegen: Der empfohlene Flächenbedarf für Bildschirmarbeitsplätze beträgt im Großraumbüro zwölf bis 15 Quadratmeter.
Urteil: Zu weit weg
Wenn im Arbeitsvertrag kein Einsatzort festgelegt, aber auch keine Versetzungsklausel vereinbart wurde, ist eine Versetzung an einen 270 Kilometer entfernten Dienstort für den Mitarbeiter unzumutbar.
Hessisches LAG, Az. 11 Sa 296/06.
IM BÜRO
Sind Rauchverbote am Arbeitsplatz gültig?
Schlechte Zeiten für alle Raucher: Die Arbeitsgerichte halten inzwischen selbst uneingeschränkte Rauchverbote am Arbeitsplatz für zulässig. Raucherpausen darf der Chef von der Arbeitszeit abziehen oder ganz untersagen. Nur in den gesetzlich verordneten Pausen darf sich der Raucher seine Zigarette anzünden.
Darf der Chef seinen Mitarbeitern eine Kleiderordnung vorschreiben?
Jeans, Flipflops oder Piercings? So lange die persönlichen Klamotten- und Styling-Vorlieben Kunden oder Kollegen nicht stören oder gar den Betrieb behindern, muss sich der Chef dem individuellen Modediktat beugen. Umgekehrt müssen die Mitarbeiter aber auch akzeptieren, dass der Arbeitgeber etwa für Angestellte mit Kundenkontakt einen bestimmten Dresscode vorschreibt. Das gilt vor allem in Banken, bei Versicherungen oder im Verkauf.
»»» Es gibt so viele Möglichkeiten, einen guten Eindruck zu machen.
Hingegen gibt es nicht so viele Chancen, überhaupt das beste Stellenangebot aus allen Jobbörsen herauszufischen.
Der Chef guckt uns immer schräg an, wenn wir mal auf dem Gang einen Plausch halten. Darf er private Kommunikation verbieten?
Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Im Zweifel gilt das auch für den privaten Plausch auf der Arbeit. Andererseits ist es gut fürs Betriebsklima, wenn sich die Mitarbeiter gut verstehen. Daher beruhigt Arbeitsrechtler Felser: „Im Zweifel wird nur ein exzessiver Missbrauch zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.“
Urteil: Jeans verboten
Mitarbeitern mit repräsentativen Aufgaben darf der Vorgesetzte Jeans und Sneakers untersagen. Angestellten im Verkauf darf er sogar verbieten, mit offenem Kragen oder ohne Sakko aufzutreten.
LAG Hamm, Az. 13 TaBv 36/31
Zuerst veröffentlicht am 30.05.2008