Arbeitsmarkt Asien: Deutsche Fachkräfte dringend gesucht

In China, Indien, Korea und Singapur fehlen Fachkräfte. Gute Chancen haben vor allem deutsche Absolventen mit solidem Wissen, die eine hohe Leistungsbereitschaft mitbringen. Ein Asienaufenthalt lohnt sich für die Karriere – finanziell dagegen weniger.

Astrid Oldekop | 11.09.2018

Selbst im klassischen Expat-Land Indien gerät die Welt der Entsandten in Bewegung. Der Arbeitsmarkt hinkt fünf Jahre hinter dem Chinas her. Doch die Ankündigungen großer Unternehmen lesen sich ebenso spektakulär. IBM will bis 2010 in Indien 50.000 neue Leute einstellen, Cisco Systems will zum selben Zeitpunkt ein Fünftel seiner Führungskräfte im Land beschäftigen. Auch der weltweit größten Demokratie fehlen Manager, nirgendwo sonst steigen die Gehälter für Spitzenleute derart rasant. Denn von den 1200 indischen MBA-Programmen entsprechen nur 50 den westlichen Schulen.

„Der indische Arbeitsmarkt mit seiner Geschäftssprache Englisch ist eine Alternative für deutsche Berufseinsteiger, die Auslandserfahrung sammeln möchten, flexibel und mit einem lokalen Gehalt einverstanden sind“, berichtet Anja Falk. Die lokale Mitarbeiterin der Deutsch-Indischen Handelskammer in Delhi hat beobachtet, dass die Zahl derjenigen, die auf eigene Faust nach Indien kommen, steigt. „In Indien kennt man den Status des Praktikanten nicht“, sagt Dirk Matter, Geschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer. Chancen haben – wenn überhaupt – ITler, Ingenieure und Techniker. Matter warnt Idealisten: „Das Leben in Indien ist nur schön, wenn man reich ist. Schon im mittleren Management ist es hart.“

Ganz anders ist die Situation in Japan. Jede dritte deutsche Tochtergesellschaft hat die Zahl ihrer Expats in den letzten Jahren sogar reduziert. „China ist ein Trendthema, da rennen alle hin“, sagt Marcus Schürmann, DIHK-Delegierter in Tokio. „Japan kann man dagegen nicht halbherzig machen.“ Es gehe nicht ohne die Sprache. Zudem sei es schwierig, als Praktikant ein Visum zu bekommen. Japanische Unternehmen kennen keine Praktikanten. Wer dann erst mal da ist, braucht zwei Jahre, bis er versteht, wie Japan funktioniert. Fast die Hälfte der Expats ist schon zehn Jahre da. „Bis man mit Japan wirklich warm wird, braucht es lange.“

Singapur lockt mit einem attraktiven Jahresvisum

Auch Südkorea gilt als schwieriges Land mit fremder Mentalität, schwerer Sprache und ohne Praktikantenkultur. In Asien ist das technologie-besessene Land Trendsetter, in Deutschland wird es meist übersehen. Dennoch hat Jürgen Wöhler, AHK-Chef in Seoul denselben Trend beobachtet: Die Zahl der herkömmlichen Expats geht zurück. „Es kommen zunehmend junge Leute, die sich zu lokalen Bedingungen Jobs suchen“, sagt er. „Sie werden angelockt durch das höhere Umsetzungs- und Informationstempo.“ Viel einladender wirkt Singapur. Weil auch der Stadtstaat zu wenig Fachkräfte hat, lockt er mit einem Jahresvisum, mit dem sich Absolventen ein Jahr lang Arbeit suchen können. Von Singapur aus erschließen Konzerne den asiatischen Markt. Wer hier einen Job sucht, muss gegen Leute aus ganz Asien antreten. „Man schaut hier mehr auf Qualifikation, weniger auf den Pass“, sagt Tim Philippi von der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Handelskammer. Seit 2004 ist die Zahl der Deutschen um 1500 auf 6000 gestiegen. Viele kommen als Expat und lassen sich dann lokalisieren. Die 300 deutschen Praktikanten, die gleichzeitig in der Stadt sind, bringen sich stärker ein, da alle Englisch sprechen. Beste Voraussetzungen haben, laut Philippi, Absolventen mit solidem Fachwissen aus den Branchen Banken, Finanzen, IT, Biotech, digitale Medien und Ingenieure. Doch selbst Singapur, eine Stadt mit hoher Lebensqualität, hat Schattenseiten: Die Steuern sind zwar niedrig, doch Leben und Wohnen teuer.

Mythos, Mode, Abenteuer – eins steht fest: Im schnellen Tempo Asiens darf man nicht zu lange auf einer lokalen Position verharren. Wer den Absprung verpasst, dem droht ein unsanftes Erwachen. „Abenteuer kann man unternehmen, so lange man keine Familie hat, nicht krank wird und keine teure Schule für die Kinder braucht“, warnt Marcus Taube. „Danach wird Asien verdammt ungemütlich.“

Auch Carola Hantelmann erlebt Schanghai gerade von der härteren Seite. Die promovierte Soziologin bekam aus Deutschland ein Jobangebot in China als „Foreign Expert“ der Universität Ningbo. Mit Anfang 30 kam sie ins Reich der Mitte, hatte zwei Staatsexamina, eine volkswirtschaftlich orientierte Promotion und Berufserfahrung als Ausbilderin und Personalberaterin in der Tasche. Schnell machte sie  ihren Weg, ging von Ningbo nach Qingdao, von dort nach Yantai und schließlich nach Schanghai. Als Expertin baute sie das Industrienetzwerk deutsch-chinesischer Hochschulkooperationen auf, verantwortete das Business Development der Institutionen sowie das interkulturelle Training der Studierenden aus beiden Ländern.

Die hochqualifizierte Frau war begehrt auf dem chinesischen Jobmarkt: Sie wurde von Deutschen, Chinesen und sogar vom Bundesforschungsministerium abgeworben. 

Für die deutsche Fachhochschule der Tongji-Uni knüpfte sie erfolgreich Kontakte zur Industrie und führte durch ihr umfangreiches Industrienetzwerk 2007 die erste deutsche Jobmesse für Fachhochschulabsolventen in China ein.

Weil ihre Stelle gestrichen wurde, sucht sie seit Juni Arbeit – ein schier aussichtsloses Unterfangen. Denn die Sitten in Asien sind rau. Unverblümt sagen ihr auch die deutschen Chefs, dass eine 36-Jährige, die eventuell eine Familie gründen möchte, ein Verlustgeschäft sei. Unlängst erhielt Hantelmann das auch in einer schriftlichen Absage mitgeteilt: „Wir haben für die Position des Teamleiters Business Development ohnehin einen Mann gesucht.“ Ihr Fazit: „Hier wagen die Knaben mehr Platzhirschgetue als in Deutschland.“

Ohne Berufserfahrung ist Asien ein hartes Pflaster

Wer in Asien nicht in einer Sackgasse enden will, muss strategisch planen. Einsteigen lässt sich mit einem Praktikum oder einem befristeten lokalen Job. Dabei kann man die Kultur und die Sprache kennenlernen. Möglichkeiten bieten vor allem DAAD und Inwent. Wer danach einen längerfristigen Aufenthalt anstrebt, muss erst mal zurück nach Deutschland, um Berufserfahrung zu sammeln und ein Netz aufzubauen. Erst dann kommt der große Schritt in eine verantwortliche Position in Fernost. Dies kann der Weg in die Selbstständigkeit sein.

Die deutsche Architektin Binke Lenhardt ist ihn gegangen. In Peking koordiniert sie Projekte, bei denen Chinesen und Deutsche zusammenarbeiten, und sie schwärmt vom Bauboom und der Aufbruchstimmung vor Olympia. „Die Regeln in Deutschland engen mich ein. Hier habe ich mehr persönliche Freiheiten.“ Der nächste Schritt kann aber auch die Entsendung als Expat sein – mit gutem lokalen oder internationalem Vertrag. Kerstin Schrinner hat es so gemacht. Sie verantwortet beim Chemieriesen Ciba in Schanghai das New Business Development einer Sparte. Nach dem zweijährigen DAAD-Programm „Sprache und Praxis“ in China kehrte die 38-Jährige nach Europa zurück, weil es in China schwer war, sofort und ohne Berufserfahrung eine Anstellung zu finden. Beim Vorstellungsgespräch in der Schweiz erzählte sie dann von ihren Asien-Plänen, und zwei Jahre später schickte Ciba sie nach Fernost. Für Schrinner steht fest: „Der beste Weg nach Asien ist noch immer der, in Europa anzufangen und ein Netzwerk aufzubauen.“

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