Interview: „Coronaschutz ist Chefsache“ – Wie sich Manager jetzt richtig verhalten

Bisher nehmen viele Unternehmen Arbeitsschutz auf die leichte Schulter. Ein Fehler, meint Dekra-Expertin Karin Müller.

Angelika Ivanov | 19.11.2021
„Auf keinen Fall müssen Manager alle halbe Stunde über die Gänge rennen. Besser ist es, das Thema Infektionsschutz immer wieder zu kommunizieren.“

Karin Müller, Dekra-Expertin für Arbeitsschutz I „Auf keinen Fall müssen Manager alle halbe Stunde über die Gänge rennen. Besser ist es, das Thema Infektionsschutz immer wieder zu kommunizieren.“

Plastiktrenner an den Kassen, Abstandsregelung und Nießetikette: Seit dem Ausbruch des Coronavirus ist Arbeits- und Infektionsschutz für alle sichtbar. Dabei war auch schon vorher Gesetz, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter schützen müssen. Einmal pro Jahr sollten sie eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Doch viele Unternehmen ignorieren diese Verordnung, weiß Karin Müller. Das Problem liegt auch an den fehlenden Konsequenzen für die Missachtung. „Sie wurden im Schnitt alle 22 Jahre kontrolliert“, weiß die Leiterin bei der Dekra für den Bereich Mensch und Gesundheit. Das soll sich ändern. Die Regierung arbeitet an einem neuen Gesetz für die bessere Kontrolle. Doch in erster Linie müssen Unternehmen selbst aktiv werden. Müller erklärt im Interview, was jetzt für den Schutz gegen Corona zu tun ist.

Was müssen Arbeitgeber derzeit beim Arbeitsschutz beachten? 

Müller: Laut Arbeitsschutzgesetz müssen alle Arbeitgeber die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter gewährleisten. Mögliche Risiken müssen in einer Gefährdungsbeurteilung erhoben werden. Dazu gehören sowohl physische Faktoren, wie etwa beim Umgang mit Chemikalien, als auch die psychischen Belastungen. Doch das war auch schon vor Corona in Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes vorgeschrieben.

Aber die Realität sieht anders aus. Der Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung kommen nur sechs von zehn Unternehmen nach, zeigen Ihre Studien. 

Das stimmt. Beim Thema psychische Gesundheit ist das Interesse noch geringer. Die Bundesregierung arbeitet außerdem an einem Gesetz, um die Kontrollen zu verschärfen. Denn Arbeitgeber werden erst wachsam, wenn etwa Kollegen wegen Burn-out in die Frührente müssen. Dabei ist Prävention hier einfach und wirksam. Ähnlich ist das auch beim Coronavirus.

Zu welchen Vorbeugemaßnahmen raten Sie gegen das Coronavirus? 

Grundsätzlich gilt die AHA-Regel – also Abstand, Hygiene, Alltagsmasken. Zusätzlich ist es wichtig, dass Arbeitgeber alle ihre Bereiche auf mögliche Infektionsgefahren hin untersuchen. Zum Beispiel: Wo müssen Personen auf engem Raum zusammenarbeiten? Wie kann das geändert werden? Kann die Belüftung verbessert werden?

Theoretisch sind die Vorgaben klar und in einem Arbeitsschutzstandard vorgegeben. Wichtig ist nun, dass die Umsetzung erfolgt. Wer sich mit dem Thema zu wenig auskennt, sollte sich Hilfe von Experten holen.

Wie sollte sich das Management in Coronazeiten verhalten? 

Coronaschutz ist definitiv Chefsache. Wenn die Führungskräfte nachlässig sind, wirkt sich das auf die Belegschaft aus.

Aktuell schränken viele Regeln das gewohnte Verhalten der Mitarbeiter ein. Doch alte Verhaltensmuster kehren schnell zurück. Müssen hier Führungskräfte ständig kontrollieren?

Auf keinen Fall müssen Manager alle halbe Stunde über die Gänge rennen. Besser ist es, das Thema immer wieder zu kommunizieren. Es muss präsent bleiben. Bei der Dekra arbeiten wir mit positiver Verstärkung. Im Intranet danken unsere Vorgesetzten immer wieder den Kollegen dafür, dass sie sich für die Sicherheit einsetzen.

Wie sollten Chefs vorgehen, wenn es einen Coronafall im Betrieb gibt? 

Dazu sollte es in jedem Unternehmen einen Pandemieplan geben, der die nötigen Schritte vorschreibt. Manager müssen die Mitarbeiter sofort informieren, die Kontakt mit dem Verdachtsfall hatten. Insgesamt hat sich unserer Erfahrung nach Transparenz bewährt: Wie viele Fälle sind aufgetreten? Warum haben eventuell Sicherheitsmaßnahmen nicht gewirkt? Es lohnt sich zu prüfen, wie ein Ausbruch entstanden ist. Wir hatten einen Fall, wo sich Kollegen in einem schlecht belüfteten Raum angesteckt haben. Hier konnten wir technisch nachrüsten und haben noch mal den Betrieb zum Thema Lüftung informiert.

Was empfehlen Sie für den Umgang mit Dienstreisen? 

Wir empfehlen gerade, Dienstreisen möglichst zu vermeiden. Reisen in Risikogebiete wie etwa China oder in die USA sind grundsätzlich untersagt. Wenn es nicht anders geht, dann ist aus hygienischer Sicht das Auto besser als die Bahn. Im Hotel sollen unsere Mitarbeiter zudem die Hygienevorgaben abfragen. Dies alles ist in Dienstanweisungen geregelt. Allgemein gilt, sich und andere möglichst gut zu schützen. Da können Führungskräfte auch an das persönliche Interesse der Mitarbeiter appellieren.

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