So verhandeln Sie Ihr Gehalt

Nichts ist schwerer, als den Marktwert der eigenen Arbeitskraft zu bestimmen. Dabei stehen die Chancen auf besseres Gehalt so gut wie seit Jahren nicht mehr. Wir zeigen Ihnen, was Sie wo verdienen können und wie Sie Ihre Vergütung clever aushandeln.

Ulrike Heitze | 11.09.2018

Tobias Melzer* zuckte unmerklich zusammen. Da war sie, die Frage aller Fragen: „Und, was möchten Sie bei uns verdienen?“ Der Wirtschaftsingenieur wähnte sich in seinem ersten Bewerbungsgespräch bei einem schwäbischen Automobilzulieferer schon fast in Sicherheit, nachdem er die „Warum wollen Sie gerade bei uns arbeiten?“-Hürde so elegant genommen hatte und auch bei der Darstellung seiner Schwächen nicht gestrauchelt war. Jetzt, kurz vor Schluss, doch noch das Angst-Thema: Was bin ich eigentlich wert?

Die Frage des Personalers traf den 28-Jährigen zwar nicht unerwartet, aber einigermaßen unvorbereitet. „Ich hatte mir im Vorfeld zusammen mit Freunden überlegt, welche Hausnummer man nennen könnte, aber warum wir uns ausgerechnet auf 42.000 Euro festgelegt hatten und wie ich die Zahl in einen flüssigen Satz kleiden sollte, hatte ich nicht wirklich bedacht“, kritisiert er sich selbst rückblickend.

Es kam, wie es kommen musste: Statt seine bis dahin souveräne Vorstellung mit einer recht stolzen, aber gut begründeten Gehaltsforderung zu krönen, gerieten die folgenden Minuten zum peinlichen Gestammel. Der gute Eindruck war dahin, den Job bekam ein anderer.

„Das passiert öfters“, fasst Constanze Wachsmann, Seniorberaterin der Managementberatung Kienbaum, die Erfahrungen von vielen Personalverantwortlichen zusammen. Berufseinsteiger, Jobwechsler und sogar berufserfahrene Angestellte – die meisten machen einen Riesenbogen um das heiße Eisen Gehalt. Da werden in der Bewerbungsphase Berge von Fachliteratur gewälzt, um den Lebenslauf aufzuhübschen, doch beim Einkommen wird gekniffen. Nur wenige loten akribisch aus, was sie einem Unternehmen wert sein könnten, und spielen mit Freunden das Aushandeln durch.Übers Gehalt redet man in Deutschland nach wie vor ungern.

Genau das aber erwarten Unternehmen von ihren Mitarbeitern – von den angestellten ebenso wie von den künftigen. „Verhandeln übers Gehalt ist Teil der Selbstvermarktung und gehört mit zum Job. Personaler wollen sehen, dass ein Bewerber seinen Wert kennt – und vor allem realistisch einschätzt. Eine schlechte Vorbereitung zeugt eben von mangelnder Professionalität und bringt auf jeden Fall Minuspunkte“, weiß Wachsmann. Die Kienbaum-Beraterin rekrutiert von Dresden aus tagtäglich Fach- und Führungskräfte und sieht sich nicht selten mit abenteuerlichen Einkommenswünschen konfrontiert. Wer dagegen mit realistischen Vorstellungen und guten Argumenten aufwartet, statt sich eine x-beliebige Zahl ungelenk in den Bart zu nuscheln, hat gute Chancen auf ein faires Gehalt.

Recherchieren statt fabulieren

Die Suche nach einer realistischen Gehaltsvorstellung ist nicht mal schnell zwischen Tagesschau und Wetterkarte abgehakt. Der Verdienst für eine Position bemisst sich nach vielen Rahmenfaktoren wie etwa Branche, Firmengröße und Region. Aber auch Bewerberqualifikationen bestimmen, über welche Beträge in einer Gehaltsverhandlung diskutiert wird. Wer mit seinem Spezialwissen auf eine bestimmte Stelle wie angegossen passt, hat eine bessere Verhandlungsposition als der generalistisch ausgebildete Mitbewerber und kann beim Gehalt kräftiger zulangen.

Einfach einen pauschalen Mittelwert aus einer Vergütungstabelle ziehen, bringt nicht weiter. Im Durchschnitt liegt nun mal weder das Gros der Unternehmen noch der Bewerber. Doch Durchschnittswerte können ein guter Ausgangspunkt für die weitere Recherche sein. Der Gehälter-Guide, den karriere zusammen mit der Vergütungsberatung Kienbaum entworfen hat, hilft, weitere wichtige Faktoren in den Durchschnitt einzuarbeiten und daraus eine realistische Vorstellung abzuleiten, die für ein Bewerbungsschreiben und -gespräch taugt.

„Die Balance zwischen Realität und Selbstüberschätzung finden Sie darüber hinaus durch Gespräche und gute Kontakte“, rät Gehaltscoach Martin Wehrle. Durch Infos von Branchen- und Firmeninsidern erhält ein Bewerber ein Gefühl dafür, was Unternehmen zahlen und wo er selbst mit seinen Qualifikationen einzuordnen ist – egal, ob als Hochschulabsolvent, Jobwechsler oder interner Gehaltsverhandler. „Sprechen Sie Freunde und gute Kollegen einfach mal auf ihr Einkommen an. Das ist hierzulande noch ungewohnt, aber in anderen Ländern völlig üblich.“

Der Markt setzt die Regeln

Steht erst mal das Gehaltsraster, sind die Variationen für neue Stellen nicht mehr allzu aufwändig zu ermitteln, stellte Florian Hoch* fest. Der Direktmarketing-Spezialist hat in den letzten Monaten mehr als ein Dutzend Bewerbungsgespräche in der immer noch gebeutelten Internet- und Telekom-Branche hinter sich gebracht und dabei mit großen und kleinen Unternehmen, in der Großstadt und auf dem Land verhandelt. „Ich habe meine Gehaltswünsche immer individuell an das Unternehmen angepasst, aber weil es sich überall um ähnliche Stellen handelte, musste ich mit der Zeit nur noch leicht variieren.“

Einem Konzern wie RTL traute er 3.000 Euro Jahresgehalt mehr zu, einer kleinen regionalen Telefongesellschaft im Ruhrgebiet 2.000 weniger. „Mir war klar, dass es schwer wird, in dieser Branche einen neuen Marketing-Job zu finden, deshalb habe ich mich beim Gehalt eher am Marktschnitt orientiert und kaum gepokert. Angesichts der angespannten Stellensituation wollte ich kein Gezerre wegen des Geldes riskieren.“

Seine Strategie ging auf. Seit einigen Wochen arbeitet der 32-jährige Düsseldorfer als Projektassistent bei einem größeren Stahlunternehmen im Ruhrgebiet – und findet seine 42.000 Euro fürs Erste absolut angemessen.
Der Markt steckt brutal die Spielräume ab, die sich für Bewerber eröffnen. Wer zur begehrten Spezies gehört – etwa Berater, Finanz- und Bilanzanalysten, Steuerfachleute, Ingenieure, Luft- und Raumfahrttechniker, Pharmaspezialisten, Vertriebler -, kann beherzter auftreten und eher überdurchschnittliche Gehälter anfragen als die Kollegen in gesättigten Bereichen, wie Marketing, Personal, Organisation, oder auch der Bankernachwuchs, der den Ball zurzeit flacher halten sollte.

Spezialisten im Vorteil

Berufserfahrung und Spezialistentum werden aber durchaus unterschiedlich bewertet, weiß Christian Näser, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Kienbaum Vergütungsberatung: „Ein hoch spezialisierter Anbieter wird einen Fachmann besser bezahlen als ein Unternehmen der gleichen Branche, das den Massenmarkt mit Me-too-Produkten bedient.“ Gut, wer so etwas in seine Verhandlungen einzubeziehen weiß und entsprechend argumentiert.
Denn auch wenn Unternehmen grundsätzlich ein vorgegebenes Gehaltsgefüge haben und Neulinge entsprechend einstufen, haben Personaler und Chefs einen Verhandlungsspielraum. Je spezialisierter die ausgeschriebene Stelle, je geringer der Bewerberpool und je passgenauer der Kandidat, desto besser die Ausgangsposition.

Wie viel Luft nach oben ist, muss der Bewerber vorsichtig ausloten. Ist seine Vita austauschbar und deshalb eher unspannend fürs Unternehmen, kann er sich schon mit einer Forderung knapp über dem gesteckten Rahmen aus dem Rennen katapultieren. Spannende Kandidaten dagegen haben gute Karten, auch höhere Forderungen durchzusetzen, sofern sie ihren Wert überzeugend darlegen.

Über der Schmerzgrenze wird dagegen kaum ein Unternehmen einstellen. „Deutliche Unterschiede im Gefüge lassen sich nur durch wirklich triftige Gründe rechtfertigen, sonst gibt es Unruhe unter den Kollegen, wenn es herauskommt“, weiß Horst Schönhoff, Personalchef bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Deloitte.

„Schon im Eigeninteresse kauft man sich ungern Ausreißer ein, weder nach oben noch nach unten.“ Denn wer für en Appel und en Ei angeheuert wird, startet schon frustriert in den Job und ist schneller wieder weg, als der Personaler das Wort „Probezeitende“ aussprechen kann.

Das berücksichtigen auch die meisten Unternehmen und verzichten auf solche Abzockerverträge. Nur in einzelnen Branchen, beispielsweise in der Werbeindustrie oder in der Architektur, sind Dumping-Gehälter nach wie vor eher die Regel als die Ausnahme.

Wer in einem schlecht bezahlten Job landet, muss sich dennoch keine grauen Haare darüber wachsen lassen, denn niedrige Gehälter sind nicht in Stein gemeißelt. „Wenn ich in einem Unternehmen, das marktübliche Gehälter zahlt, einfach schlecht verhandelt habe“, beruhigt Kienbaum-Partner Näser, „kann ich die folgenden Jahresgespräche dazu nutzen, sukzessive nachzuverhandeln. Die Differenz gleicht sich schneller aus, als man denkt.“

Wenn nicht rauf, dann raus

In durchgängig schlecht zahlenden Betrieben wird der Kandidat allerdings niemals auf einen grünen Zweig kommen. Da hilft nur noch ein Jobwechsel. Friederike Henning* ärgerte sich schwarz, dass ihr bisheriger Arbeitgeber sie beim Gehalt über den Tisch gezogen hatte: „Der ist erst kurz vor der Vertragsunterschrift mit den wahren Modalitäten herausgerückt“, entrüstet sich die Wertpapiermanagerin.

Sie zog ihre Lehren, beriet sich mit einem Headhunter und formuliert seither bei der Jobsuche ihre Wünsche offen und selbstbewusst. „Ich sage mittlerweile ganz direkt, dass ich 60.000 Euro verdienen möchte und fertig. Wir können gerne über 50.000 fix und 10.000 variabel sprechen, aber zu größeren Abstrichen bin ich nicht bereit.“ Die neue Zielstrebigkeit der 28-Jährigen trug ziemlich flott Früchte: Ende des Jahres beginnt sie als Vermögensberaterin bei einer Kölner Großbank.

Wahrscheinlich wäre sogar noch mehr drin gewesen, schätzt Henning. Aber da es unbedingt Köln sein sollte, wollte sie den neuen Job nicht auf den letzten Metern gefährden und vertagt weitere Forderungen auf das Ende der Probezeit. Fünf bis 15 Prozent mehr Gehalt können geschickte Verhandler bei einem Arbeitgeberwechsel rausholen. Wer mehr will, muss schon gute Argumente wie hochinteressantes Nischenwissen vorweisen.

Der automatische Gehaltsturbo aber ist im Jobwechsel längst nicht mehr eingebaut, bemerkt Michael Schäfer von der Personalberatung Mercuri Urval. Wer in der Boomphase der New Economy mit einem hohen Gehalt eingestiegen ist und jetzt einen neuen Job sucht, bewirbt sich mitunter sogar in ein niedrigeres Gehaltsniveau hinein. Das gilt vor allem für den IT- und Telekom-Sektor. „Statt Gehaltssprüngen sollte man da eher Stagnation oder Abstriche einplanen.“

Eine Trendwende, die viele Wechselwillige noch nicht in ihre Gehaltsvorstellungen eingepreist haben, wie der Berater immer wieder feststellt. Bewerber glänzen so nicht gerade durch aktuelle Marktkenntnisse und eine gute Vorbereitung.

Gute Zeiten zum Verhandeln 

Von diesen und anderen geplagten Branchen wie etwa dem Einzelhandel abgesehen, sieht es an der Gehälterfront durchweg wieder besser aus: „Wer in den letzten Jahren wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage auf eine Gehaltserhöhung verzichtet hat, kann mit guten Argumenten im kommenden Zielvereinbarungsgespräch das Thema ansprechen“, empfiehlt Kienbaum-Beraterin Wachsmann. Gehaltsgespräche sollten zum Standardrepertoire jedes Mitarbeiters gehören. Denn nach wie vor wird der Wert eines Angestellten wenig charmant in harter Währung gemessen. Und wer wenig verdient, ist weniger angesehen, so die kalte Realität. Deshalb dienen Gehaltsgespräche nicht nur dem finanziellen Fortkommen, sondern auch der Imagebildung.

„Die Firma hat ein Interesse daran, dass Sie einen guten Job machen. Und Sie schaden ihr nicht, wenn Sie fair bezahlt werden wollen“, findet Verhandlungs-Coach Martin Wehrle. „Viele befürchten, nach einer Gehaltserhöhung vom Chef weniger geliebt zu werden als vorher. Aber dem ist nicht so.“ Eine Bestandsaufnahme der eigenen beruflichen Erfolge aus der jüngsten Vergangenheit zeigt meist schnell, dass so manche Leistung ein Extrahonorar verdient hätte. Doch gefühlte Leistungssteigerung überzeugt noch keinen Chef. Der ist schon von Berufs wegen der geübtere Verhandler, trainiert darin, den anderen dahin zu dirigieren, wo er ihn haben will. „Das machen sich Mitarbeiter selten bewusst“, stellt Martin Wehrle fest. „Mit zehn Prozent ins Gespräch gehen, mit zehn wieder raus kommen, klappt deshalb nie. Es ist wie beim Fußball: Es reicht nicht, gut spielen zu lernen, man muss auch den Gegner studieren.“

Eine Erfahrung, die auch die 31-jährige Stefanie Röttgen* machen musste. Die Personalmanagerin aus Ulm hatte sich schon auf eine harte Nuss eingestellt, als sie begann, akribisch den Termin mit dem Vorstand vorzubereiten. Und tatsächlich biss sie sich beim ersten Anlauf zunächst mal die Zähne aus. Sie hatte ihre eigene Wertigkeit für ihren Chef falsch eingeschätzt. Denn als Mitarbeiterin im Backoffice einer IT-Beratung bringt sie keinen Umsatz ein, schreibt keine Rechnungen – stellt „nur“ Leute ein und schreibt Arbeitsverträge. Für den zahlenverliebten Chef nicht allzu wertvoll.

Erst im zweiten Anlauf – mit Vergleichszahlen von anderen Backoffice-Kollegen – gelang es ihr, ihm ein Gehaltsplus abzuringen. Weniger als geplant, aber mit acht Prozent mehr liegt sie immer noch deutlich über dem bundesdeutschen Gehaltsplus-Schnitt von etwa drei Prozent.  Auch Tobias Melzer, der Wirtschaftsingenieur, hat nach seinem fehlgeschlagenen Gespräch im Schwabenland heftig an den passenden Gehaltswünschen gefeilt und viel mit Freunden geprobt. „Ich habe mich dadurch bei meinen weiteren Terminen tatsächlich leichter getan. Das Bauchgrummeln, wenn die Gehaltsfrage gestellt wurde, hat deutlich abgenommen.“

Diese neue Sicherheit ist offensichtlich auch bei den Personalern gut angekommen: Vor wenigen Tagen hat Melzer einen Arbeitsvertrag bei einem mittelständischen Anlagenbauer unterschrieben.
* Namen geändert

Infos für Berufseinsteiger und Jobwechsler

Tarif und AT: Zwei Drittel aller Beschäftigten in Westdeutschland und die Hälfte im Osten werden nach Tarif bezahlt, Tendenz fallend. Die Tarifgehälter stiegen 2005 quer durch die Bank durchschnittlich um 1,6 Prozent. Das sieht seit diesem Jahr deutlich besser aus: Bank- und Metalltarif sehen drei Prozent Plus vor, die übrigen Abschlüsse 2,5 bis drei. Beim außertariflichen Gehalt (AT) sind turnusgemäß drei bis 3,2 Prozent Erhöhung drin.

Frauen und Männer: Frauen verhandeln beim Berufseinstieg fast immer weicher und bieten ihre Dienste billiger an, nur um den Job zu bekommen. Laut Statistik steigen Frauen zehn bis 15 Prozent tiefer ein als männliche Bewerber und machen die Differenz häufig zeitlebens nicht mehr wett. Personaler ärgert diese Bescheidenheit im Bewerbungsgespräch eher, als dass sie sie goutieren.

Gut bezahlte Jobs: Besonders attraktiv wird alles rund ums Ingenieurwesen entlohnt, vor allem Positionen in Forschung & Entwicklung, im Maschinenbau, in der Luft- und Raumfahrttechnik. Bei den Wiwis profitieren Vertriebler, während reine Marketing-Jobs eher schwächeln. Gut bezahlt werden derzeit auch Controller, IT- und Bilanzspezialisten sowie Finanzberater. Während die Finanzdienstleister inzwischen tiefer in die Tasche greifen, werden Newcomer in der Bank zehn bis 30 Prozent günstiger eingekauft als noch während der Boom-Phase bis vor fünf Jahren. Ärgerlich für die Banker, aber sie jammern auf recht hohem Niveau.

Dumping-Löhne: Kommen vor, sind aber kein Massenphänomen, sondern eher abonniert auf bestimmte Branchen. Grottig gezahlt wird bei Architekten, Juristen, Werbeagenturen.

Fixe und variable Vergütung: Die Aufsplittung des Gehalts in einen festen und einen leistungsabhängig bezahlten Teil ist mittlerweile gängig. Tarifmitarbeiter kommen auf rund zehn Prozent variable Bestandteile, die höhere Führungsetage auf 70 bis 80 Prozent. Die übrigen Hierarchien liegen abgestuft dazwischen. Vorteil von Boni & Co: Sie ermöglichen dem Chef wie dem Mitarbeiter mehr Flexibilität bei der Gehaltsgestaltung. Zurzeit erreichen die Leute unterm Strich meist ein paar Prozente mehr als ihre Zieltantieme.

Hochschulabschlüsse: Uni- und Master-Diplome sind in der Gehaltsabrechnung oft noch rund zehn Prozent mehr wert als FH- oder Bachelor-Abschlüsse. Die Differenz nivelliert sich aber zusehends. Manche Unternehmen unterscheiden schon gar nicht mehr oder bezahlen die schnelleren FH-Absolventen sogar leicht besser. Doktortitel und MBA bringen dort, wo sie den Job voranbringen, 500 bis 600 Euro mehr pro Monat. Wo die Titel Standard sind oder dem Unternehmen keinen Mehrwert bringen, werden sie nicht extra vergütet.

Abschlussnoten: Gute Zensuren erhöhen die Chancen auf eine Einladung zum Gespräch, schlagen sich aber nicht im Gehalt nieder.

Nichtakademiker: Der jahrzehntelang übliche Gehaltsvorsprung durchs Studium schwindet. Ein Viertel der Akademiker verdient heute schon nicht mehr als ein Angestellter ohne Diplom. Durch alternative Bildungswege rücken die Nichtakademiker auf, Absolventen steigen öfter niedriger ein.

Fach- und Führungskräfte: Wer Mitarbeiter unter sich hat, verdient bislang zehn bis 15 Prozent mehr als ein fachlich versierter Spezialist ohne Führungsverantwortung. Die Schere wird aber kleiner. Vor allem Großunternehmen gehen dazu über, ihre Spezialisten über eine gesonderte Entlohnungsschiene wie Manager zu bezahlen.

Berufserfahrung: Unternehmen honorieren derzeit fast ausschließlich Berufserfahrung. Nachwuchs muss aufwändig angelernt werden, produziert also erst mal weitere Kosten, und wird daher gerne günstig eingekauft. Der Ausbildungsaufwand wird von Absolventen oft unterschätzt.

Gehaltstipps für Einsteiger

Wird in einer Stellenanzeige um einen Gehaltswunsch gebeten, geben Sie ihn an. Wer dazu schweigt, riskiert Minuspunkte. Formulieren Sie klar und knapp: „Ich möchte zwischen 35.000 und 40.000 Euro verdienen.“ Oder: „Meine Gehaltsvorstellung liegt bei 38.000 Euro, wobei ich diesen Betrag vom Aufgabenbereich abhängig mache.“

Sprechen Sie im ersten Gespräch das Gehalt zum Ende des Termins kurz (!) an, sofern es der Personaler nicht schon getan hat. Ein neutrales „Planen Sie, die vertraglichen Konditionen in einem zweiten Gespräch zu klären?“, reicht als Signal. Wer das Thema Geld überhaupt nicht anschneidet, riskiert Bemerkungen wie: „Ich dachte schon, Sie wollten hier gratis arbeiten.“

Im zweiten Gespräch sollte das Gehalt ausführlich thematisiert werden. Äußern Sie Ihre Wünsche präzise. Mit Wischiwaschi („Mir schwebt da so etwas zwischen 30.000 und 50.000 Euro vor“) halten Sie sich nicht etwa alles offen, sondern verärgern nur den Verhandlungspartner. Umgekehrt gilt: Feilschen bis auf die letzten 100 Euro pro Jahr wirkt kleinkariert.

Spanne oder Fixgehalt angeben? Beides geht, solange die Angabe realistisch ist. Eine Spanne sollte zwischen 5.000 und 10.000 Euro betragen, Personaler ziehen allerdings fixe Angaben vor.

Wer hohe Forderungen stellt, muss auch Außergewöhnliches zu bieten haben. Studium, Auslandsaufenthalt und Praktika haben Ihre Mitbewerber auch. Was zieht, sind Spezialkenntnisse oder -fähigkeiten, die exakt zum Job passen. Höher pokern ist erlaubt, die Schmerzgrenze liegt jedoch bei 20 Prozent über dem üblichen Wert. Wer mehr verlangt, droht aus dem Rennen zu fliegen.

Verhandelt wird immer über Jahresgehälter. Klären Sie, aus welchen Komponenten sich die Vergütung zusammensetzt. Wird Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt? Ist es schon in der Summe enthalten? Wie sind fixe und variable Anteile aufgeteilt? Fragen Sie nach leistungsabhängigen Vergütungskomponenten. Das zeigt, dass Sie informiert sind, signalisiert Leistungsbereitschaft und eröffnet neuen Spielraum für die Gehaltsverhandlung.

Wenn Ihr Gesprächspartner zu Ihren Gehaltswünschen schweigt, haken Sie diplomatisch nach: „Dieses Gehalt scheint Ihren Vorstellungen zu entsprechen…“ Falls der Personaler verneint, fragen Sie nach: „Wo liegen denn Ihre Vorstellungen?“  Weicht die Gehaltsofferte des Unternehmens stark von dem ab, was Sie als realistisch recherchiert haben, haken Sie ruhig nach: „Nach meiner Kenntnis wird in der Branche deutlich mehr für eine solche Position bezahlt. Warum ist Ihr Angebot niedriger?“ Möglicherweise liegt man ja bei der Jobdefinition auseinander.

Proben Sie das Gespräch mit Freunden, damit Ihnen die Sätze später leicht über die Lippen gehen. Wählen Sie Formulierungen, mit denen Sie sich wohl fühlen. Vermeiden Sie allzu passive oder devote Satzkonstruktionen.
Aufsteiger Wenn Sie im Unternehmen bleiben, aber mehr verdienen möchten, fragen Sie nach einer Gehaltserhöhung auch dann, wenn nicht damit zu rechnen ist. Wer nicht gelegentlich den Arm hebt, geht nicht nur jahrelang leer aus, sondern büßt auch seine Wertschätzung beim Chef ein. Ein Turnus von ein bis zwei Jahren – je nach Wirtschaftslage – gilt als absolut angemessen.

Geld on top gibt es nur für zusätzliche Leistungen. Dazu zählen erfolgreich gestemmte Sonderprojekte, die Übernahme höherer Verantwortung oder größerer Aufgabenbereiche, nützliche Weiterbildung, selbst abgehaltene Seminare, Beiträge zur Kostensenkung und Akquise neuer Kunden. 

Vermeiden Sie persönliche oder veraltete Argumente wie: Die Kollegen verdienen mehr, das Leben ist teurer geworden, das Haus muss abbezahlt werden, letzte Erhöhung vor fünf Jahren, das erfolgreiche Projekt vor zwei Jahren.

Timen Sie das Gespräch strategisch clever: in ruhigeren Bürozeiten, am späten Morgen oder frühen Nachmittag, dienstags bis donnerstags – weit weg von Montags-Blues, Wochenend- oder Feierabendstimmung. Lassen Sie sich mindestens eine Stunde im Terminkalender des Chefs blocken und sagen Sie ihm ein paar Tage vorher Bescheid, damit er sich vorbereiten kann.

Stellen Sie sich auf die Eigenheiten Ihres Chefs ein. Liebt er Zahlen, rechnen Sie ihm Ihren Mehrwert des letzten Jahres vor. Lassen Sie sich niemals auf Vergleiche mit Kollegen ein. Sie wollen nur über Ihre Leistungen reden. Entwerfen Sie eine Gesprächsdramaturgie. Ihr bestes Pulver sollten Sie nicht gleich am Anfang verschießen, lieber den Chef erst mit ein, zwei Gegenargumenten kommen lassen und dann kontern.

Bereiten Sie sich auf die Gegenargumente vor. Üben Sie Formulierungen und lassen Sie Freunde den unwilligen Chef markieren. Beliebte Abbügler (schlechte Branchenlage, Unternehmenskrise) kontern Sie mit einer guten Vorrecherche. Stimmt das Argument nicht, arbeiten Sie vorsichtig die positiven Trends heraus und brechen Sie sie auf Ihre Anteile herunter: „Unser Auftragseingang ist um xy Prozent gestiegen, und ich habe der Konkurrenz drei langjährige Kunden abgeworben.“ Geht es Ihrem Laden tatsächlich schlecht, halten Sie den Ball flach und bieten Sie Gehaltsalternativen wie Weiterbildung an.

Definieren Sie Ihre Ziele. Wie viel Gehaltsplus soll es mindestens sein, wie viel ist realistisch? Welche Alternativen – zum Beispiel variabler Bonus, bezahlter Kindergartenplatz, Zuschuss zur Altersvorsorge, Dienstwagen – kämen in Frage? Ins Gespräch gehen Sie wie bei Tarifverhandlungen mit einer leicht höheren Forderung und lassen sich runterhandeln. Dann hat auch der Chef sein Gesicht gewahrt.

Zeigen Sie sich gesprächsbereit, wenn der Chef nicht gleich auf Ihre Forderungen einsteigt. Das ist sein Job. Argumentieren Sie weiter, bieten Sie Ihre Alternativen an. Auch eine Vertagung kann weiterhelfen. Bleiben Sie dran, lenken Sie nicht zu schnell ein, aber zeigen Sie sich flexibel – so holen Sie am sichersten mehr raus.

Gehaltstipps für Jobwechsler

Es ist völlig legitim, sich durch einen Jobwechsel auch finanziell verbessern zu wollen. Sagen Sie das ruhig und knüpfen Sie eine klare Gehaltsvorstellung an, etwa so: „Für diese Position halte ich 45.000 Euro für angemessen.“

Fragen nach Ihrem bisherigen Gehalt dürfen zwar eigentlich nicht gestellt werden, sind in der Praxis aber gängig. Seien Sie ehrlich und nennen Sie es, denn spätestens über die Lohnsteuerkarte kommt es heraus. Sie können Ihren alten Verdienst ja mit allen Sonderzahlungen etwas aufplustern.

Wenn Sie bislang mäßig verdient haben, reden Sie drüber. Das Ansprechen zeigt, dass Sie Ihren wahren Marktwert kennen. Ein Personaler kann damit leben, dass er Ihnen mehr zahlen soll – er darf nur nicht das Gefühl kriegen, dass er jetzt für die schlecht zahlende Konkurrenz büßen soll.

Argumentieren Sie mit dem Mehrwert, den Sie dem Unternehmen durch Ihre Berufserfahrung bringen. Besonders wertvoll: Nischenwissen, Spezialkenntnisse. Kein Argument für ein höheres Gehalt ist dagegen das Risiko des Jobwechsels. Ihr potenzieller Arbeitgeber versteht sich als Chance, nicht als Risiko für Sie.

Fahrplan zum eigenen Marktwert

Die Höhe eines individuellen Gehalts errechnet sich aus verschiedenen objektiven Faktoren wie Unternehmensbereich und Hierarchiestufe, Firmengröße, Branche und Region. Anhand der folgenden Tabellen können Sie das marktübliche Gehalt für Ihren aktuellen oder angepeilten Job herleiten. Grundsätzlich funktionieren die Faktoren sowohl einzeln als auch in Kombination. Achtung: Bei der kombinierten Anwendung kann es durch die Kumulation von Effekten in Extremfällen zu Ausreißergehältern nach oben wie unten kommen – beispielsweise, wenn ein Gehalt für ein großes Unternehmen, in einer Großstadt in einer gut bezahlten Branche ermittelt wird oder der Verdienst in einer kleinen Firma auf dem platten Land in einer unterdurchschnittlich zahlenden Branche. Besonders bei solch extremen Konstellationen empfiehlt sich ein Gegencheck durch weitere Info-Quellen wie etwa Brancheninsider.

1. Schritt: Suchen Sie in der ersten Tabelle Ihre Position/Hierarchiestufe im jeweiligen Unternehmensbereich. Hier ist das über alle Branchen hinweg ermittelte jährliche Durchschnittsgehalt angegeben.

2. Schritt: Multiplizieren Sie diesen Wert mit dem Ihrer Branche entsprechenden Index in Tabelle zwei. Dadurch wird gewürdigt, dass bestimmte Branchen wie Banken oder Pharmaunternehmen deutlich besser bezahlen als beispielsweise der Handel. Ist Ihre Branche in der Liste nicht vertreten, dann wählen Sie eine aus, die Ihren Informationen nach ähnlich zahlt.

3. Schritt: In der nächsten Tabelle wird die Unternehmensgröße, der durchschlagendste Faktor beim Gehalt, berücksichtigt. Konzerne zahlen durchgängig sehr viel besser als kleinere Unternehmen, erhalten also einen entsprechenden Aufschlag, während Mittelständler nach unten korrigiert werden. Im Falle von Großunternehmen wird dabei nicht die Konzerngröße zugrunde gelegt, sondern der Unternehmensteil, für den ein eigenes Gehaltsgefüge besteht.

4. Schritt: Das Leben in München ist teurer als in Berlin, auf dem Land lebt es sich günstiger als in der Stadt. Diese Unterschiede spiegeln sich auch im regionalen Gehaltsniveau.