Leben und arbeiten in Pyongyang

Karin Janz arbeitet als Entwicklungshelferin in Pyongyang. Mit dem Leben in Nordkorea hat sie sich arrangiert – und als Ausländerin hat sie einige Freiheiten.

Sara Kammler | 11.09.2018

Karin Janz ist eine von vielleicht 50 westlichen Ausländern in Pyongyang, der Hauptstadt des noch immer weitgehend gegen die Außenwelt abgeschotteten Nordkoreas. Die 49-Jährige arbeitet seit über drei Jahren als Landeskoordinatorin bei der Welthungerhilfe. Sie betreut Projekte im land-, forst- und wasserwirtschaftlichen Bereich in Nordkorea. „Wie können wir die Ernte verbessern, wie mehr Dünger produzieren oder Obstbäume pflanzen?“, sind Fragen, die sie und ihre sieben deutschen sowie 25 nordkoreanischen Mitarbeiter beschäftigen. Bei der Arbeit wie auch im täglichen Leben muss sie sich immer wieder an die nordkoreanischen Gegebenheiten anpassen. 

Offiziell bekommen nur Verwandte ersten Grades ein Visum

Die Frau mit den kurzen, blonden Haaren wollte nach Pyongyang. „Die Stadt hat mich gereizt, weil es Ähnlichkeiten zwischen ihr und dem früheren, sozialistischen China gibt.“ Wie etwa die Organisation der Landwirtschaft oder die konfuzianische Lebensweise. Fast 20 Jahre lang hat Janz zuvor in China gearbeitet. Der Entwicklungshelferin macht es zu schaffen, dass sie Familie und Freunde kaum sieht. Offiziell bekommen nur Verwandte ersten Grades ein Visum. Bei Freunden sei dies noch viel schwieriger. Gerade ihren jüngeren Mitarbeitern falle es schwer, sich auf die Umstände im Land einzulassen, und dass sie sich nicht überall frei bewegen können. „Manche“, sagt Janz, “ fühlen sich sogar verfolgt.“ Sie schickt sie deswegen alle drei Monate nach Peking, wo sie keinen Beschränkungen unterliegen und einfach mal einkaufen oder ins Kino gehen können. Sie selbst reist öfter dienstlich in die Hauptstadt Chinas.

Die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Kollegen funktioniere gut. Zum Glück, denn durch harte Beschränkungen ist sie auf diese angewiesen. „Ich kann nicht einfach in einem Ministerium anrufen und etwas fragen, das machen die nordkoreanischen Kollegen“, sagt sie. Der Beziehung zwischen Deutschen und Nordkoreanern sind klare Grenzen gesetzt: Janz kann zwar mit ihnen abends ein Bier trinken oder sie zu sich zum Essen einladen, allerdings müssen die Gäste dies vorher vom Außenministerium bewilligen lassen. Eine weitere Einschränkung: Sie kann ins Ausland telefonieren und auch Ausländer anrufen, aber wenn sie ihre nordkoreanischen Kollegen erreichen will, kann sie nicht einfach zum Telefonhörer greifen. „Es gibt drei Telefonnetze in Nordkorea: Eins für Ausländer, eins für die Koreaner untereinander und eins für das Militär“, erklärt die Entwicklungshelferin.

Vorteile für Ausländer

Als Ausländerin genießt Janz einige Vorteile, wie etwa freien Internetzugang, statt des staatlich kontrollierten Intranets. Dank einer Satellitenschüssel empfängt sie auch Deutsche Welle und nicht nur koreanisches Staatsfernsehen. „Ein riesiges Schwimmbad ist einmal in der Woche für Nordkoreaner gesperrt, dann dürfen da nur westliche Ausländer schwimmen“, erzählt sie. In Pyongyang selbst kann sie sich frei bewegen. „Ich darf auch Fahrrad fahren“, sagt sie – im Gegensatz zu den Nordkoreanerinnen, für die das als unschicklich gilt. Begrenzt kann Janz ihren Dienstwagen privat nutzen. Der hat ein Diplomatenkennzeichen, so dass sie die Wachposten an den Stadtausgängen durchwinken, ohne dass sie eine Genehmigung, die Stadt verlassen zu dürfen, vorweisen muss. Oft fährt sie nach Nampo, einer Stadt an der Westküste. Um weiter wegzufahren, reichen ihre Befugnisse nicht. Aber: „Ich habe eine Freundin, die bei der deutschen Botschaft arbeitet, und die sich in einem weiteren Umfeld frei bewegen kann.“ Mit ihr macht sie Ausflüge in die Berge.

Janz hat sich mit den Einschränkungen, die das Leben in Pyongyang mitbringt, arrangiert. Zugute kommt ihr dabei ihre jahrelange Erfahrung des Lebens in China. Ihr Zuhause ist eine Wohnung in einem Plattenbau aus den 80ern mit Balkon und Grünfläche drum herum. Dort wohnen Ausländer unter sich. Das Sozialleben spielt sich größtenteils innerhalb der Gemeinschaft westlicher Expatriats ab. Die Deutsche Botschaft bietet wöchentlich einen Kneipenabend an, dazu kommen ein Buchklub und Filmvorführungen. Einer Zensur unterliegen die Bücher und Filme, die sie ins Land mitbringt, nicht. „Was wir untereinander machen, ist den Nordkoreanern egal“, sagt Janz. „Pyongyang ist eine sichere Stadt, Kriminalität gibt es nicht“, erzählt sie. Nachts seien kaum Leute auf der Straße und es gebe nur wenig Autos. „Wenn ich die 3,5 Kilometer von der deutschen Botschaft nachts nach Hause laufe, ist mein einziges Problem, dass es keine Straßenbeleuchtung gibt.“

„Die Stadt kann bedrohlich wirken“

Es gebe auch keine Reklameschilder in der Stadt. Anfangs habe sie das fast entspannend gefunden, später dann langweilig. Auch Läden und Schaufenster gibt es in Pyongyang kaum, und „die sind versteckt“, erzählt die 49-Jährige. Für eine 2,5 Millionen-Einwohner-Stadt sei es sehr ruhig. „Die Stadt kann bedrohlich wirken. Wie man sie letztendlich erlebt, hängt stark von einem selbst ab. Wenn man so wenig Sinneseindrücke von außen hat, ist die eigene Stimmung umso wichtiger.“ Ihr helfe das Gefühl, dass sie im Land etwas bewegen kann und „Idealismus und Optimismus brauche ich für meine Arbeit sowieso“. Janz findet Pyongyang mit seinen Parks und den breiten Alleen sogar schön – allerdings vor dem Hintergrund, dass sie es alle paar Monate verlassen kann.

Durch ihre Arbeit kommt sie öfter raus aufs Land. Diese Reisen melden ihre koreanischen Mitarbeiter eine Woche vorher bei dem Außenministerium an. „Man sieht kaum, dass es der Bevölkerung schlecht geht“, sagt Janz. Viele Leute gingen zwar zu Fuß und würden Sachen schleppen, oder sie mit dem Rad transportieren. „Aber Kinder mit Hungerbäuchen sehe ich nicht, und die Menschen sind relativ gut gekleidet.“ Wahrscheinlich dürften manche Bevölkerungsgruppen gar nicht auf die Straße gehen. Mit der nordkoreanischen Bevölkerung in Kontakt zu treten sei schwierig. Manchmal, sagt Janz, kommt sie an Feiertagen im Park mit Familien ins Gespräch. „Die Koreaner machen ein Picknick, trinken Schnaps und es herrscht gute Stimmung.“ Themen sind Liebe, Beziehung und Kinder. Über Politik redet man nicht.