Wie Sie die Machtspielchen der Kollegen durchschauen

Wenn Sie diese sieben Fehler in Meetings vermeiden, gehen Sie als Sieger hervor.

Claudia Obmann | 11.07.2019
Taktiken Meeting Machtspielchen Kollegen Karriere

In geschäftlichen Besprechungen geht es um Inhalte? Weit gefehlt. Viel öfter sind Meetings der Ort für Machtspielchen. „Jeden Tag werden wir manipuliert in Meetings“, sagt Karriereberater Martin Wehrle, der sich mit schwarzer Rhetorik im Geschäftsleben beschäftigt. Unterbrechungen, Killerphrasen, Sticheleien, ja sogar Beleidigungen und Drohgebärden wenden diejenigen an, die bei Präsentationen und Diskussionen erst mal den Rang der Teilnehmer klären und ihr Revier abstecken wollen, bevor sie sich der Sache zuwenden.

Sogar der Sitzplatz am Konferenztisch spielt eine Rolle, wenn es darum geht, wer sich mit seinen Ideen oder seiner Meinung durchsetzt. Es gehe darum, vor dem Chef gut dazustehen, im Konkurrenzkampf um mehr Budget oder Personalverantwortung zu punkten oder die Arbeit der eigenen Abteilung glänzen zu lassen. Wehrle: „Und dass Publikum im Raum ist, spornt zu unnötigen Schaukämpfen an.“

Das liegt nicht jedem. Häufig sind es Männer, die so verfahren, aber nicht ausschließlich, hat die US-Soziolinguistin Deborah Tannen schon Anfang der 90er-Jahre festgestellt. Egal, ob männlich oder weiblich – wer beruflich aufsteigen will, muss sich der Machtmechanismen in Diskussionen bewusst sein. Und wissen, wie man sich geschickt verhält, prallt man auf ausgeprägte Machtmenschen unter Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden.

Das Richtige zum richtigen Zeitpunkt sagen und tun – darauf kommt es an. Hier verraten Experten die sieben gravierendsten Fehler in puncto Macht in Meetings – und wie Sie sie geschickt umgehen.

Das sollten Sie in Meetings niemals tun: 

Fehler 1: Unterbrechungen hinnehmen  

Situation:
Die Marketingmanagerin eines Konsumgüterkonzerns präsentiert intern das Projektergebnis vor einer größeren Gruppe. Es geht um Ideen für eine neue Produktlinie. Kaum hat sie angefangen: „Und was die Dachmarke angeht, haben wir …“, fällt ihr ein Kollege ins Wort: „Mit ‚wir‘ meinst du wohl ‚dich‘.“

Die Abteilungsleiterin ist perplex. Sie denkt: „Wie unhöflich.“ Und schweigt irritiert. Woraufhin der Kollege betont, welchen Anteil seine Abteilung an der Entwicklung hat. Und sich die Zuhörer ihm zuwenden.

Risiko:
Wer das Wort hat, hat im wahrsten Sinne das Ansehen – alle Augen sind auf ihn gerichtet. Karriere-Berater Martin Wehrle weiß, „wer einen anderen unterbricht, erhebt sich selbst über den Referenten. Der Leiter einer Sitzung tut gut daran, solche Unterbrechungen bestimmt zurückzuweisen. Verfällt er dagegen in Sprachlosigkeit, signalisiert er Unterlegenheit.“

So geht’s besser:
Die Managerin muss auf die Unterbrechung sofort reagieren. Etwa so: „Stopp! Ich höre mir deine Meinung an – sobald ich fertig mit meinen Ausführungen bin.“ Wehrles Kommentar: „Durch das resolute ‚Stopp‘ setzt sie dem Störenfried verbal eine klare Grenze. Und spätestens, als sie die Spielregeln für die Diskussion definiert, gelangt sie zurück in den Status des Meetingleiters und somit in den überlegenen Rang.“

Wichtig dabei ist ihre nonverbale Kommunikation. Also Pokerface aufsetzen und an den richtigen Stellen eine Pause einlegen. Heißt konkret: Nach dem „Stopp“-Befehl den Kontrahenten fest in den Blick nehmen, ihn mustern und erst dann laut und langsam weitersprechen.

Wer will, greift zusätzlich noch in die Trickkiste der Körpersprache: Der Befehl lässt sich unterstreichen, in dem man die rechte Hand wie ein Polizist vorstreckt, der den Verkehr anhält. Lässt sich der Kontrahent davon nicht einschüchtern, wiederholen Sie den Befehl „Stopp!“, und verkürzen Sie dann die Anrede auf „Erst ich, dann du“.

Werden Sie dabei raumgreifender, und signalisieren Sie Angriffsbereitschaft, indem Sie sich auf Ihre breit auseinander aufgestellten Hände auf der Tischplatte stützen und dabei leicht vorbeugen. Eisiger Blick, vernichtendes Schweigen. Das verschafft den nötigen Respekt. 

Fehler 2: Falschen Platz wählen

Situation:
In einem größeren Meeting setzt sich der Experte des Themas weit weg von den Entscheidern, die sich um das Kopfende des Tischs versammelt haben. Er versucht mehrere Male vergeblich, mit seinem Wissen in die Diskussion einzugreifen, und wundert sich, warum er nicht gehört wird.

Risiko:
„Wer sich zu weit weg vom Machtzentrum hinsetzt, wird nicht als relevanter Entscheider wahrgenommen, sondern eher als Zuhörer empfunden“, weiß Monika Matschnig, Psychologin und Expertin für Körpersprache.

So geht’s besser:
„Wer sich durchsetzen und dabei auf den geringsten Widerstand stoßen will, setzt sich an den Kopf des Tischs“, sagt Psychologin Matschnig. Studien zeigten, dass Personen auf diesem Platz des klassischen „Vorsitzenden“ am meisten reden und den häufigsten Blickkontakt erhalten. 
„Nicht vergessen sollte man allerdings, dass derjenige auf diesem Platz sich in gewisser Weise auch vom Team abgrenzt, was eine intensive Zusammenarbeit stören könnte.“ Der Grund: Auf dieser Position werden Ideen, Vorschläge oder Statusberichte nur an ihn gerichtet. Die anderen Teilnehmer werden kaum bis gar nicht beachtet. Das dämpft ihr Engagement genauso wie ihre Diskussionsfreude. 
Wer dagegen in einer großen Runde lieber eine gute Beziehung zu allen Teammitgliedern herstellen will, um den intensiven Austausch und die Zusammenarbeit zu fördern, setzt sich an einer Tischseite in die Mitte. „Um die Kontrolle zu behalten, am besten mit Blickrichtung Tür“, rät die Expertin. Bei dieser Sitzordnung sind alle Mitglieder wesentlich aktiver an einem Meeting beteiligt.

Für beide Varianten der Sitzordnung gilt: Die unmittelbare Nähe zum Chefsessel unterstreicht die persönliche Wichtigkeit und erhöht die Aufmerksamkeit aller Anwesenden für die eigenen Argumente. 

Fehler 3: Ideenflut bremsen

Situation:
Der neue Chef hat gefühlt 100 Ideen am Tag, wie er das Unternehmen voranbringen kann. In Meetings überhäuft er seine Mitarbeiter mit Aufträgen für innovative Produkte und mit Projekten, von Kundenakquise bis Talentmanagement. Seine Kollegen wissen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht und wie sie das alles bearbeiten sollen.

Risiko:
Mit durchaus berechtigten Einwürfen wie „Letzte Woche wollten Sie doch noch …“ stehen Sie in den Augen eines aktionistischen Vorgesetzten schnell als Nörgler und Querulant da. „Das wird mir zu viel“ oder „Das schaff ich nicht“ wirft ebenfalls ein schlechtes Licht auf Ihre Leistungsbereitschaft.

„In beiden Fällen ist der Chef genervt, weil er den Eindruck hat, er wird in seiner Kreativität und Innovationslust von Ihnen ausgebremst“, sagt Berater Klaus Schuster.

So geht’s besser:
Einen Chef mit vielen Ideen muss man geschickt angehen. Der sieht sich in der Rolle des Impulsgebers. „Als fleißiger Umsetzer, Projektmanager und Verwalter von Excel- und To-do-Listen versteht er sich dagegen nicht. Dafür sind doch seine Mitarbeiter da“, sagt Schuster. Also werden Sie zum Organisator seines Schaffensdrangs, und verhelfen Sie ihm zu konkreten Ergebnissen. „Reagieren Sie positiv auf seinen Vorschlag, etwa so: ‚Gute Idee, ich rede darüber gleich mal mit dem Kollegen Sowieso’“  Anschließend bitten Sie darum, dass er Ihre Priorisierung abnickt: „Das, was Sie mir letzte Woche aufgetragen haben, stelle ich dafür zurück. Das ist für Sie doch okay?“ Schuster: „Dieser Cheftypus hat nicht selten seine vorherigen Aufträge schon längst wieder vergessen. Im Idealfall freuen beide sich später nach gelungener Umsetzung über das gemeinsame Ergebnis.“ 

Fehler 4: Aggression schüren

Situation:
Ein IT-Leiter stellt die Neuorganisation seiner Abteilung vor, die künftig nach Scrum arbeiten soll, um schneller neue Applikationen für Kunden programmieren zu können. Scrum ist ein Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements, insbesondere bei der Softwareentwicklung.

Doch kaum hat er zwei Sätze gesagt, grätscht ihm der Vertriebschef auch schon dazwischen: „Was soll der New-Work-Quatsch? Das ist doch nur was für Weicheier. Was wir brauchen, sind Führungskräfte, die ihren Leuten ordentlich Dampf machen.“

Risiko:
„Wer hier wegen der unterschwelligen Beleidigung Rot sieht und auf Konfrontationskurs geht, kann nur verlieren. Denn jemand, dessen Hemmschwelle so niedrig ist, dass er aus nichtigstem Anlass dermaßen abwertend poltert, scheut auch nicht davor zurück, die nächste verbale Keule zu zücken“, sagt Management-Coachin Gudrun Happich, Chefin des Kölner Galileo Instituts.

Und diese müsste der davon Betroffene ja dann auch wieder kontern. „Eine fatale Aggressionsspirale, bei der die meisten von uns nicht gewinnen können.“

So geht’s besser:
Ein kluger Konter in dieser angespannten Situation wäre ein neutraler Satz wie dieser: „Ich verstehe, dass Sie zu dieser Meinung kommen.“  Oder allgemeiner noch: „Interessante Haltung.“ Um dann mit der Formulierung „Ich meine, es ist so und so …“ die beiden gegensätzlichen Positionen quasi nebeneinanderzustellen und die eigenen Ausführungen souverän fortzusetzen.

Zu dieser Strategie rät Gudrun Happich. Denn: „Wichtig ist es, auf solche Verbalattacken weder emotional noch mit einem Gegenangriff und auf gar keinen Fall mit einer Rechtfertigung zu reagieren“, damit die Aggressivität nicht noch weiter geschürt wird und man andererseits auch keine Angriffsfläche bietet. 

Fehler 5: Im Ton vergreifen

Situation:
In einer hitzigen Debatte, ob ein Unternehmen in eine völlig neue Produktsparte durch massive Zukäufe im Ausland investieren soll, rutscht die Stimme des größten Gegners der Erweiterungspläne nach oben. Und plötzlich wendet sich die Meinung der Diskussionsteilnehmer, die zunächst mehrheitlich ebenfalls dagegen tendierten, den Befürwortern zu. Deren Sprecher argumentiert in gleichbleibend sonorer Tonlage.

Risiko:
Verrutscht die Stimmlage, wirkt ein Sprecher erregt, aggressiv, unkontrolliert. „Das ist vor allem für weibliche Diskussionsteilnehmer gefährlich – es wird ihnen leicht als hysterisch ausgelegt“, sagt Psychologin und Körperspracheexpertin Matschnig. Was unbewusst dazu beiträgt, dass sich das Machtverhältnis verschiebt.

So geht’s besser:
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen mit tiefer Stimme dominanter, attraktiver, kompetenter und vertrauenswürdiger wirken. Besonders überzeugend wirkt, wer noch dazu am Satzende bewusst mit der Stimme nach unten geht. Schon die ehemalige englische Regierungschefin Margaret Thatcher wusste um die Macht einer tiefen Stimme.

Ganz gezielt senkte die „Eiserne Lady“ ihre Stimme durch intensives Training um eine halbe Oktave.  Matschnig sagt: „Wer so weit nicht gehen möchte, sollte unbedingt bewusst darauf achten, in hitzigen Diskussionen in der persönlichen entspannten Indifferenzlage zu bleiben.“

Dafür hat die Psychologin einen einfachen Trick: „Denken Sie an Ihr Lieblingsgericht, summen Sie gedanklich dazu ein ‚mmhh‘ – und sprechen Sie dann in dieser Tonlage weiter.“

Fehler 6: Bedenken vor Publikum äußern

Situation:
Die Geschäftsführung hat einen Großauftrag eines neuen prestigeträchtigen Kunden in den USA an Land gezogen und stellt das Projekt den Bereichsleitern vor. Der Vorstandschef des Mittelständlers ist begeistert. Der Finanzleiter dagegen hat Bedenken, dass sein Unternehmen, das für den Auftrag eine neue Produktionsstätte im Ausland errichten müsste, durch diese Investition finanziell in Schieflage geraten könnte.

Risiko:
„Angemessene Kritik ist gut und wichtig. Jeder Chef sollte sie zu schätzen wissen, denn nichts ist schlimmer als Jasager“, sagt Unternehmensberater Schuster. Er weiß aber auch, dass es dafür auf den richtigen Moment ankommt. „Und in dieser Ankündigungssituation ist das Risiko extrem groß, mit Einwänden den begeisterten Chef vor Publikum zu düpieren“, warnt Schuster.

So geht’s besser:
Damit der Vorgesetzte nicht sein Gesicht verliert, rät der auf Unternehmenssanierungen spezialisierte Berater dem Experten dazu, seine Einwände zunächst für sich zu behalten und erst nach dem großen Auftritt um ein Gespräch unter vier Augen zu bitten. „Es ist keine Jubelarie nötig. Leiten Sie Ihren Wunsch einfach mit den Worten ein: ‚Tolle Chance, die sich uns da bietet.  Ich möchte gern die Optionen besprechen, wie wir das Projekt finanziell gestemmt bekommen.’“ Schildern Sie bei diesem späteren Treffen dann aber nicht nur, was Ihnen Sorge bereitet, sondern bieten Sie möglichst auch gleich einen konkreten Lösungsvorschlag an. Am besten in schriftlicher Form, sodass der Geschäftsführer eine Kalkulation oder ein Finanzkonzept bei der nächsten Zusammenkunft gleich seinen Managern zur Diskussion vorlegen kann. Oder, falls er bereit ist, die Anerkennung mit Ihnen zu teilen, es auch von Ihnen selbst präsentieren zu lassen.

Fehler 7: Zu wenig Blickkontakt

Situation:
Zwei gleichrangige Experten, eine Frau und ein Mann, leiten eine Arbeitsgruppe, deren Ergebnisse sie vor der Geschäftsleitung gemeinsam präsentieren sollen. Sie nehmen am Konferenztisch nebeneinander Platz. Vor Beginn des Meetings schaut er ein paar Mal kurz seitlich zu ihr, bevor er ihr eine Kopie der Diskussionsunterlagen zuschiebt – wortlos und ohne sie dabei eines Blickes zu würdigen.

Sie denkt: „Was habe ich falsch gemacht?“ und ist so irritiert, dass sie ihm entgegen ihrer Absprache die Begrüßung der Teilnehmer und die komplette Ergebnispräsentation überlässt.  

Risiko:
Es heißt nicht umsonst „wenn Blicke töten könnten“ – unsere Augen zählen zu den schärfsten Waffen der non-verbalen Kommunikation. Der Blick verrät auch etwas über Status und Dominanz.

Körpersprache-Expertin Monika Matschnig weiß: „Jemanden keines Blickes zu würdigen, während man mit ihm interagiert, demonstriert die eigene Überlegenheit. Der seitliche Blick drückt außerdem Geringschätzung oder Misstrauen aus.“

So geht’s besser:
Die Expertin sollte sich nicht einschüchtern lassen, sondern schnellstens zur Wehr setzen: Zur vollen Größe aufrichten und wie geplant mit Ihrem Part der Präsentation beginnen. Bei der Begrüßung jedem Meeting-Teilnehmer direkt in die Augen schauen, um Selbstsicherheit zu demonstrieren.

Körpersprache-Expertin Matschnig weist darauf hin: „Im Allgemeinen wird der Blickkontakt als Einladung zur Aufmerksamkeit und Kommunikation verstanden.“ Die Psychologin rät: Suchen Sie daher in einem Meeting immer wieder den Blickkontakt mit Ihrem Gesprächspartner.“ Wie intensiv dieser ist, hängt von Thema, Persönlichkeit und dem Verhältnis der beiden zueinander ab.

In der Regel blickt der Hörer den Sprecher rund 75 Prozent der Dauer der Konversation an, wohingegen der Sprecher den Hörer bloß um die 40 Prozent der Gesprächsdauer anschaut. Eine erweiterte Pupille kann dabei ein Zeichen von Interesse sein, aber auch von Angst. Auf den Kontext kommt es an. Das Wegblicken auf einen anhaltenden Blick hin signalisiert dem Gegenüber, dass seine Dominanz akzeptiert wird.