Künstliche Intelligenz: Kaum KI-Einsatz in Unternehmen und zu wenige KI-Experten

Obwohl die große Mehrheit der Unternehmen KI für die wichtigste Zukunftstechnologie hält, ist ihr Einsatz in Deutschland gering. An den Hochschulen werden zu wenig KI-Experten ausgebildet.

Anne Koschik | 19.11.2021
KI kann beispielsweise bei der automatisierten Buchung von Zahlungen und bei der automatisierten Beantwortung von Anfragen oder Reklamationen helfen.

Künstliche Intelligenz I KI kann beispielsweise bei der automatisierten Buchung von Zahlungen und bei der automatisierten Beantwortung von Anfragen oder Reklamationen helfen.

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Das bestätigen etwa drei Viertel der Unternehmen mit 20 oder mehr Mitarbeitern in Deutschland. Doch sie verwenden diese Technologie bislang praktisch nicht. Nur sechs Prozent der Unternehmen nutzen KI. Und lediglich jedes fünfte Unternehmen plant oder diskutiert darüber, KI bei sich einzusetzen, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 603 Unternehmen aller Branchen mit 20 oder mehr Mitarbeitern im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Die Zahlen haben sich zwar im Vergleich zum vergangenen Jahr verdoppelt, aber insgesamt ist der KI-Einsatz noch deutlich zu gering, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

„Wir haben bei Künstlicher Intelligenz kein Erkenntnis-, sondern ein massives Umsetzungsproblem“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Die Mehrheit tut sich schwer damit, dieses Wissen für das eigene Geschäft zu nutzen.“

Zu wenig Professoren für die Spezialisten-Ausbildung

Ein Problem dürfte sein, dass es noch nicht genug hochausgebildete Spezialisten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz gibt. Die Unternehmen wünschen sich bei KI mehr Impulse aus der Forschung. Der traut zurzeit nur gut ein Drittel der Unternehmen wirklich etwas zu und meint, dass Deutschland auf diesem Gebiet mit zur Weltspitze zählt.

Auch die KI-Strategie der Bundesregierung reicht nach Ansicht von knapp 40 Prozent der Firmen nicht aus, um Wirtschaft und Gesellschaft auf KI vorzubereiten. Diese sieht unter anderem vor, 100 neue KI-Professuren in Deutschland zu schaffen, um die KI-Forschung zu stärken. Allerdings sind nach mehr als einem Jahr erst zwei Professuren besetzt worden, bei rund zehn weiteren ist das Verfahren weit fortgeschritten.

So wird es schwer, mehr KI-Experten an deutschen Hochschulen auszubilden. Dies erhoffen sich allerdings zwei Drittel der Unternehmen. Aktuell gibt es 164 KI-Professuren an Universitäten in Deutschland, die meisten davon in Baden-Württemberg (39), Bayern (30) und Nordrhein-Westfalen (23), die wenigsten in Sachsen (2) und Mecklenburg-Vorpommern (1).

Der Bitkom-Verband hat deshalb einen Maßnahmenkatalog ausgearbeitet, der unter anderem einen „Lehrstuhl 2.0“ anregt. Vorreiter sind hier weltweit führende Universitäten, wo KI-Professoren oft nur in Teilzeit vor Ort lehren und forschen und zugleich ihr eigenes Start-up leiten oder führende Forschungsaufgaben bei großen Unternehmen übernehmen. „Mit einem KI-Lehrstuhl-2.0 stärken wir nicht nur die Forschung, wir schaffen auch einen deutlich besseren Transfer der Forschungsergebnisse aus der Wissenschaft in die Wirtschaft“, ist sich Bitkom-Präsident Berg sicher.

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KI als Bedrohung der deutschen Kernindustrie

Dass so viele KI-Spezialisten fehlen, bedroht den deutschen Fortschritt und die Wirtschaft. So erwarten mehr als 80 Prozent der Unternehmen, dass ausländische Digitalunternehmen durch ihre führende Stellung bei KI zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz deutscher Kernindustrien wie etwa der Automobilbranche werden.

Mehr als jedes vierte Unternehmen sieht in KI bereits eine Gefahr, knappe ein Fünftel hält die eigene Existenz für bedroht.

Die Chance von Künstlicher Intelligenz haben immerhin 55 Prozent der Unternehmen entdeckt. Bei größeren Mittelständlern und Konzernen ist diese Erkenntnis noch weitaus stärker verbreitet: Zwischen drei Viertel und vier Fünftel setzen auf die Schlüsseltechnologie der Zukunft.

14 Prozent aller Unternehmen gehen allerdings davon aus, dass KI gar keine Auswirkungen auf das eigene Geschäft hat. Vermutlich ein fataler Irrtum: „Zu erwarten, dass man selbst davon nicht berührt wird, ist ungefähr so plausibel wie zu glauben, man werde beim Versteckspiel nicht gefunden, wenn man sich nur fest genug die Augen zuhält“, so Achim Berg.

KI-Einsatz in Unternehmen

Noch sind fortgeschrittene KI-Anwendungen eher die Ausnahme. Aber zwei Drittel der Unternehmen nutzen KI im Marketing für so genanntes Targeting und personalisierte Werbung. Bei 40 Prozent der Unternehmen unterstützt KI bei der automatisierten Buchung von Zahlungen und bei der automatisierten Beantwortung von Anfragen oder Reklamationen.

Etwa ein Drittel gibt an, KI für die Preisoptimierung zu nutzen und jedes vierte Unternehmen für die vorausschauende Wartung. Außerdem hat KI schon in vielen Unternehmen seinen Platz in der Planung von Transportrouten oder zur Erstellung automatisierter Forecasts.

Zur Vorauswahl von Bewerbern setzen lediglich zwei Prozent der Unternehmen KI ein. Fehlanzeige auch bei der Produktentwicklung, etwa durch Simulationen: Nur ein Prozent der Unternehmen hat hier den KI-Vorteil erkannt.

KI zur Mitarbeiter-Entlastung

Durch den KI-Einsatz erhofft sich rund jedes zweite Unternehmen, dass Mitarbeiter entlastet und menschliche Fehler im Arbeitsalltag vermieden werden. Ein Drittel erwartet schnellere und präzisiere Problemanalysen. Und gut jedes vierte Unternehmen rechnet mit einem reduzierten Ressourcenverbrauch und einer geringeren Umweltbelastung.

Wenn KI also die Mitarbeiter entlastet, könnten die sich künftig auf auf wichtigere Aufgaben konzentrieren. Auch baut man darauf, dass KI Fachwissen liefert, das sonst nicht vorhanden wäre.

Von einer Kostenersparnis oder der Chance, völlig neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, sind  jedoch erst die wenigsten Unternehmen überzeugt.

Deshalb sind auch nur die wenigsten Unternehmen bereit, in Künstliche Intelligenz zu investieren. Die große Mehrheit hat keine entsprechenden Pläne. Als Hauptgründe nennen die befragten Manager und Unternehmer fehlende Zeit und dass es im Unternehmen niemanden gibt, der sich um das Thema kümmert.

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