Fit am Arbeitsplatz: Wie leichtfertig Männer ihre Gesundheit gefährden

Viele Männer denken, sie sind eine Maschine. Mit fatalen Folgen. Ein Gesundheitsforscher zeigt einen Ausweg in sieben Schritten.

Anne Koschik | 17.11.2021
Das Herz braucht Training, um gut zu funktionieren: Ein EKG gehört zum Gesundheitscheck für Manager dazu. Ärzte empfehlen Ausdauersport zur Stärkung des Herzmuskels.

Funktionstest des Herzens Das Herz braucht Training, um gut zu funktionieren: Ein EKG gehört zum Gesundheitscheck für Manager dazu. Ärzte empfehlen Ausdauersport zur Stärkung des Herzmuskels. © Karriere Foto: imago images / Panthermedia

Das Thema Gesundheit lassen Männer traditionell gerne links liegen. Selbst in Coronazeiten: Auch wenn mehr Männer an den Folgen des Coronavirus sterben, lassen sie sich vor der Sorge krank zu werden weniger beeinflussen als Frauen, wie eine aktuelle Erhebung der Universität Erfurt belegt.

„Die Mehrzahl der Männer denkt, ihr Körper sei eine Maschine“, erklärt Präventionsexperte Michael Despeghel. Er forscht und lehrt an der Universität Gießen zum Thema Gesundheitsverhalten und stellt fest: „Männer sind überzeugt, dass immer alles so funktioniert, wie es zu funktionieren hat. Und sie sind Weltmeister im Verdrängen.“

Das hat Folgen. So sorgen sich etwa Dax-Unternehmen um ihre Führungskräfte und schicken sie regelmäßig zu Manager-Checks. Doch in den meisten Unternehmen gibt es keine klaren Regelungen. Was also können Manager und Mitarbeiter selbst für ihre Gesundheit tun?

Klar: Es gibt schon einige, die treiben regelmäßig Sport, essen Obst und Gemüse und lassen Stress Stress sein. Aber reicht das, um am Arbeitsplatz das Beste zu geben? Speziell jetzt, isoliert im Homeoffice?

Zusammen mit dem Präventionsexperten Michael Despeghel hat karriere.de sieben Schritte für den gesundheitlichen Erfolg herausgearbeitet:

Schritt 1: Schluss mit dem Verdrängen

Männer reagieren auf gesundheitliche Gefahren in der Regel nur in zwei Fällen:

a) Sie spüren Betroffenheit – körperlich oder mental:
Schichtarbeiter sind zum Beispiel häufig physisch so überangestrengt, dass sie freiwillig pausieren, ihre Leistung herunterfahren. Das zeigen Studien wie die des British Journal of Medical über das Gesundheitsverhalten von Männern. Auch ein großer Bauchumfang von mehr als 100 Zentimetern macht Männern das Leben schwer. Und er ist gefährlich: 63 Prozent der Männer leiden darunter und werden über kurz oder lang Folgeschäden wie Diabetes oder Herzkrankheiten davontragen.

b) Eine kompetente Person macht ihnen persönliche Nachteile bewusst:
Die Coronakrise ist medial umfassend präsent. Virologen und Politiker zeigen auf, wo es gefährlich werden kann. Und die Unternehmen haben bereits reagiert: Sie schließen die Standorte, verlagern die Arbeit ins Homeoffice, melden Kurzarbeit an oder kündigen Personal. Verdrängen ist da schier unmöglich.

Aber auch ohne Coronakrise ist es wichtig, Gesundheit ernst zu nehmen. Der Kölner Sportsoziologe Volker Rittner betont das immer wieder und versucht, hier aufzuklären. Eines seiner wichtigen Themen ist das Verdrängen von Vorsorgenotwendigkeiten. Wie wichtig diese aber sind, zeigt dieses Beispiel:

Mit der fehlenden Prävention ist es wie mit einer Ketchup Flasche. Zunächst rückt sie nichts heraus, dann schlägt man hinten drauf und leert die halbe Flasche. Der menschliche Körper verhält sich ähnlich: Erst spürt man nichts, dann kommen alle Beschwerden auf einmal.

Schritt 2: Stresspotenziale erkennen

Wer sich schlecht erholen kann und nicht mehr durchschläft, hat eindeutig ein Problem. Die Ursache liegt oft im Arbeitsprozess. Kommen noch Herz-Kreislauf-Probleme hinzu, wird es schnell ernst. Speziell bei Managern, die ihre Beschwerden kennen aber beiseiteschieben. Oder zu Dopingmitteln greifen. Dann wird es richtig gefährlich.

Denn Doping bringt nur den Kick, wenn man bereits am Ende ist. Letztlich sorgt Doping dafür, dass der Zuckerstoffwechsel entgleist, das Herzkreislaufsystem noch mehr bedroht wird und Depressionen entstehen können.

Was also tun? Die Erkenntnis, dass Stress Leiden verursacht, ist das Erste.
Ein zweiter Schritt wäre, herauszufinden, an welchen Stellen Sie Stress aus dem Arbeitsalltag herausnehmen können. Hier ein paar Beispiele:

  • Halten Sie Ihre Teilnahme an Konferenzen und Meetings für unverzichtbar?
    >>> Suchen Sie wöchentlich drei Meetings aus, an denen Sie nicht teilnehmen!
  • Müssen Sie wirklich an jedem Tag 10 Stunden und mehr für den Arbeitgeber verfügbar sein?
    >>> Legen Sie an mindestens zwei Tagen in der Woche einen unverrückbaren Sporttermin auf den späten Nachmittag, den Sie dann auch wahrnehmen. Ich empfehle: Zweimal wöchentlich körperlich aktiv sein: Nur so sind Sie auf ein langes Arbeitsleben gut vorbereitet.
  • Geraten Sie in strittigen Gesprächen schnell unter Druck?
    >>> Lassen Sie sich in der Kunst der Gesprächsführung unterweisen. Nehmen Sie sich Zeit dafür, denn es hilft nachhaltig!

Schritt 3: Achtsamkeit für Ernährung entwickeln

Falsche Ernährung ist der Klassiker, wenn es um gesundheitliche Probleme geht. Die Regeln, wie man sich gut ernährt, sind zwar geläufig. Aber Pragmatismus herrscht vor: In der Kantine ist wieder SchniPo-Tag: Schnitzel, Pommes – ja da greift Mann doch zu. Bei der leckeren Currywurst um die Ecke sowieso. Und was kann an Hamburger oder Döner mit Salat so falsch sein? Da sind doch Vitamine drin und das hält lange vor… Vorsicht ist jetzt geboten.

In der Kantine am besten auf Soßen verzichten und mehr Gemüse und Vollkornprodukte zu sich nehmen. Ballaststoffe, Proteine und Obst sind auch noch wichtig.

Tipp: Unter Umständen das Essen gleich selber mitbringen und nur für die Gemeinschaft mit den Kollegen in der Kantine einen Kaffee trinken.

Als Führungskraft kommt es zudem vor, ins Restaurant eingeladen zu werden. Da sind die Menüs ausgewählt und meistens wird auch das eine oder andere Glas Wein getrunken.
Aus der Nummer kommt man – speziell bei Geschäftsabschlüssen – schlecht heraus. Doch es gibt eine Lösung.

Grundsätzlich hat sich das 4:3-Programm bewährt. Teilen Sie die Woche wie folgt:

  • An 4 Tagen essen Sie gesundes Basisessen, wie die Ernährungsregeln es empfehlen. Sie verzichten auf Alkohol, Süßigkeiten und alle Weißmehlprodukte.
  • 3 Tage heben Sie sich für Genussessen auf.

Die Tage müssen nicht aufeinander folgen. Und Genussessen meint all das, was Sie gerne zu sich nehmen.

Noch etwas: Diäten sollten Sie ausschließlich bei medizinischer Indikation einhalten. Ansonsten kommt der Jojo-Effekt – mit Sicherheit.

Auch zu Nahrungsergänzungsmitteln sollten Sie nur nach ärztlicher Indikation oder einer Laboruntersuchung greifen. Lediglich wenn es nicht genug Schutznährstoffe im Blut gibt, also Vitamine, Mineralien und Spurenelemente, oder dort ein zu großes Ungleichgewicht besteht, kann Nahrungsergänzung sinnvoll sein.

Schritt 4: Arbeit gut organisieren – für jedes Alter gibt es Grenzen

Das Thema Fachkräftemangel ist weiterhin aktuell. Für immer mehr Fachkräfte heißt das im Umkehrschluss: Sie müssen länger durchhalten. Arbeiten bis 67 oder 70? Klare Sache!

Das heißt: Persönliche Ressourcen müssen ausgebaut und verbessert werden.

Tatsache ist: Bereits heutzutage ist das Wochenende für viele ein Problem. Sie pendeln nach Hause – nicht selten mehr als 100 Kilometer. Sie pendeln zur Erholung. Sie pendeln am Montag wieder zum Arbeitsplatz. Und häufig ist auch der nicht fußläufig erreichbar. Das strengt an.

Homeoffice hilft. Und die Coronakrise hat gezeigt, dass Homeoffice funktioniert. Die für Sie günstigen und machbaren Intervalle sollten Sie mit Ihrem Arbeitgeber besprechen.

Schritt 5: Vorbildfunktion nutzen und sein Team gesund führen

Prävention nützt: Das zeigt nicht erst die Coronakrise. Immer erst wachsam zu werden, wenn es brennt, kann bisweilen zu spät sein.

Führungskräfte sollten deshalb darüber informiert sein, wie es gesundheitlich um ihre Teams steht. Grippeerkrankungen, Rücken und Muskulaturprobleme und psychische Belastungen sorgen für die häufigsten Ausfälle.

  • Sind die Arbeitsplätze gut ausgestattet, um Rücken- und Muskulaturproblemen entgegen zu wirken?
  • Können Sie Einfluss auf den Lebensstil Ihrer Mitarbeiter nehmen, indem Sie mehr gesunde Mahlzeiten anbieten?
  • Haben Ihre Mitarbeiter ausreichend Zeit zu regenerieren, um psychisch fit zu bleiben?

Mit diesem Minimalprogramm gehen Sie als Manager mit gutem Beispiel voran:

  1. Gehen Sie 8000 bis 10.000 Schritte am Tag: Das sorgt für einen besseren Stoffwechsel.
  2. Beschränken Sie Sitzzeiten: Alle halbe Stunde sollten Sie für drei bis fünf Minuten aufstehen. Ansonsten werden Sie immer dicker, selbst wenn Sie nicht mehr essen. Denn dann bildet der Körper zum Beispiel weniger Lipoproteine, die für die Fettverbrennung wichtig sind.
  3. Nutzen Sie jede Treppe!
  4. Wandern Sie beim Telefonieren umher.
  5. Schaffen Sie einen ausgewogenen Mix aus weniger Essen, sportlicher Ertüchtigung und – wichtig (!) – drei Tagen, an denen Sie alles genießen.
  6. Und: Nicht zuletzt freut sich das Immunsystem bei
    – ausreichend Schlaf
    – Spazierengehen an der frischen Luft
    – Spaß haben

 

Schritt 6: Gesundheitschecks wahrnehmen

Grundsätzlich sind Gesundheits-Checks dann wertvoll, wenn sie bei Patienten etwas in ihrem Verhalten auslösen. Leider handhaben es viel Ärzte so, dass sie ihren Patienten nicht ausreichend erklären, was sie zum Beispiel schon bei bestimmten Grenzwerten ändern sollten.

Es lohnt sich, frühzeitig einzugreifen und Menschen zu erklären, damit sie die Kontrolle über sich behalten können. Das ist speziell für Männer elementar. Das lehrt uns die die Erfahrung: Wenn Männer denken, sie haben keine Kontrolle, dann verdrängen sie lieber. Ein Mann will kein uninformierter Patient sein!

Schritt 7: Warnungen ernstnehmen

Die Corona-Pandemie hat eine bislang ungeahnte Dramatik ausgelöst. Auch vielen Männern ist endlich bewusst geworden, welch großes Gut die Gesundheit ist. Und Manager haben erkannt, welche hohen Kosten es verursacht, wenn Produktionen und Dienstleistungen aus Gesundheitsaspekten heruntergefahren werden müssen. Dabei bedroht nicht allein Corona das Gesundheitssystem.

Die nächste vorhersehbare Epidemie ist der Typ 2-Diabetes, auch bekannt als Zucker. Davon sind jetzt schon 350 Millionen Menschen weltweit betroffen, davon in Deutschland rund 16 Millionen.

Was bedeutet das?
Diabetes vom Typ 2 führt bei 70 Prozent der Betroffenen rund acht Jahre später zum Herzinfarkt. Ein Diabetes-Patient kostet 6000 Euro im Jahr. Weitere Kosten entstehen durch die Begleiterkrankungen. Und der Patient ist auch Angestellter: Der fällt im Job aus.

Corona und Diabetes: Allein diese beiden Gefahren zeigen, wie wichtig es ist, das Thema Gesundheit von nun an ernster zu nehmen: als Präventionsmaßnahme für jeden einzelnen und für die Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes.

Jeder muss dabei Verantwortung übernehmen. Es ist – verglichen mit dem Kampf gegen ein Corona-Virus – leicht, seinen Lebensstil zu optimieren. Das hilft zu 90 Prozent. Und das sogar ohne Askese.

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