Theoretische Kenntnisse mit großem Praxisbezug

Die Copenhagen Business School landet in den wichtigen Rankings zwar meist nur im guten Mittelfeld. Für ihren interdisziplinären Ansatz aber wird sie sehr geschätzt.

Helmut Steuer | 18.09.2018

Das gläserne Gebäude am Sonnenberg-Platz im Kopenhagener Stadtteil Frederiksberg ist schon von weitem ein Hingucker. Direkt an der Metro und einem großen Einkaufszentrum gelegen signalisieren Hunderte Fahrräder vor dem Eingang, dass hier ein beliebter Treffpunkt sein muss. Viele, meist jüngere Menschen eilen in das Gebäude. Im Inneren fällt sofort die Cafeteria auf. An den Tischen und auf kleinen schicken Sofas im minimalistischen skandinavischen Design sitzen Studenten über ihre Computer gebeugt oder diskutieren – das hier ist schließlich eine Universität, eine Wirtschaftsuniversität, um genau zu sein.

Doch die Copenhagen Business School (CBS) versucht, vieles anders zu machen als Konkurrenten in Europa oder den USA. Tatsächlich hat sie sich einen Namen als interdisziplinäre Universität gemacht. Hier gibt es nicht nur einfache Wirtschaftsstudiengänge, hier kann der Master mit Philosophie, Psychologie oder mit Sprachen kombiniert werden. Dass sie sich nicht verstecken muss, zeigen auch die drei international wichtigen Gütesiegel Amba, Equis und AACSB. Alle drei haben wie die CBS nur wenige Business-Schools weltweit.

Großer Einfluss auf die Ausrichtung der Kurse

„Es lässt sich hier richtig gut aushalten“, sagt Alexander Oldenburg. Wie ein gestresster Student, der kurz vor dem Examen steht, sieht der 24-Jährige nicht aus. Der junge Mann aus Norddeutschland studiert seit vier Jahren Internationales Management und Politik an der Copenhagen Business School und bereitet sich gerade auf seinen Masterabschluss vor. „Das Studium ist hier sehr praxisorientiert, nicht so mathematisch wie in Deutschland“, sagt er und sieht dabei aus, als sei diese Ausrichtung genau die richtige für ihn.

Ida Boe und Daniel Skov Andersson, beide Anfang 20, studieren nicht nur an der Universität, sie leiten derzeit auch die Studentenvertretung CBS Students. Die beiden Dänen treffen sich regelmäßig mit der Unileitung, um Wünsche und Ideen der Studenten vorzutragen. „Das klappt hervorragend“, sagt Ida Boe, die ihre Wirtschaftsausbildung mit dem Fach Psychologie kombiniert. „Wir haben großen Einfluss auf die Ausrichtung der Kurse und Seminare“, ergänzt Skov Andersson, der Wirtschaft und Finanzen studiert.

22.500 junge Menschen sind derzeit an der Hochschule eingeschrieben, etwas mehr als 4.000 von ihnen kommen aus dem Ausland. „Mehr als die Hälfte unserer Programme läuft in englischer Sprache“, sagt Jan Molin, Dekan der CBS und für die Studiengänge verantwortlich. „Darüber hinaus gibt es hier an der CBS eine lange Tradition interdisziplinärer Ausbildung.“ Man habe schon vor Jahrzehnten begonnen, die klassische Wirtschaftsausbildung für junge Menschen mit Disziplinen wie Jura, Philosophie, Politikwissenschaften, Psychologie, Soziologie oder Sprachen zu kombinieren. „Dahinter steckt die Idee, dass wir die reine Wirtschaftslehre mit humanistischen Disziplinen verbinden“, sagt der Dekan. Die Universität bietet zwischen acht und zehn Kombinationsprogramme an. Ein neuer Studiengang verbindet die Managementausbildung mit dem Schwerpunkt digitale Wirtschaft, dem E-Business.

Die CBS, die im nächsten Jahr ihr einhundertjähriges Bestehen feiert, hat sich den Ruf einer Universität mit großem Praxisbezug erworben. Darauf ist Molin stolz, wie er im Gespräch mehrfach unterstreicht. „Wir versuchen, nicht nur rein theoretische Kenntnisse zu vermitteln, sondern immer einen Bezug zur Gesellschaft herzustellen.“

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Vorbereiten aufs reale Leben

Heißt das, dass andere Universitäten auf dem Weg sind, den Bezug zur Realität zu verlieren? „Ja, wir meinen, dass die Probleme, mit denen unsere Studenten später konfrontiert werden, nicht mit nur einer Disziplin gelöst werden können“, ist sich Molin sicher. Und: „Die Herausforderungen im realen Leben sind deutlich vielschichtiger. Wenn wir die Menschen auf die Herausforderungen im realen Leben vorbereiten wollen, müssen wir die Bachelor- und Masterprogramme darauf ausrichten.“

Unterstützung dafür bekommt er von Thomas Sattelberger, dem Ex-Personalvorstand der Deutschen Telekom und Kritiker der klassischen MBA-Ausbildung. „Es gibt einige wenige europäische Business-Schools, die sich ernsthaft bemühen, eine neue Philosophie richtig umzusetzen, wie beispielsweise die Kopenhagener Business School, die Business School Lausanne und in England Lancaster“, sagte er 2013 in einem Interview mit der „Personalwirtschaft“.

CBS-Dekan Molin sieht auch einen Unterschied im pädagogischen Ansatz zwischen der CBS und anderen vergleichbaren Unis. „Bei uns setzen wir auf Dialog, es wird nicht erwartet, dass ein Student genau das wiederholt, was der Lehrer erzählt hat.“ Vielmehr lege man Wert auf Kreativität, was für einige Studenten aus dem Ausland eine große Herausforderung darstellen kann. „Sie waren es vielleicht nicht gewohnt, selbstständig zu arbeiten.“ An der CBS werden sie dazu ermuntert, in kleinen Gruppen zusammen mit anderen Studenten Fallstudien zu erstellen und Lernprogramme mitzuentwickeln. Damit das klappt, müssen alle Dozenten eine pädagogische Zusatzausbildung absolvieren – nicht unbedingt üblich an Business-Schools.

Die CBS wird zu 80 Prozent vom dänischen Staat finanziert, die restliche Summe kommt über Sponsorenverträge. Bei der Ausarbeitung neuer Programme arbeitet die Uni eng mit Unternehmen zusammen, auch einige Referenten kommen von großen Unternehmen. Die Kooperation zwischen Universität und Wirtschaft hat dazu geführt, dass etwa 85 Prozent aller Studenten direkt nach dem Abschluss des Studiums einen Job finden.

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Populär trotz „bescheidener“ Gehälter der Absolventen

Die Hochschule ist mittlerweile so attraktiv für junge Menschen, dass dies schon wieder ein Problem ist. „Es hat dazu geführt, dass mehr Studenten bei uns beginnen wollen, als wir aufnehmen können“, sagt Molin. Die CBS musste einen Numerus clausus einführen, der auch für ausländische Studenten gilt. Von einer Elite-Universität will Molin dennoch nichts wissen. „Nein, dazu sind wir mit unseren über 20.000 Studenten viel zu groß.“

In Umfragen platziert sich die CBS immer wieder auf vorderen Plätzen, wenn es um die Popularität der Uni geht. In den international wichtigen Business-School-Rankings etwa der „Financial Times“ liegt sie meist im guten Mittelfeld, was auch an den im Vergleich zu anderen Business-Schools bescheideneren Gehältern liegen könnte, die viele Absolventen erhalten und die in einigen Rankings großes Gewicht haben. Nach Ansicht von Dekan Molin macht die besondere Ausrichtung der CBS einen Vergleich sehr schwierig.

Dass die Universität bei Studenten beliebt ist, hat sicher auch mit der Studienfinanzierung durch den dänischen Staat zu tun. „Wenn man maximal 15 Stunden pro Woche arbeitet, erhält man vom dänischen Staat 5.000 Kronen im Monat“, erklärt Studentenvertreterin Ida Boe. Mit den umgerechnet rund 670 Euro lässt sich zwar das Leben in der dänischen Metropole nicht finanzieren, aber es ist eine willkommene Hilfe im nicht gerade günstigen Kopenhagen – die auch ausländische Studenten erhalten. Wer eines der MBA-Programme wählt, muss hingegen tief in die Tasche greifen: Bis zu umgerechnet 57.000 Euro werden für die Ausbildung fällig. Und nur dänische Staatsbürger oder in Dänemark arbeitende Ausländer können bei einem MBA-Studium eine Steuererleichterung beantragen.

Wermutstropfen Wohnungssuche

Martin Jarnatz, ein 27-jähriger Doktorand aus Wildeshausen bei Bremen, studiert seit 2014 an der CBS. Derzeit ist er dabei, das Doktorandenprogramm Industrial PhD Programme abzuschließen. „Ich schätze besonders die vielfältige Auswahl an Kursen, die für die Industrie relevant sind“, sagt der Preisfindungsexperte. Wichtig sei auch, dass die CBS „einfach eine tolle Atmosphäre zum Lernen bietet“. Und ganz wichtig: „Die Stadt Kopenhagen an sich trägt sicherlich auch viel zu der Beliebtheit der Uni bei.“ Einziger Wermutstropfen sei allerdings die Wohnungssituation in der dänischen Hauptstadt. „Es ist unheimlich schwer, ein Zimmer oder eine Wohnung zu finden“, hat er erfahren müssen. „Und wenn man etwas findet, ist es richtig teuer.“

Die beiden Studentenvertreter Ida Boe und Daniel Skov Andersson kennen das Problem. Aber sie haben auch einen Tipp bereit: „Jeden Donnerstag funktionieren wir die Mensa in einen Pub um, und da passiert es immer wieder, dass sich im Gespräch mit anderen die Möglichkeit nach einem Zimmer in einer WG auftut“, sagt Boe. Die Bar und die Mensa werden übrigens als gemeinnützige Firmen von der Studentenorganisation in Eigenregie betrieben. „Learning by doing“ eben.