Was Deutsche nach der Arbeit machen

Nach Arbeit, einkaufen, kochen, putzen und Kinder bespaßen bleiben jedem Deutschen pro Tag noch vier Stunden Zeit für sich selbst, bevor es wieder ins Bett geht. Wie die Deutschen ihre Freizeit am liebsten verplempern.

wiwo.de | 11.09.2018

Morgens das Kind schnell in die Kita bringen, dann zur Arbeit hetzen, abends noch einkaufen und mit den Eltern telefonieren: Bei vielen Menschen ist der Alltag durchgetaktet. Dennoch sind die meisten Deutschen mit ihrer Freizeitmenge zufrieden. Drei Stunden und 56 Minuten – so viel Freizeit hat der Durchschnittsdeutsche an jedem einzelnen Werktag, wie der Freizeit-Monitor 2014 der Stiftung für Zukunftsfragen belegt.

Bei diesen fast vier Stunden handelt es sich um echte Freizeit: Kochen, Putzen, Kinder versorgen und andere notwendige Aktivitäten haben die Statistiker dabei neben der Arbeitszeit in Büro oder Werkstatt schon herausgerechnet. Von diesen knapp vier Stunden verbringen die Deutschen einen Großteil vor dem Fernseher.

Kaffee, Kuchen, Fernsehen

Fernsehen ist nämlich noch immer die Freizeitbeschäftigung Nummer Eins in Deutschland. Neben dem Fernseher behaupten die anderen Medien wie Radio, Internet, E-Mail, Zeitung und Telefon Spitzenplätze. Zudem finden sich unter den Top 10 der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen die Kategorien Gedanken nachgehen, Zeit mit dem Partner verbringen, Ausschlafen, über wichtige Dinge reden, sich in Ruhe pflegen sowie Kaffee trinken und Kuchen essen.

Noch in den 50er Jahren diente Freizeit in erster Linie der Erholung von und für die Arbeit. „Das hat natürlich eine Ausweitung erfahren“, betont Horst Opaschowski, einer der Pioniere der Freizeitforschung in Deutschland. Neben Entspannung müsse die Freizeit inzwischen auch Abwechslung, Erlebnisse, Kommunikation und Geselligkeit bieten. Allerdings gelte dies nicht für alle Menschen: „Wer viel arbeitet, muss in seiner Arbeit die Erfüllung finden, die andere in ihrer Freizeit finden“, erläutert Opaschowski. Sonst gerate das wichtige Gleichgewicht aufgrund des knappen Zeitbudgets außer Balance.

Auch unabhängig von der Arbeitsbelastung wird die Freizeit durchaus unterschiedlich gestaltet, wie der wissenschaftliche Leiter der Zukunftsstiftung, Ulrich Reinhardt, betont. Allerdings zeigen sich die Differenzen weniger zwischen den Schichten oder Regionen als zwischen den verschiedenen Lebensphasen: Jugendliche unterscheiden sich von jungen Erwachsenen, die wiederum von den etwas älteren Singles. Kinderlose Paare verbringen ihre Freizeit anders als gleichaltrige Eltern, die „Jungsenioren“ ab 50 Jahren wiederum anders als Ruheständler.

Keine Zeit für Computerspiele

„Wenn man mal im Berufsleben steht, hat man keine Zeit mehr, langwierige Internet-Rollenspiele zu spielen. Und wenn man mal eine Familie gegründet hat, will man auch nicht mehr alles in Facebook machen, sondern stattdessen Zeit mit seinen Kindern verbringen“, erläutert Reinhardt die Gründe.

Der Unterschied zwischen den Altersgruppen zeigt sich auch in der am Montag in Nürnberg veröffentlichten GfK-Studie deutlich: Insgesamt sind 66 Prozent der Menschen zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Freizeitumfang; 13 Prozent sind eher unzufrieden, ein kleiner Anteil von vier Prozent ist regelrecht unglücklich. Unter den Teenagern hingegen sehen ganze zehn Prozent die Menge ihrer Freizeit außerordentlich kritisch – das sind doppelt so viele wie in der durch Beruf und Familie oft doppelt belasteten Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen. Bei den über 60-Jährigen klagt übrigens so gut wie niemand über Zeitmangel.

Eine Beobachtung sei beim heutigen Freizeitverhalten generell auffällig, berichtet Reinhardt. „Kaum eine Aktivität dauert länger als zwei Stunden, die Deutschen scheinen ständig einen neuen Impuls zu brauchen.“ Hätten die Menschen mehr Freizeit, würden sie den Umfragen zufolge gerne öfter spontan etwas unternehmen, Sport treiben und ihre sozialen Kontakte intensiver pflegen. De facto aber sind Besuche bei Freunden, in der Kneipe, im Kino oder im Fitnessstudio eher selten. „Wir Deutschen tun uns da sehr schwer, weil wir so in Gewohnheiten gefangen sind“, bilanziert Reinhardt. Und deshalb doch vorm Fernseher sitzenbleiben, statt uns aufzuraffen.

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