Firmenevents in der Coronakrise: Was Deutschlands Unternehmen ihren Mitarbeitern an Weihnachten zu bieten haben

Spätestens seit dem Teil-Lockdown haben alle Dax-Konzerne ihre Präsenzfeiern abgesagt. Dabei wäre ein gemeinsames Fest jetzt wichtiger denn je. Welche Alternativen gibt es?

Michael Scheppe | 17.11.2021
Meist haben die Unternehmen virtuelle Alternativen zum Weihnachtsfest in petto.

Hallo Weihnachtsmann Meist haben die Unternehmen virtuelle Alternativen zum Weihnachtsfest in petto. © Karriere Foto: Deva Darshan on Unsplash

Wie viel Besinnlichkeit doch Parkhäuser ausstrahlen können. Ende November wollte die Deutsche Börse die oberen beiden Etagen des firmeneigenen Parkhauses am Hauptsitz in Eschborn zum Weihnachtsmarkt umfunktionieren. Maximal 80 Mitarbeiter sollten dort für zwei Stunden zwischen Tannenbäumen, Glühweinständen und Crêpes-Buden verweilen. Nach einer halbstündigen Reinigung wären die nächsten Kollegen an der Reihe gewesen. Eine Woche lang sollte das so gehen – Weihnachtsfeier mit Mindestabstand und Maske.

Doch wegen der neuerlichen Kontaktbeschränkungen wird daraus nichts. Stattdessen soll jeder Mitarbeiter eine Aufmerksamkeit erhalten. Was genau, bleibt eine Überraschung. Veranstaltungschef Dirk Paetsch sagt: „Die Weihnachtsfeier ersatzlos zu streichen wäre das falsche Signal gewesen.“ Und doch ist die Party vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Das Beispiel zeigt, wie schwierig es für Deutschlands Firmen ist, im Corona-Jahr 2020 eine Weihnachtsfeier zu veranstalten. Die Deutsche Börse war der einzige Dax-Konzern, der noch eine Präsenzfeier anbieten wollte, wie eine Umfrage unter Deutschlands 30 größten Unternehmen zeigt.

Demnach hat die Hälfte ihre Feste ersatzlos abgesagt oder auf nächstes Jahr verschoben – darunter Bayer, Daimler und Infineon. Bei einigen geht die Sorge noch weiter: Volkswagen rät seinen Beschäftigten, „auch auf Weihnachtsfeiern im privaten Rahmen zu verzichten“. Die Allianz empfiehlt der eigenen Belegschaft, „von einer Teilnahme an extern veranstalteten Feiern abzusehen“.

Dabei sind Weihnachtsfeiern in vielen Unternehmen der Höhepunkt des Jahres. Nun drohen sie zum emotionalen Tiefpunkt zu werden. Solche Feste seien eigentlich ein wichtiges Ritual, um den sozialen Kitt zwischen den Mitarbeitern zu stärken und deren Motivation zu steigern, sagt Hannes Zacher, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Leipzig. „Wenn die Weihnachtsfeier nicht stattfindet, besteht die Gefahr, dass die Belegschaft auseinanderfällt und die Identifikation mit der Firma abnimmt – obwohl die Gründe für die Absage nachvollziehbar sind.“

Gerade am Ende eines schwierigen Krisenjahres sollten sich Firmenchefs deshalb eine Alternative überlegen, um ein Zeichen der Wertschätzung zu senden.

Genau das versucht etwa Beiersdorf. „Um ein kleines Stück Normalität zu erleben“, gibt es in der Kantine des Konsumgüterherstellers statt an einem Tag nun eine Woche lang die Weihnachtsessen-Aktion. So sollen möglichst viele Mitarbeiter unter den strengen Hygienebestimmungen etwa Braten, Klöße und Rotkohl essen können.

Die Deutsche Wohnen möchte das Budget der ausgefallenen Feier dazu nutzen, den Mitarbeitern einen „weihnachtlichen Gruß“ zukommen zu lassen. Und die Deutsche Bank will Teile des Weihnachtsfeierbudgets für soziale Zwecke spenden.

Fünf Dax-Unternehmen haben sich zumindest an einzelnen Standorten digitale Alternativen überlegt. Bei BASF können einzelne Teams virtuelle Events buchen, etwa einen digitalen Kochkurs oder eine Online-Weinprobe mit Rebensaft aus dem BASF-Weinkeller. Die meisten Firmen wissen aber noch nicht genau, wie ein Fest vor der Webcam ablaufen soll. „Wir sind derzeit in der Konzeption“, teilt etwa die Telekom mit.

Sechs Dax-Konzerne arbeiten noch an der konkreten Strategie. Bei Eon tauschen sich die Mitarbeiter im sozialen Intranet über mögliche Alternativen aus: Ob es ein digitaler Adventskalender, Wichteln auf Distanz oder ein gemeinsames Plätzchenbacken in einer virtuellen Weihnachtsbäckerei wird, ist aktuell unklar. Von Henkel gibt es noch „nichts Konkretes“, auch Covestro prüft noch.

Wie das virtuelle Fest ablaufen sollte

Bei Microsoft ist man mit den Planungen schon weiter. Eigentlich feiern die Angestellten aus der Münchener Deutschlandzentrale in einer großen Location. Nach einer kurzen Ansprache gibt es ein gemeinsames Abendessen, danach wird getanzt. Doch daraus wird dieses Jahr nichts. Stattdessen können sich alle Mitarbeiter in eine halbstündige Liveschalte einwählen, in der das Management Dankesreden hält, aber auch lustige Anekdoten erzählen soll.

Danach geht es in kleinerer Runde weiter – mit Video-Workshops zu Keksebacken, Geschenke-Einpacktechniken oder Yoga, die einzelne Microsoft-Mitarbeiter zu weihnachtlicher Musik anbieten. „Die Pandemie macht die Planung nicht gerade einfach“, erzählt Bianca Bauer vom Organisationsteam. So musste Microsoft die Möglichkeit zu Gin-Tastings oder Schokoladenverkostungen canceln, weil dann die Anbieter die Privatadressen der Mitarbeiter gekannt hätten – ein datenschutzrechtliches Wagnis.

Stattdessen packt nun Microsoft selbst eigene Päckchen mit kleinen Leckereien und Weihnachtsmützen und lädt die einzelnen Teams zu virtuellen Mittagessen ein.

Für Experten ist das Vorgehen von Microsoft mustergültig: erst ein gemeinsames Event, dann der Rückzug in kleinere Grüppchen. Organisatoren sollten darauf achten, dass das gemeinsame Fest nicht zu lange dauert, sonst setzt am Monitor schnell Müdigkeit ein. In kleinerer Runde sollten Manager im Blick behalten, dass alle zu Wort kommen. Und: Firmen sollten jene Tools nutzen, die die Mitarbeiter schon kennen, damit niemand wegen technischer Probleme allein feiern muss.

Doch kommt vor der Webcam auch weihnachtliche Stimmung auf? „Eine Videokonferenz ist ein schlechter Ersatz für eine Weihnachtsfeier – aber gut geplant, kann es durchaus Freude machen“, sagt Arbeitspsychologe Zacher. So sieht das auch Microsoft-Organisatorin Bauer. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich unsere verrückten Mottopartys nicht vermisse.“ Doch sie finde es gut, dass ihr Arbeitgeber überhaupt für solche digitale Alternativen offen sei.

Lebkuchenhaus per Post

Wer im Internet danach sucht, stößt auf eine Vielzahl von Anbietern, die um die Gunst der feierfreudigen Firmen buhlen. Das Angebot reicht von der Online-Schnitzeljagd über ein Speeddating in verschiedenen Chaträumen bis hin zu mehrstündigen Spielshows.

Je nach Anbieter kann das einige Hundert, aber auch mehrere Tausend Euro kosten. Eine erste Übersicht über Anbieter und Kosten gibt der Kasten auf dieser Seite.

Und natürlich gibt es zahllose kulinarische Angebote, die in Päckchen verschickt werden – vom Bier-Tasting bis zum Festtagsmenü. Darauf setzt auch der Anbieter Virtual Teamevents aus Unna, der neu im Markt ist. Helena Dethlefs, 33, im Hauptberuf bei der IT-Beratung Accenture beschäftigt, hat das Start-up mit zwei Freunden gegründet. Mit dem Ziel, Firmen eine digitale Weihnachtsfeier und den von der Krise gebeutelten Manufakturen einen neuen Absatzmarkt zu ermöglichen.

Besonders gut komme das Angebot „Lebkuchenhäuschen und Glühweinnacht“ an, erzählt Dethlefs. Jeder Teilnehmer erhält einen Lebkuchen-Bausatz per Post.

Eine Konditorin führt per Videochat vor, wie Teilnehmer das Eigelb erhitzen müssen, damit das Fundament des Hauses auch hält. Und wer schneller als die anderen baut, kann zwischendurch an dem mitgelieferten Bio-Glühwein nippen. Obwohl alles virtuell stattfindet, komme schon gute Stimmung auf, sagt Dethlefs. „Die Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt, wenn sie ein Paket im Auftrag ihres Arbeitgebers bekommen.“

Wer will, kann der Box ein Grußwort des Chefs beilegen. Auf Wunsch kommt das Lebkuchenhaus auch in den Farben und mit dem Logo der Firma. Zweieinhalb Stunden dauert das Ganze, Kosten: 80 Euro pro Person. Die Nachfrage steige seit Verkündung des Teil-Lockdowns, sagt Dethlefs. Neulich habe ein Autobauer aus dem Dax für 300 Teilnehmer gebucht.

Doch wie motiviert man die Belegschaft zu einem digitalen Fest, wenn man die Kollegen ohnehin das ganze Jahr durch den Monitor sieht? „Das ist nicht jedermanns Sache“, sagt Arbeitspsychologe Zacher. Doch ein digitaler Adventskalender im Intranet und eine frühzeitige Einladung, die allen klarmacht, wie das digitale Fest abläuft, würden dabei helfen, die Vorfreude zu steigern.

21.000 Euro für eine Radioshow

Edvard Justus chartert eigentlich Schiffe oder organisiert Casinoabende für Firmenweihnachtsfeiern. Doch seit April plant der Vertriebsleiter der Plattform Weihnachtsplaner.de nur noch virtuelle Feste. Derzeit beliebt: das Homeoffice-Duell. Dabei müssen die Mitarbeiter Rätsel lösen und Fragen beantworten – und zwar per Chatfunktion. Ein Quizmaster führt durchs Programm, vor dem Duell kann der Chef sprechen, danach gibt’s die Siegerehrung.

Bei der Agentur können Firmen auch eine vierstündige Radioshow buchen. Zum Programm gehört ein Anruf beim Chef, einzelne Projekte können sich vorstellen, selbst Gewinnspiele und Beförderungen sind denkbar. Doch wer schaltet dort ein? „Die Beteiligung ist immer sehr hoch, weil es so ungezwungen ist“, sagt Justus. Die Erfahrung zeige, dass Firmen die Veranstaltung bestenfalls am Nachmittag starten sollten. Abends, so scheint es, haben die Mitarbeiter womöglich Besseres zu tun.

Die Angebote haben ihren Preis. Nehmen 100 Personen an dem Quiz teil, muss die Firma 2040 Euro zahlen. Und wer mit seiner 300-köpfigen Belegschaft der Radioshow lauschen will, soll fast 21.000 Euro berappen – plus Mehrwertsteuer. Immerhin: Ein Kater am Folgemorgen oder der Rotweinfleck in der Bluse sind nicht zu befürchten.

Knapp 300 solcher Events führt die Agentur im Dezember durch – in normalen Zeiten wären es über 500 Präsenzveranstaltungen. Und damit wäre auch deutlich mehr Umsatz zu erwirtschaften. Das Problem kennt Bernd Fritzges, Chef des Verbands der Veranstaltungsorganisatoren, der rund 600 Veranstaltungsplaner aus großen und mittelständischen Unternehmen vertritt. „Seit der Verschärfung der Hygienevorschriften kann unsere Branche zu Weihnachten nicht einmal mehr Veranstaltungen im Freien anbieten. Der Totalverlust seit März hält an.“

Virtuelle Alternativen sieht Fritzges skeptisch. „Weihnachtsfeiern leben vom persönlichen Kontakt, das kann ein digitales Event nicht leisten.“ So verwundere es ihn nicht, dass Firmen bei der Buchung der digitalen Formate bislang zurückhaltend seien.

Auch bei der Deutschen Börse soll es nach der Parkhaus-Absage keine virtuelle Alternative geben, erzählt Veranstaltungschef Paetsch. „Das passt irgendwie nicht – und wäre auch ein bisschen trostlos.“

Die „Weihnachtsfeier 2021“ will der Dax-Konzern in den Sommer vorziehen – in der Hoffnung, dass die Infektionszahlen dann eine größere Präsenzveranstaltung zulassen. Einen Ort zum Feiern hätte das Unternehmen ja schon mal.

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