Betriebsfeste: Jetzt geht’s wieder los: Ist es Pflicht, an der Weihnachtsfeier teilzunehmen?

Zuviel Alkohol, peinliche Flirtversuche, Duz-Alarm: Nicht jeder Arbeitnehmer hat Interesse an der Weihnachtsfeier.

dpa/Tina Groll/zeit.de | 20.01.2020
Miteinander in Kontakt kommen – auch dazu dient die Weihnachtsfeier im Unternehmen.

Miteinander in Kontakt kommen – auch dazu dient die Weihnachtsfeier im Unternehmen. Foto: Eugene Zhyvchik on Unsplash

Fast überall haben gerade die Weihnachtsmärkte eröffnet. Und alle Jahre wieder landet auch die Einladung zur jährlichen Weihnachtsfeier im E-Mail-Account. Was einige Arbeitskollegen hoch erfreut („Es gibt Essen und Getränke auf Firmenkosten!“), führt bei manch anderem zu Bauchschmerzen („Muss ich da hin und mich womöglich fremdschämen?“). Und nun? Oh du Fröhliche oder Oh je?

Grundsätzlich stellt sich die Frage: Sind Festivitäten im Unternehmen überhaupt für jeden Mitarbeiter Veranstaltungen, die sie nicht versäumen dürfen?

Ist die Teilnahme an der Weihnachtsfeier Pflicht?

Das hängt davon ab, ob sie während oder außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. „Die Teilnahme an der Weihnachtsfeier ist nicht gesetzlich geregelt. Findet die Veranstaltung zu der regulären Arbeitszeit statt, müssen die Mitarbeiter theoretisch nicht teilnehmen, stattdessen aber arbeiten“, erklärt der Arbeitsrechtsexperte Ulf Weigelt.

Sei die Arbeit nicht möglich, weil alle anderen feierten, bestehe aber kein Anspruch, früher nach Hause zu gehen, sagt Jürgen Markowski, Arbeitsrechtler aus Nürnberg. „Dann muss die Zeit halt abgesessen werden.“ Grundsätzlich habe die Teilnahme an der Firmenfeier nichts mit der Arbeitsleistung zu tun.

Finde die Weihnachtsfeier außerhalb der Arbeitszeit statt, könne der Arbeitgeber niemanden anweisen, daran teilzunehmen.

„Es hat jedoch ein Geschmäckle, wenn man sich nicht blicken lässt“, sagt Agnes Jarosch, Leiterin des Deutschen Knigge-Rats und Kommunikationstrainerin. „Wenn man nicht hingeht, sendet man das Signal: Mir ist es nicht wert, meine Freizeit mit meinen Kollegen und dem Chef zu verbringen.“

Welche Kleidung ist angemessen?

Der Anlass bestimmt die Kleidung. Plant der Betrieb eine Wanderung mit einem anschließenden Bummel über den Weihnachtsmarkt mit Glühwein, sollte bequeme Kleidung gewählt werden. Findet dagegen ein großes Firmenbankett in einem gehobenen Restaurant statt, ist edle Kleidung angemessen.

„In vielen Firmen brechen die Mitarbeiter nach Dienstschluss gemeinsam auf. Dann ist es wichtig, bürotaugliche Kleidung zu wählen. Am Abend kann sie aber mit einigen Accessoires versehen werden: Femininer Schmuck und Pumps mit etwas höheren Absätzen für die Damen, eine neue Krawatte für den Herren“, rät Kniggetrainerin Jarosch.

Darf, während der Chef eine Rede hält, schon Alkohol getrunken werden?

Jedes Jahr das gleiche Prozedere: Erst spricht der Chef, dann der Vorstand und schließlich noch der Firmensenior – und die Mitarbeiter sitzen währenddessen auf dem Trockenen und langweilen sich.

Sich unterdessen zu betrinken, ist falsch. „Da müssen Sie durch“, sagt die Stilexpertin. Die Rolle des Gastgebers übernimmt der Arbeitgeber und bevor nicht er sein Glas erhebt, sollten es die Angestellten auch nicht tun.

Ebenso verhält es sich mit dem Essen: „Bis der Gastgeber nicht das Signal gibt, dass nun gegessen werden darf, sollte man warten“, sagt Jarosch.

Ist es unhöflich, beim Essen richtig reinzuhauen?

Die Mitarbeiter sollten zwar nicht hungrig nach Hause gehen, aber auch nicht über die Strenge schlagen, nur weil die Firma bezahlt. Insbesondere dann, wenn frei von der Karte gewählt werden darf.

„Es könnte der Eindruck entstehen, man wolle der Firma finanziell schaden“, sagt Agnes Jarosch. Auch beim offenen Buffet gilt: Lieber mehrmals mit einem kleinen Teller gehen, als mit überladenen Tellern negativ auffallen.

Wem die angebotenen Speisen nicht schmecken, der soll sich mit negativen Kommentaren zurückhalten. „Stellen Sie sich vor, Sie wären der Gastgeber. Das schickt sich einfach nicht“, sagt die Kniggeexpertin.

Das gleiche gilt übrigens für etwaige kleine Geschenke: Auch wenn sich die Firma in diesem Jahr knauserig zeigt, gilt doch der Grundsatz: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“

Auf der Weihnachtsfeier zu meckern, ist also verboten.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man die Speisen nicht zu sich nehmen kann?

Die meisten Unternehmen fragen mit der Anmeldung zur Weihnachtsfeier ab, ob Vegetarier unter den Gästen sind. Leider tun dies nicht alle.

Und nicht nur Vegetarier, auch Allergiker und Menschen mit anderen Religionen können angesichts einer Gänsestopfleber im festgelegten Menüplan vor einer Herausforderung stehen: Darf man sagen, dass man eine bestimmte Speise nicht essen kann? Ja, aber leise.

„Machen Sie kein großes Aufsehen darum und führen Sie keine Diskussionen, weder über Tierschutz noch über Allergien oder über religiöse Weltanschauungen“, empfiehlt die Kniggetrainerin.

Auch wenn es höflich gemeint ist: Sich laut für seine Essensgewohnheiten zu entschuldigen, wäre falsch. „Lassen Sie das Essen einfach liegen oder geben Sie dem Serviceteam diskret Bescheid. Manche Küchenchefs können auch rasch ein Ersatzmenü kreieren.“

Darf der Vorstandsvorsitzende beim Smalltalk einfach so angesprochen werden – und mit welchem Thema?

Smalltalk ist auf der Weihnachtsfeier ausdrücklich erwünscht. Die meisten Vorgesetzten freuen sich, mit den Mitarbeitern in Kontakt zu kommen. Es wird auch gerne gesehen, wenn sich die Abteilungen mischen und junge Mitarbeiter den Kontakt zu den Älteren suchen. „Das zeigt Offenheit und Interesse an der Firma und ist gut für den Zusammenhalt“, sagt Agnes Jarosch.

Als Thema eignet sich alles rund um die Feier: die Musik, das Essen, der Wein. Allerdings mögen die allermeisten Führungskräfte nicht, wenn Mitarbeiter den Smalltalk als Möglichkeit verstehen, sich plump zu profilieren oder gar nach der nächsten Gehaltserhöhung zu fragen.

Smalltalk-Themen sollten unkritisch sein. Allgemeine politische Tagesthemen sind nicht mehr generell verboten. „Bei einer Firmenfeier kann eine aktuelle lokale Bürgerbewegung durchaus ein spannendes Thema sein, das alle interessiert“, sagt Jarosch.

Sie rät dazu, den Smalltalk als Spiel mit einem Luftballon zu sehen. „Smalltalk ist die Möglichkeit zu spielen – mit einem Ball voll heißer Luft. Werfen Sie Ihrem Gegner also keinen Medizinball zu, bedenken Sie die Situation mit.“

Mein Gesprächspartner ist ein schrecklicher Langweiler. Wie werde ich ihn los?

Mit Herrn Lohse aus der Buchhaltung will schon niemand zusammen die Mittagspause verbringen, und jetzt sitzen Sie am Tisch neben ihm? „Da müssen Sie durch. Während eines gesetzten Essens ist es unmöglich, den Sitznachbarn zu tauschen. Erst nach dem Kaffee dürfen Sie aufstehen und Kontakt zu anderen suchen“, sagt Jarosch.

Sie selbst versucht, diese Situationen sportlich zu sehen. „Vielleicht hat Herr Lohse ja doch etwas Spannendes zu erzählen? Sie haben nun Gelegenheit, dieser Frage auf den Grund zu gehen.“

Sollte Sie der Langweiler in ein Smalltalk-Gespräch beim Sektempfang verwickelt haben, dürfen Sie nach einigen Sätzen getrost das Weite suchen. „Dann sollte man sich unter einem Vorwand höflich entschuldigen, beispielsweise weil man einer Kollegin noch schnell Hallo sagen möchte“, sagt Jarosch.

Wie viel Alkohol ist erlaubt?

Alkohol gibt es bei fast jeder Firmenfeier, und der Alkoholkonsum trägt dazu bei, dass die Stimmung lockerer wird. Wer aber zu viel trinkt, zeigt vor allem, dass er seine Grenzen nicht kennt. Das kann negativ auffallen.

Wer zu tief ins Glas schaut, plaudert möglicherweise Dinge aus, wirft ein Glas um oder begeht einen anderen Fauxpas. Darum gilt hier: Trinken ja, aber in Maßen.

Darf ich den Chef duzen?

Ein guter Vorgesetzter klärt vor der Firmenfeier, ob er geduzt oder gesiezt werden darf. Prinzipiell gilt auch bei der ausgelassensten Feier: Der Ranghöhere bietet das Duzen an, und ein Du aus der Bierlaune heraus schickt sich nicht.

Wenn es doch dazu kommt und der Chef am morgen danach zum förmlichen „Sie“ zurückkehrt, müssen die Mitarbeiter dies akzeptieren – und zwar ohne weitere Nachfrage. „Der Rangniedere wartet ab und übergeht die Irritation geflissentlich“, rät Jarosch.

Ist Flirten erlaubt?

Der nette, aber schüchterne Kollege aus dem Controlling hat sich endlich Mut angetrunken, mit Ihnen das Gespräch zu vertiefen? Glückwunsch! Flirten ist nicht verboten.

Doch Kollegen, die sich allzu gern mögen, sollten sich vorher gut überlegen, ob die Weihnachtsfeier wirklich der geeignete Ort ist, eine neue Beziehung zu beginnen – wo alle Kollegen die Annäherung beobachten und das neue Paar am morgen danach Firmenthema Nummer eins sein werden.

Und Herr Mayer, der erst im Spätsommer seine silberne Hochzeit gefeiert hat und auf die Treue in der Ehe schwört, behält gefälligst die Finger bei sich, auch wenn die frisch geschiedene Kollegin eine heiße Tanzeinlage mit ihm üben möchte.

„Der Chef könnte sich kritisch fragen, wie es denn sonst um Mayers Loyalität bestellt ist, wenn er schon seiner Frau gegenüber nicht loyal ist“, gibt Benimmtrainerin Agnes Jarosch zu bedenken. Die berufliche Rolle sollte bei der Betriebsfeier nicht vergessen werden.

Ich habe mich bei der Weihnachtsfeier schrecklich daneben benommen. Was soll ich jetzt tun?

Kommt es wider aller guten Vorsätze doch zum Tritt ins Fettnäpfchen, ist eine Entschuldigung angebracht. „Aber nur, wenn andere von dem Fauxpas betroffen sind“, sagt Agnes Jarosch.

Wer sich einfach nur schämt, weil er vielleicht laut und falsch Karaoke gesungen hat, sollte die Sache einfach übergehen und Gras drüber wachsen lassen. Auch dann, wenn er fortan einen neuen Spitznamen im Kollegenkreis genießt.

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(Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 11. Dezember 2010.)