Jobsuche: Keine Angst vor dem Branchenwechsel – trotz Krise

Neue Herausforderungen in einer anderen Branche können sich lohnen. Tipps von Carsten Schaefer, Experte der globalen Personalberatung Korn Ferry.

Claudia Obmann | 19.11.2024
So lässt sich mit Erfolg eine neue berufliche Richtung einschlagen.

Wegweiser I So lässt sich mit Erfolg eine neue berufliche Richtung einschlagen.

Bei manchen Arbeitnehmern ist es die Flucht aus dem unsicheren Arbeitsverhältnis, bei anderen die Unzufriedenheit in ihrer aktuellen Position – und wieder andere suchen die Herausforderung, eine durch die Coronakrise sich verändernde Arbeitswelt mitzugestalten. Da bleibt es nicht aus, sich auch in anderen Branchen umsehen zu müssen. Der Wechsel ist möglich, wenn Sie wissen, worauf es ankommt:

Stärkenanalyse: Machen Sie sich Ihre Pluspunkte bewusst

Beginnen Sie Ihren Aufbruch in eine neue Branche mit einem Gedanken-Spiel. Stellen Sie sich vor, es wäre nicht von Nach-, sondern von Vorteil für Ihren neuen Arbeitgeber, sich für Sie und nicht für jemanden zu entscheiden, der bereits in der gleichen Branche tätig ist.

Überprüfen Sie genau: Welche Kompetenzen und Fähigkeiten bringen Sie mit, die Sie von Ihren Wettbewerbern abheben? Ein Beispiel: Haben Sie in der Automobilindustrie im Einkauf gearbeitet, haben Sie vielleicht in einer der besten und am weitest entwickelten Einkaufsabteilungen der Welt Erfahrungen gesammelt.

Fragen Sie sich nun, wie etwa eine internationale Versicherung, ein digitales Start-up oder ein Lebensmittel-Logistiker von Ihren Kenntnissen aus Ihrer bisherigen Industrie am besten profitieren kann? Machen Sie sich diese persönlichen Pluspunkte vollständig bewusst, indem Sie Ihre Zielindustrie(n) genauestens analysieren.

Weiterbilden: Schließen Sie Wissenslücken

Diese intensive Einarbeitung in Ihre Wunsch-Branche wird Ihnen helfen, automatisch umfassendes Wissen um die Strukturen, Prozesse und Herausforderungen Ihrer möglichen Zielindustrie(n) aufzubauen.

Nachdem Sie Ihre persönlichen Pluspunkte identifiziert haben, sollten Sie sich mit den – stets vorhandenen – Lücken beschäftigen, die Sie hinsichtlich Know-how und Kompetenzen haben. Und ermitteln Sie, wie Sie diese durch Weiterbildung schließen können.

Überprüfen Sie dazu nicht nur kommerzielle Weiterbildungsangebote, sondern schauen Sie sich auch das jeweilige Angebot von Universitäten und Hochschulen an. Wenn Sie kein konkretes Angebot finden, kontaktieren Sie direkt Professoren, von denen Sie denken, etwas lernen zu können. Vielfach helfen Ihnen diese Experten für ihre jeweiligen Branchen mit wertvollen Hinweisen oder nützlichen Kontakten gern weiter – auch wenn sie Ihnen nicht immer selbst ein Bildungsangebot unterbreiten können.

Dann landen Sie mit Empfehlung danach aber bei der richtigen Adresse. Diese neu gewonnenen Kontakte sowie die daraus vielleicht folgenden Kurse und Seminare sind zudem der perfekte Startpunkt für ein gezieltes Networking.

Bewerben: Keine „Flucht“-, sondern schlüssige „Hin-zu“-Story erzählen

Sie werden um die Frage nie herumkommen: ‚Warum wollen Sie denn eigentlich Ihre Branche verlassen?‘ Das interessiert alle vielleicht brennend, aber für Ihr zukünftiges Vorhaben ist das gar nicht relevant. Sprechen Sie darum in Ihren Bewerbungsgesprächen nicht über Ihre ‚Flucht‘, sondern vielmehr darüber, warum Sie künftig beim neuen Arbeitgeber in der neuen Branche arbeiten wollen.

Ihre anfängliche Analyse hilft Ihnen dabei, Ihre Vergangenheit selbst zu wertschätzen und die Punkte herauszuarbeiten, die Sie als besondere Stärken in die neue Industrie mitbringen.

Und das Schließen Ihrer Wissenslücken, ordentlich dokumentiert in Lebenslauf und Ihren übrigen Bewerbungsunterlagen, zeigt auf, dass Sie schon im Vorfeld bereit waren, in Ihre neue Karriere zu investieren.

Sagen Sie nicht: ‚Ich möchte die Automobilindustrie verlassen, weil ich hier keine Zukunft sehe‘. Sagen Sie:‚Die Automobilindustrie hat besondere Herausforderungen, an denen ich intensiv mitarbeiten durfte. Dies habe ich erfolgreich bereits über fünf Jahre getan. Ich bin jedoch neugierig und habe gesehen, dass Ihre Branche ähnliche Themen vor sich hat. Ich würde mich freuen mit meinem Know-how und meiner Persönlichkeit einen Beitrag zu leisten, diese mit Ihnen gemeinsam zu lösen.‘

Netzwerken: Persönlich und online Kontakte sammeln

Die meisten und besten Jobs werden nicht öffentlich, sondern ‚unter der Hand‘ vergeben. Dazu brauchen Sie ein Kontakt-Netzwerk. Und das haben Sie nicht, wenn Sie branchenfremd sind. Darum sollten Sie es sich gezielt aufbauen, wenn Sie einen Wechsel anstreben.

Nutzen Sie dazu alle Möglichkeiten und Formate, die sich Ihnen bieten: Angefangen bei der Weiterbildung über Fachkonferenzen und Messen, Branchen-Gespräche, Online-Plattformen und Social Media bis hin zu Treffen von Verbänden und Interessengruppen.

Geben Sie gern zu, dass Sie fachfremd sind, aber großes Interesse mitbringen und vor allem Know-how und Wissen aufbauen wollen. Fragen Sie. Und überprüfen Sie, ob und wem Sie – auch wenn es beim ersten Lesen dieser Zeilen fern liegen mag – selbst helfen könnten, um aus einem flüchtigen neuen Kontakt einen Unterstützer oder Förderer zu machen. Ein Blick in die Fachmedien Ihrer Wunsch-Branche zeigt schnell, wer die maßgeblichen Personen sind, die man kennen muss.

Angst besiegen: Absagen sportlich nehmen

Zwar lässt sich häufig beobachten, dass viele Menschen mit dem Gedanken spielen, sich beruflich zu verändern und/oder ihre Branche zu wechseln. Am Ende finden sie doch immer viele Gründe, die dagegensprechen: ‚Das Wissen hole ich nie auf.‘ ‚Die Weiterbildung kann ich nicht finanzieren.‘ ‚Warum sollte der-/diejenige überhaupt mit mir reden?‘ In den meisten Fällen sind diese Gründe vorgeschoben, um eine Emotion zu kaschieren: Angst. Die Angst, Ablehnung zu erfahren. Zu scheitern. Diese Angst, die jeder in sich trägt, gilt es zu erkennen und zu überwinden. Denn Sie haben rein gar nichts zu verlieren.

Wenn der erste Ansprechpartner Sie ablehnt, versuchen Sie es beim zweiten. Und wenn der… Sie wissen schon. Nehmen Sie ein ‚Nein‘ nicht persönlich, sondern sportlich. Geben Sie nicht gleich beim ersten Mal auf, lassen Sie sich Feedback geben (‚Warum denken Sie, dass es nicht zielführend für Sie wäre, mir fünf Minuten Ihrer Zeit zu schenken?‘), schreiten Sie erhobenen Hauptes weiter, auch wenn es nicht geklappt hat. Sie werden sehen: Bei guter Vorbereitung entscheiden Erfahrung und Ausdauer darüber, wann es mit dem Wechsel klappt. Sagen Sie nicht nur, dass Sie eine ‚neue Herausforderung‘ suchen. Nehmen Sie sie an. Jetzt.

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