Zeitgemäßes Vergütungssystem: „Mitarbeiter empfinden New Pay als gerechter“

Starre Gehaltssysteme passen nicht in ein agiles New-Work-System. Eine Lösung: „New Pay“.

Anne Koschik | 17.11.2021
Beim New-Pay-Modell gibt es verschiedene Dimensionen.

News Work und New Pay Beim New-Pay-Modell gibt es verschiedene Dimensionen. © imago images / Panthermedia

Agiles Arbeiten, flache Hierarchien, offene Büroräume: Viele Firmen versuchen für ihre Mitarbeiter eine Arbeitswelt zu schaffen, in der sie ihr volles Potenzial entfalten können. Mitarbeiter, die sich in dieser als „New Work“ bezeichneten Arbeitswelt bewegen, können mit klassischen Vergütungsmodellen nur schwer überzeugt werden.

„New Pay“ bezeichnet deshalb ein neuartiges Vergütungssystem, die den modernen Arbeitsformen gerecht werden soll.

Die HR-Spezialisten Sven Franke, Nadine Nobile und Stefanie Hornung haben das Buch „New Pay“ geschrieben. Im Interview mit karriere.de erklärt Hornung, was es mit dieser Bezahlform auf sich hat.

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New Pay-Modelle: Das sind die Vorteile und Besonderheiten von New Pay

Warum braucht es New Pay?

Die Gehaltssysteme in Unternehmen sind derzeit sehr zementiert. Das erkennt man nicht zuletzt daran, dass seit jeher eine Führungskraft in der Regel besser bezahlt wird als eine hervorragend ausgebildete Fachkraft.

Die Übernahme von Mitarbeiterverantwortung wiegt also schwerer im Gehaltsgefüge als Sachkompetenz. Schon immer hat sich da die Frage gestellt: Warum ist das eigentlich so? Im Moment gibt es bereits einen kleinen Trend, dieses traditionelle Gehaltsgefüge aufzubrechen.

Bei wem stellen Sie das fest?

Uns sind etwa 100 Unternehmen bekannt, die sich um ihre Gehaltsstrukturen Gedanken machen. Das sind vor allem kleinere Unternehmen und Agenturen, die bereits ganz modern und rigoros in der Umsetzung sind. Aber auch etablierte Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder Bosch zeigen innovative Ansätze. Tatsache ist, dass viele aber gerade erst damit beginnen.

Ist ein flexibler Vergütungsprozess auf Basis unserer Gesetze und tariflichen Bestimmungen überhaupt denkbar?

Da geht rechtlich sogar mehr als gedacht. Denn die Rechtsprechung fordert als Grundsatz in Vergütungsfragen vor allem immer zweierlei: Transparenz und Konsistenz im Vorgehen. Beides ist auch mit flexibleren Vergütungsformen durchaus vereinbar. Tariflich gebunden sind rund 46 Prozent der Arbeitnehmer. Bei ihnen wird es sicher etwas schwieriger. Aber im nicht-tarifgebundenen Bereich geht einiges. Wir wissen von Unternehmen, die ein einheitliches Fixgehalt zahlen und die Variablen mittels einer Gemeinschaftsentscheidung verteilen.

Was sind die größten Vorteile für die Mitarbeiter?

Sie empfinden es als gerechter, wenn Unternehmen die Gehaltsstrukturen transparenter machen und diese Strukturen auch erklären können.

Grundsätzliche Fragen werden neu beantwortet: Die Mitarbeiter erfahren, wofür Unternehmen ihre Beschäftigten bezahlen, was genau in dem jeweilige Vergütungssystem verteilt wird und eben wie es aufgeteilt wird.

Wie könnte ein New-Pay-Modell im Idealfall aussehen?

Es gibt nicht den einen besten Ansatz. Wir sehen da sehr verschiedene Dimensionen, die sich nach bestimmten Prinzipien richten, zum Beispiel Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität – und diese sind kombinierbar. Alle orientieren sich an Fairness als zentrale Dimension, also an der gemeinsam ausgehandelten empfundenen Gerechtigkeit in einer Organisation.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Nehmen Sie das Einheitsgehalt. Das finden manche nicht fair, etwa weil sich einige mehr reinhängen als andere. In der Folge wird dann beispielsweise ein Topf mit einer zu verteilenden Summe genannt. Es gibt eine gemeinsame Diskussion, wer daraus etwas bekommt.

Unter Umständen müssen einige Mitarbeiter aber auch mit Gehaltskürzungen einverstanden sein?

Stimmt. Jede Organisation muss sich zunächst überlegen: Was will ich erreichen?

Es hat schließlich eine Art Steuerungswirkung, wie sie das Gehaltssystem gestalten. Individuelle Boni steigern die Motivation nur extrinsisch, also durch einen äußeren Anreiz – meistens durch Geld. Bei standardisierten Umfeldern, etwa in der Produktion, hat das einen positiven Effekt. Bei kreativen Umfeldern dagegen eher nicht, da sind extrinsische Anreize sogar schädlich, weil sie die intrinsische Motivation untergraben.

Man fokussiert sich zu stark auf das Geld. Das hat dann einen Verdrängungseffekt und die eigentlich mögliche Leistung wird nicht erreicht.

Haben Sie da ein Beispiel aus einem Unternehmen?

Beispielsweise hat Bosch lange mit individuellen Boni gearbeitet. Das führte letztlich dazu, dass überall 100 Prozent der Boni ausgezahlt wurden. Und das passte nicht mehr zur Performance der Bereiche. Viele Führungskräfte waren einfach nicht in der Lage, auch mal negatives Feedback zu geben.

Jetzt hat Bosch statt der individuellen Boni Gruppen- und Team-Boni. Dabei ist beispielsweise schon ein neuer Tarifvertrag entstanden, der zehn sogenannte Grading Groups mit einer hohen Durchlässigkeit vorsieht. Ein Wechsel zwischen den Gehaltsbändern ist leichter möglich.

Muss man dafür gleich das ganze Gehaltssystem auf den Kopf stellen?

Nicht unbedingt, wenn alle das bisherige Vergütungssystem als gerecht empfinden, gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. Dabei geht es um einen gemeinsamen Aushandlungsprozess: Inwiefern ist es tatsächlich so, dass die Mehrheit der Mitarbeiter ihre Vergütung fair findet?

Das Verfahren sollte, ob alt oder neu, konsistent, nachvollziehbar und gegebenenfalls auch korrigierbar sein. Und zwar für alle.