Ausbildung vor dem Studium? Pro und Kontra

Wer vor der Uni in die Lehre geht, weiß wie der Hase läuft. Ex-Azubis studieren schneller und selbstbewusster. Aber Vorsicht: Nicht jede Kombination von Ausbildung und Studium macht wirklich Sinn.

Lena Köster-Hessel | 13.12.2021
Lehre Ausbildung Studium

Rolf-Ernst Breuer ging den klassischen Weg. Der Chef der Deutschen Bank heuerte 1956 zum ersten Mal bei Deutschlands Bankenprimus an ­ als Lehrling. Nach Studium und Promotion kam er zurück und startete seine steile Karriere.

Das Kombimodell Lehre und Studium galt der Branche jahrzehntelang als gutes Fundament einer Top-Karriere. Wer nach dem Abi Basisarbeit am Kunden geleistet hatte und sich dann akademisch ausbilden ließ, hatte beste Chancen, alsbald eine Führungsposition zu erklettern. Auch heute noch plant mancher Auszubildende, speziell die Versicherungs- und Bankkaufleute, die Zweigleisigkeit von vornherein ein.

Fast jeder dritte Abiturient hat 1998 eine Lehre begonnen. Bankkaufmann/-frau war der Renner, gefolgt von Ausbildungen im Groß- und Außenhandel, bei Versicherungen und im Steuerfach. Im Schnitt hat die Hälfte dieser Azubis Abitur gemacht. Nur in den neuen Berufen des Fachinformatikers und Mediengestalters sind es noch mehr.

Was nach der Lehre kommen soll, darüber machen sich die meisten zunächst nicht allzu viele Gedanken. Nur sieben Prozent waren sich bei Lehrbeginn bereits sicher, dass sie noch die Uni dranhängen wollen, ergab eine Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) in Hannover.

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Zielstrebig studieren

Doch was bringt die Lehre? „Studenten mit Ausbildungsabschluss sind viel zielbewusster und ihren Kommilitonen fachlich und menschlich voraus“, lobt Peter Eyerer, Leiter des Instituts für Kunststofftechnik an der Uni Stuttgart. Er sucht seine wissenschaftlichen Mitarbeiter sogar danach aus, lobt seine interdisziplinäre Mannschaft, die ganz unterschiedliche Ausbildungsab- schlüsse vorweisen könne. „Ich habe zuvor elf Jahre in der Industrie gearbeitet und mit Doppelqualifizierten nur positive Erfahrungen gemacht,“ sagt er.
Sein Kollege Karl-Werner Hansmann, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg, sieht die Doppelqualifikation nicht ausschließlich positiv. Zwar lobt auch er das Studierverhalten der Ex-Azubis: „Sie nehmen in den ersten Semestern die Arbeit ernster, haben ein besseres Arbeitsverhalten, sind ordentlich und zuverlässig. Sie haben gelernt, wirtschaftliche Gesichtspunkte zu beachten, und ihr Wissen um die praktische Anwendung kann ich gut mit der Theorie verknüpfen.“ Nach seiner Beobachtung erreichen Studenten mit Lehre im Grundstudium signifikant bessere Noten. Das hebt sich allerdings im Hauptstudium meist auf, wenn die anderen durch Praktika ebenfalls mehr Durchblick haben.

Hansmann warnt aber davor, eine Ausbildung in jedem Fall als nützliches Zusatzwissen für Abiturienten zu werten. Wer den Kenntnisstand des Gymnasiums mitbringe, sollte seinen Lehrbetrieb zumindest sehr sorgfältig aussuchen, um Enttäuschungen vorzubeugen: Die Lehre sei für Abiturienten in der Regel zu lang, die „langweilen sich oft nach einem halben Jahr“. Darüber hinaus würden sie oft zu wenig in die Abläufe eines Unternehmens eingebunden.

Ergänzung zum Bachelor

Trotz solcher Schwächen könnte die Lehre in Zukunft auch für Abiturienten eher noch an Bedeutung gewinnen. Karl-Heinz Minks vom HIS verweist auf den Trend zur Ausdifferenzierung der akademischen Abschlüsse. Er sagt eine Stärkung der betrieblichen Ausbildung vor allem durch den neuen Bachelorabschluss voraus, der Studenten ein komplettes Studium innerhalb von vier Jahren ermöglicht. „Der Bachelor allein wird nicht tragfähig sein für berufliche Zukunftsperspektiven, so dass modulare Bildungsstrategien ­ in welcher Reihenfolge Berufsausbildung und Studium dann auch immer stehen ­ an Attraktivität gewinnen.“ An den bisher üblichen Studiengängen moniert er den mangelnden Praxisbezug. „Da werden doch 27-jährige, hilflose Personen ins Berufsleben entlassen.“

Keine Garantie

So sinnvoll die betriebliche Ausbildung für den Durchblick im Studium sein kann ­ ein Freifahrtschein für die berufliche Karriere ist sie deshalb noch nicht. Praxiserfahrung bekommt man auch woanders, und das vor allem in kürzerer Zeit, meint etwa Reiner Wolf, Sprecher für Personalthemen bei der Allianz in München: „Durch gute Praktika nämlich.“ Wolf sagt dies nicht ohne Eigennutz: 400 Praktikanten schleust die Allianz jährlich durch ihre Niederlassungen ­ und führt ihren Personalern somit interessante Kandidaten gleich zum Testen zu. „Natürlich haben wir auch viele Bewerber mit dem Rüstzeug Lehre und Studium und sehen das auch sehr positiv, weil wir großen Wert auf Praxiserfahrung legen.“ Einen entscheidenden Vorsprung im Einstellungsverfahren möchte Wolf den Doppeltqualifizierten aber nicht pauschal attestieren.
Wirklich sinnvoll findet dagegen Christiane Deselaers vom Verband Deutscher Steuerberater in Köln die Zweigleisigkeit. Sie begründet das mit dem Handwerkszeug wie Buchführung, Erstellen von Schriftsätzen oder dem Prüfen von Steuerbescheiden, das man in der Lehre vermittelt bekomme und auch später ständig brauche. „Das komplizierte Steuerrecht beschäftigt die ­ übrigens händeringend gesuchten ­ Steuerberater dann noch mehr als genug.“

Kombimodelle
Viele Unternehmen haben spezielle Programme entwickelt, um Nachwuchskräften neben deren akademischer Ausbildung auch gleich die begehrte Praxiskompetenz an die Hand zu geben. BMW in München beispielsweise hat dazu ein eigenes Programm aufgelegt, erläutert Christine Krepold, zuständig für die Nachwuchsförderung im Haus. „Dabei handelt es sich um eine zehnsemestrige Ausbildung mit Pra- xissemestern und Studium, zu der auch immer ein Auslandseinsatz gehört. Zuletzt haben wir 22 junge Leute in dieses Programm aufgenommen, auf das es einen großen Run gibt.“ Zwar hält der Autobauer auch ehemaligen Lehrlingen, die anschließend noch studiert haben, die Tür weit offen. „Das kann im gewerblich-technischen Bereich, aber auch bei Betriebswirtschaftlern sein“, meint Krepold. Eigengewächse aus dem Nachwuchsprogramm würden aber favorisiert.

Ein spezielles berufsbegleitendes Studium hat auch Provadis, ein aus der ehemaligen Hoechst AG in Frankfurt ausgegliedertes Ausbildungs-und Beratungsunternehmen, aufgelegt. Dazu der kaufmännische Leiter Udo Lemke: „Lehrlinge, die nach der Ausbildung noch studieren wollen, machen bei uns nur etwa fünf Prozent aus. Denn wir bieten auf unserem Campus Provadis Unternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet wie Braun, Fresenius oder der Deutschen Bank an, ihre Ausbildung durch zweitägige Vorlesungen pro Woche zu ergänzen.“ Dazu kommen Professoren der Fachhochschule Mainz ins Haus. „Charmante“ Vorteile laut Lemke: Die Auszubildenden können theoretisches Wissen immer gleich im Unternehmen anwenden, bekommen von Anfang an ein Gehalt und machen nach fünf Jahren einen Abschluss an der Fachhochschule.

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Banken setzen auf die Lehre

Auch die Banken haben in den letzten Jahren immer mehr unternommen, Theorie und Praxis schneller und sinnvoller zu verknüpfen ­ und setzen als ersten Baustein noch voll auf die traditionelle Lehre. Denn nur 30 Prozent dessen, was man im Studium lernt, kann man im Job wirklich gebrauchen, schätzt zum Beispiel Andreas Woy, Leiter der Commerzbank-Nachwuchsentwicklung in Frankfurt. Der Rest ist Erfahrung, Praxiswissen im konkreten Unternehmensumfeld eben. Durch eine vorgezogene Lehre könne man eine solche „stabile Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen. Das rechtfertigt den zeitlichen Mehraufwand durchaus“, meint Woy.

Bei der Commerzbank kommen ehemalige Lehrlinge während des anschließenden Studiums immer wieder in Studienkreisen zusammen, um sich je nach Eignung etwa im Investmentbanking oder der Kundenbetreuung praxisnah weiterzubilden.
Zurzeit sind das 300 Studenten, von denen 90 Prozent zuvor eine Lehre im eigenen Haus gemacht haben. Etwa 80 Prozent von ihnen werden nach Studienabschluss übernommen und können dann mit einer stark verkürzten Traineezeit rechnen: „Die dauert oft nur drei Monate.“
Auch bei der Dresdner Bank jobben ehemalige Lehrlinge als Trainee kürzer. „Ein halbes Jahr weniger ist drin“, meint Markus Piesker von der Management-Information. Insgesamt haben rund zehn Prozent der Mitarbeiter bei der Dresdner Lehre und Studium vorzuweisen.

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Die HypoVereinsbank in München bietet ausschließlich für eigene Azubis nach ihrem Abschluss ein berufsbegleitendes Studium an ­ mit wechselnden Tagen an der Uni und in der Bank. „Dies auf eine Lehre draufzusetzen, ist für uns der Königsweg“, erklärt Oliver Maassen als Leiter der Nachwuchsentwicklung. „Die Leute bleiben in Kontakt mit der Praxis, bekommen ihr Gehalt und werden danach als Trainee gleich ganz individuell eingesetzt“, allerdings ohne dass die Traineezeit verkürzt wird.
Er bricht eine Lanze für die Lehre: „Wenn ein Abiturient erst mal was Praktisches machen möchte und sich danach bewusst für ein bestimmtes Studium entscheidet, ist das allein schon Gold wert. Bricht doch immerhin jeder vierte Student sein Studium ab, weil es nicht das Richtige für ihn war.“

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