Wo sich Teilzeit lohnt

Nicht immer und überall verdienen Frauen weniger als Männer. Ausgerechnet im Teilzeitbereich, der für einen guten Teil des Gender Pay Gap verantwortlich ist, haben Frauen die Chance, mehr zu verdienen.

Nora Schareika, wiwo.de | 11.09.2018

Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen gehört zu den großen Ärgernissen unserer Zeit: Die einen zweifeln ihn an, die anderen halten ihn für einen Skandal. Am Ende steht Jahr für Jahr eine Zahl, die sich zumindest in Deutschland partout nicht nennenswert ändert: Männer verdienen insgesamt rund 22 Prozent mehr als Frauen. Einer der Gründe ist, dass 47 Prozent der Frauen in Deutschland nur in Teilzeit gegen Lohn arbeiten und den anderen Teil mit unbezahlter Care-Arbeit ausfüllen. Entsprechend verdienen sie weniger.

Diese Verteilung von Arbeit und Lohn wird vor allem bei Paaren mit Kindern deutlich. Nach einer gewissen Zeit sind die Karrierechancen für die teilzeitarbeitende Frau geschrumpft, ihr Mann ist aufgestiegen, der Zustand zementiert sich. Die Rede ist von der sogenannten Teilzeitfalle.

Nun spuckt die vierteljährliche Arbeitnehmerverdienst-Studie des Bundesamts für Statistik endlich einige für Frauen erfreuliche Zahlen aus – das Jobportal Adzuna hat aus den Tabellen einen Vergleich der Bruttoteilzeitgehälter zwischen Männern und Frauen extrahiert. Ergebnis: Es gibt tatsächlich Berufe, in denen sich eine Teilzeittätigkeit für Frauen lohnt, weil sie dann mehr verdienen als Männer mit reduzierter Stundenzahl. Aus der vermeintlichen Falle wird ein Vorteil, der Gender Pay Gap dreht sich um.

Frauen leicht im Vorteil

Zugegeben, von einem umgekehrten Lohnunterschied zu sprechen, ist eigentlich vermessen. Lediglich in drei Branchen haben teilzeitarbeitende Frauen mehr in der Lohntüte als ihre teilzeitarbeitenden männlichen Kollegen: In Verkehr und Lagerei ergibt sich ein Vorteil von 4,4 Prozent. Frauen verdienen hier bei 26 Wochenstunden durchschnittlich 2000 Euro brutto, Männer dagegen 1913 Euro. Im Baugewerbe haben Frauen mit 1842 Euro gegenüber 1777 Euro ihrer Kollegen einen Vorteil von 3,5 Prozent. Und im Gastgewerbe besteht ein kleiner Vorsprung von 2,7 Prozentpunkten mit 1313 Euro brutto versus 1277 Euro.

Man muss hier ironisch anmerken: Die beiden erstgenannten gelten nicht typischerweise als frauendominierte Branchen. Und die geringen Vorsprünge beim Gehalt in den drei Sparten stehen in der Destatis-Tabelle 21 Branchen gegenüber, in denen auch bei Teilzeitgehalt die Männer mehr verdienen.

Vier Branchen bestätigen zweistelligen Gender-Pay-Gap

Erträglich ist der Unterschied noch im Bereich Erziehung und Unterricht, wo viele Frauen arbeiten, aber ein Prozent weniger verdienen als Männer – 2801 Euro beziehungsweise 2774 Euro. Bei wirtschaftlichen Dienstleistungen liegen Männer 2,6 Prozentpunkte vor Frauen (2039 versus 1988 Euro), ebenso im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (1876 versus 1828 Euro). Im Dienstleistungsbereich erreicht die Lohnlücke zwischen Teilzeitbeschäftigten drei Prozent – 2367 Euro erhalten Männer durchschnittlich, 2297 Euro die Frauen.

Im einstelligen Bereich liegen dann noch das produzierende Gewerbe und Dienstleistungsbereich, sonstige Dienstleistungen, Handel sowie produzierendes Gewerbe und wirtschaftliche Dienstleistungen.

Vier Branchen liegen in der Liste beim Lohnunterschied immerhin noch beim Gesamt-Gender-Pay-Gap. Öffentliche und persönliche Dienstleistungen werden Frauen mit 11,8 Prozent niedrigerem Gehalt vergütet, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen mit 13,2 Prozent weniger. In Information und Kommunikation verdienen in Teilzeit arbeitende Frauen schon 17,9 Prozent weniger und im Gesundheits- und Sozialwesen 19,3 Prozent.

Nur ein kleiner Trost für unterbezahlte Frauen

Die größten Unterschiede zwischen den Gehältern zeigen sich in der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, hier liegen in Teilzeit arbeitende Männer satte 41,1 Prozentpunkte vor den Frauen, sowie im verarbeitenden Gewerbe, wo Frauen 43,1 Prozent weniger verdienen bei einer 26-Stunden-Woche.

Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Wie hoch der Gender-Pay-Gap ausfällt, hängt nicht nur von der Branche ab, sondern auch, in welcher Branche man sich für Teilzeit entscheidet. Im Vollzeitbereich ergeben sich zum Teil andere Unterschiede und in keiner Branche liegen die Frauen vorn. Dafür sind die Ausschläge geringer: Der höchste Pay-Gap liegt laut Destatis 2017 mit 32 Prozent im Bereich Kunst, Kultur und Unterhaltung. Im Gastgewerbe liegt der Unterschied bei Vollzeit bei sieben Prozent – hier ergab sich in Teilzeit ein leichter Vorteil für Frauen.

Allerdings ist die Gegenüberstellung insofern nur ein kleiner Trost für unterbezahlte Frauen, weil nach wie vor weniger Männer überhaupt Teilzeit arbeiten. Unter den Vätern mit Kindern unter sechs Jahren sind es gerade einmal sechs Prozent der Männer, die die Stundenzahl reduzieren. Unter den Müttern mit Kindern in diesem Alter sind es in Deutschland 72 Prozent. Insgesamt arbeiten neun Prozent der Männer Teilzeit und 47 Prozent der Frauen. Der reale Gender Pay Gap scheint damit vorerst kaum veränderbar zu sein.

Zuerst veröffentlicht auf wiwo.de