Arbeitsformen: Remotejobs sind das Homeoffice 4.0

Studien zeigen, dass Arbeiten im Homeoffice gut angenommen wird. Ein Gründer denkt weiter und setzt auf Remotejobs, also das Arbeiten von jedem beliebigen Platz aus.

Angelika Ivanov | 19.11.2021
Durch die Akzeptanz von Homeoffice könnte Remotearbeit, arbeiten ungebunden von Raum und Zeit, beliebter werden.

Digitale Nomaden I Durch die Akzeptanz von Homeoffice könnte Remotearbeit, arbeiten ungebunden von Raum und Zeit, beliebter werden.

Sebastian Schäffer reist gern. Er steht ungern früh auf. Und er kann das sehr gut mit seinem Job verbinden. Denn der 37-jährige Gründer arbeitet „remote“. Darunter versteht er, frei zu sein von einem bestimmten Ort. Frei von einer bestimmten Zeit. Das heißt, er konzentriert sich bei seiner Arbeit voll auf die Aufgaben und Ergebnisse.

„Den Begriff Homeoffice mag ich nicht“, sagt er. Denn dabei gehe es wieder um einen Ort. Das Zuhause.

Für ihn war wichtig, dass er durch freie Einteilung Arbeit und Lebensziele kombinieren konnte, anstatt mühsam auf ein Sabbatical hinzuarbeiten. Er weiß zu schätzen, dass er die Arbeit seinem Biorhythmus anpassen kann. „Ich bin später am Tag produktiv“, sagt er. Statt müde um sieben Uhr morgens in der Firma zu sein, steht er später auf und arbeitet eben dann.

Für viele Arbeitnehmer klingt das wie ein Traum. „Das würde bei mir nicht gehen, weil…“, lauten die Formulierungen.

„Geht doch!“ heißt es nun von den Forschern am Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Laut einer ersten Erhebung zu den Erfahrungen im Homeoffice sind viele Unternehmen positiv überrascht, wie gut es funktioniert.

IAO-Forscher Stefan Rief hat festgestellt, dass die Pandemie zwei wesentliche Einflüsse auf den Arbeitsalltag hat: Zum einen herrscht große Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Zum anderen könne der Corona-Shutdown als „radikale Einführung und das kollektive Einüben virtueller Formen der Zusammenarbeit durch die Arbeit von zu Hause und den Verzicht auf Reisen“ gesehen werden. Das habe Folgen für alle.

„In Zukunft wechselt niemand mehr wegen des Jobs die Stadt“

Auch Schäffer sieht die aktuelle Zeit als wichtiges Momentum. Jetzt haben sehr viele Menschen das Homeoffice mal durchlebt. „Das ist ein wichtiger Schritt für die Veränderung unserer Arbeitswelt.“

Seine Hoffnung ist, dass dadurch die Akzeptanz für die Arbeitsform steigt. „Jetzt wissen die Leute, dass die Arbeit zu Hause tatsächlich Arbeit ist. Homeoffice ist keineswegs eine Ausrede, um sich auf die faule Haut zu legen“, sagt er.

In Zukunft werden Menschen Jobs ohne die Chance auf „Homeoffice“ oder remote zu arbeiten gar nicht annehmen, ist er überzeugt. Deswegen hat er remotely.de gegründet, eine Stellenbörse ausschließlich für Remotearbeitsplätze.

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Er sieht darin viele Vorteile: „Gerade für Familien ist es viel einfacher, die Arbeit und die Freizeit zu vereinen.” Außerdem ist er fest davon überzeugt, dass „in Zukunft niemand mehr wegen des Jobs die Stadt wechselt”. Homeoffice sei kein Plus, sondern Grundvoraussetzung, um als guter Arbeitgeber angesehen zu werden. „Flexibilität ist wichtiger. Immer weniger Menschen sind bereit, für einen Job ihr ganzes Leben umzukrempeln.“

Studie: Arbeiten im Homeoffice ist entspannter

Auf Sicht der Unternehmen sei es eine gute Chance, um qualifizierte Fachkräfte zu finden. „Mit Remote-Arbeitsplätzen können sie deutschlandweit oder gar weltweit nach den Besten suchen,” sagt er.

Das bestätigen die Zahlen der Markenagentur Avantgarde, die mit dem Marktforschungsinstitut Splendid Research im April über 500 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Homeoffice befragt hat. Überraschende Erkenntnisse der Studie sind:

  • Die Mehrheit der Homeoffice-Arbeiter blickt optimistisch in die Zukunft.
  • Nahezu 40 Prozent finden, dass sich die staatlichen Maßnahmen rund um die Corona-Pandemie positiv auf ihre persönliche Situation auswirken.
  • 67 Prozent der Befragten sind der Meinung, ihr Unternehmen sei „eher gut“ bis „sehr gut“ auf den Umstieg auf Arbeit über digitale Kanäle vorbereitet gewesen.
  • Rund 60 Prozent jedoch fühlen sich im Homeoffice entspannter, fast die Hälfte produktiver und zufriedener. Über die Hälfte der Befragten hat mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbies.
  • Ein Drittel der Befragten bemerkt erste physische oder psychische Beschwerden aufgrund der Maßnahmen rund um die Corona-Pandemie.
  • 90 Prozent sehen es als Herausforderungen für ihre Unternehmen an, Arbeitsmoral und Motivation aufrechtzuerhalten sowie die Arbeitsplätze zu sichern.
  • Genauso viele gaben an, dass der soziale Ausgleich durch die Kollegen fehle.
  • Zwei Drittel aller Befragten sehnen sich nach dem gewohnten Alltag im Büro zurück.

Schäffer überraschen die Ergebnisse nicht. Auch wenn die Erfahrungen im Homeoffice gut sind, wollen viele zurück ins Büro, zurück zur Normalität. Daran sind die Menschen gewöhnt. Die Frage ist, ob diese Normalität für Arbeitnehmer bleibt.

Durch seine Plattform hat der Gründer seit März mit mehr als 300 Personalern gesprochen. Immer stand die Frage im Raum: Werden Sie Remotearbeitsplätze einrichten oder zum Standard werden lassen?

Homeoffice ist mehr als ein Ortswechsel

Sein Fazit lautet: Die deutschen Unternehmen hinken technisch noch hinterher. Und die meisten zögern. Gerade sei alles zu unsicher, zu ungewiss. Viele Firmen wollen neue Arbeitsformen irgendwann ausprobieren, aber nicht jetzt.

Denn sie haben auch gemerkt, dass Homeoffice mehr bedeutet, als nur den Ort zu wechseln. Es müssen neue Arbeitsprozesse in Gang gesetzt werden, neue Abstimmungen stattfinden.

Geht es nach Schäffer, müssen vor allem grundsätzlich mal alle umdenken: „Wir müssen aufhören in Stunden und Arbeitszeit zu denken“, sagt er. Es sollten einzig die Ergebnisse zählen. Außerdem sollten Lebensqualität wie Freiheit, Wertschätzung und Selbstbestimmtheit die Triebfeder der modernen Arbeitswelt werden.

Die aktuelle Krise sieht er als Chance in diese Richtung. Er sei jedoch wenig optimistisch, dass sich auch wirklich etwas tue, sagt er. „Ich denke, dass viele danach zum Business as usual zurückkehren. Einfach, weil sie es schon immer so gemacht haben.“

Für ihn wäre es das schlechteste Argument überhaupt.

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