Mit Kunst Geld verdienen

Der Kunstmarkt bietet Jobs in Galerien, Museen und bei Versicherern. Gesucht werden aber nicht nur Kunsthistoriker: Auch Juristen, Ökonomen und Absolventen anderer geisteswissenschaftlicher Studiengänge haben Chancen. Die begehrten Jobs sind allerdings hart umkämpft.

Sonja Pohlmann, Johannes Gernert | 11.09.2018

Champagner gibt es bei Christian Lethert nicht. Auch keine Häppchen, die hübsch mit Kaviar oder Scampis dekoriert sind. Stattdessen serviert er seinen Gästen kühles Kölsch zur Kunst, die im Mittelpunkt stehen soll, wenn er zur Vernissage lädt. Lethert, 27, ist einer der jüngsten Galeristen in Deutschland. All das Bussi-Bussi hier und Chi-Chi da, das mit dem Boom um die zeitgenössische Kunst in den vergangenen Jahren aufkam, versucht er zu vermeiden.

Nicht nur, wenn er selbst zu Ausstellungseröffnungen reist, sondern auch in seiner eigenen Galerie. Als er sie im August 2006 eröffnete, erfüllte sich für ihn ein Traum. Mitten im Belgischen Viertel von Köln zeigt er auf rund 120 Quadratmetern alle sechs bis acht Wochen neue Ausstellungen, zuletzt eine Gruppenschau mit zeitgenössischen Künstlern wie Imi Knoebel und Katharina Sieverding. Sich so jung wie Lethert in der Kunstbranche selbstständig zu machen, ist ungewöhnlich. Denn wer als Galerist erfolgreich sein will, muss Künstler kennen, die ihm seine Werke anvertrauen, und Sammler, die diese Kunst dann kaufen.

Normalerweise bedarf es einiger Jahre, bis dieses Vertrauensverhältnis gewachsen ist. Bei Lethert ist das kaum anders, außer dass er schon als Schüler begann, bei dem renommierten Galeristen Erhard Klein in seiner Heimat Bad Münstereifel zu jobben. Später wurde er dessen Assistent und konnte sein Netzwerk nach und nach aufbauen.

Praktikum als Einstieg

Die meisten Karrieren in der Kunstbranche beginnen dagegen mit einem Praktikum, sagt Klaus Gerrit Friese, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Editionen (BVDG). Dann erst folge eine Assistentenstelle in einer Galerie, irgendwann vielleicht der Aufstieg zum Manager oder Direktor. Der Weg an die Spitze eines Museums, Auktionshauses oder einer Galerie ist lang und steinig. Und die Jobs zwischen Picasso und Immendorff heiß begehrt. Auch zahlreiche Banken und Unternehmen verfügen über eigene Kunstsammlungen oder unterstützen als Mäzene auf Zeit Projekte. Manche betreiben eigene Kunsthallen oder Museen.

Außerdem gibt es Versicherungen wie Axa und Allianz, die eigene Sparten für den Schutz von Gemälden und Skulpturen haben. In den vergangenen Jahren schien es, als ließe sich gerade mit bildender Kunst das große Geld machen. Der Markt, der seine Preise ohnehin nach eigenen Gesetzen festlegt, war überhitzt. Investoren pumpten Millionen in die Branche, die Künstler kamen mit der Produktion kaum nach.

Auch in der Krise, die zu einer deutlichen Abkühlung führte, bleibt die Szene schwer berechenbar. Einerseits spüren die Auktionshäuser und Galerien weltweit, dass die Käufer vorsichtiger geworden sind. Andererseits brachten die 733 Werke aus Yves Saint Laurents posthum versteigerter Sammlung Ende Februar die Rekordsumme von 373 Millionen Euro ein. Die Entwicklung der letzten Jahre hat auch Bewerber angelockt, die auf einen coolen Job mit SchampusGlamour und trendigen Vernissagen hofften.

Das aber ist „leider eine Illusion“, sagt Branchenkenner Friese. Das Klischee vom glamourösen Leben trifft eher selten zu. Trotzdem bleibt die Branche bei Absolventen beliebt, vor allem bei Kunsthistorikern, aber auch bei Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern wie Christian Lethert. Im Gegensatz zum Einstieg in einem Museum, wo fast immer eine Promotion vorausgesetzt wird, um eine der wenigen Volontariatsstellen zu ergattern, ist der Start bei einer Galerie oder einem Auktionshaus meist unkomplizierter, sagt Katharina Corsepius, Geschäftsführerin des Verbands der Kunsthistoriker in Deutschland.

Gefragt sind dort vor allem praktische Fähigkeiten, beispielsweise um den Preis für ein Bild zu finden, um Künstler, Kunstwerke und Kunden zu akquirieren oder um einen Katalog zu erstellen. Ohne Praktika während des Studiums geht es deshalb nicht.

Das künstlerische Sehen schulen

„Die Plätze in den bekannten Museen und Galerien sind allerdings ziemlich überlaufen“, sagt Corsepius. Meist sind die Chancen bei kleineren Ausstellern besser. Auf eine üppige Bezahlung dürfen aber nur die wenigsten Studenten hoffen. Häufig sind die Praktika unbezahlt. Wie viel sich später als Mitarbeiter in einer Galerie verdienen lässt, variiert stark, je nach Erfahrung des Bewerbers und Größe des Hauses.

Trainees verdienen etwa 1200 Euro, ein Assistent kann mit 2500 bis 3000 Euro rechnen, der Manager einer Galerie mit 4000 Euro, sagt BVDG-Vorsitzender Friese. Hinzu kommen oft Provisionen für verkaufte Bilder. Corsepius‘ Tipp für alle, die im Kunstmarkt oder in der Kunstberatung arbeiten wollen: rein in Museen, Galerien und Ausstellungen. „Nur wer sein Auge an Originalen schult, durch Auktionskataloge blättert und sich permanent mit Kunst beschäftigt, lernt qualitätsvolle Kunst zu erkennen.“

So wie Franziska Stalleicken. Schon als Kind wurde sie von ihren kunstbegeisterten Eltern mit ins Museum genommen – damals war sie allerdings nur mäßig interessiert. Erst während eines einjährigen Schüleraustausches in Brasilien merkte sie, wie wichtig ihr die Kunst ist. Dort gab es nämlich kaum Museen, die Besuche fielen aus. „Mir wurde klar, dass ein Leben ohne Kunst für mich nicht mehr denkbar ist“, sagt die 27-Jährige heute. Sie studierte erst Jura, merkte aber schnell, dass Kunst für sie nicht nur Hobby, sondern auch Beruf werden sollte.

Deshalb bewarb sie sich bei Christie’s in London. Das renommierte Auktionshaus bietet wie auch Konkurrent Sotheby’s ein auf den Kunsthandel ausgerichtetes Studium an – attraktiv vor allem für Juristen, aber auch für Wirtschaftswissenschaftler oder Absolventen ä anderer Studiengänge, die sich auf den Handel mit Kunst spezialisieren wollen. Nach einem wahren Bewerbungsmarathon bekam Franziska Stalleicken die Zusage und unterbrach ihr Referendariat. Sie paukte Kunstgeschichte statt Paragrafen und führte Diskussionen mit Sammlern, Kunsthändlern, Galeristen und Künstlern statt mit Richtern und Staatsanwälten.

Elitäre Ausbildung

So elitär die Ausbildung, so teuer ist sie auch: Zwischen 18000 und 24000 Euro kostet das einjährige Studium. Hinzu kommen Unterkunft und Verpflegung im teuren London. Franziska Stalleicken wurde von ihren Eltern unterstützt. Das Institut vergibt zwar vier Stipendien, doch die sind bei insgesamt 140 Studenten schnell verteilt. Für die Deutsche hat sich der Einsatz gelohnt.

Nach ihrer Ausbildung ergatterte sie einen der begehrten Plätze in Christie’s hauseigenem Traineeprogramm. Jetzt lernt sie, wie man die Kunstbestände von Privatkunden bewertet, wenn diese einige Werke aus ihrem Besitz versteigern wollen: Wer ist der Künstler, aus welcher Epoche stammt er, welchen Wert hat das Werk? Und, vor allem: Ist das Gemälde echt?

Julia Rosenbaum muss keine Angst haben, dass die Kunst gefälscht ist, mit der sie täglich zu tun hat. Sie ist Gallery Manager und leitet das Deutsche Guggenheim in Berlin, einem Joint Venture zwischen der Deutschen Bank und der Solomon R. Guggenheim Foundation in New York. Berühmte Künstler wie kürzlich Anish Kapoor stellen in dem 350 Quadratmeter großen Raum ihre Werke aus. Alle paar Monate wechseln hier die Ausstellungen, etwa drei bis vier sind es insgesamt pro Jahr.

Rosenbaum steckt deshalb ständig in Vorbereitungen für die nächste Ausstellung, während sie noch das Programm für die laufende betreut. Dafür steht die 30-Jährige in ständigem Kontakt mit ihren Kollegen in Frankfurt, wo in der Zentrale der Deutschen Bank auch die Abteilung Kunst untergebracht ist. Kein anderes Unternehmen weltweit hat eine so bedeutende Kunstsammlung wie das deutsche Geldinstitut. Insgesamt 53000 Werke umfasst die Sammlung.

Insgesamt 53000 Werke umfasst die Sammlung. Doch sie ist längst nicht der einzige Bereich, in dem sich Mitarbeiter der Deutschen Bank mit Kunst beschäftigen. Im Private Wealth Management etwa gibt es eine eigene Abteilung für Kunstberatung. Wenn Kunden ihr Vermögen in Kunst investieren oder ihre Sammlung neu strukturieren möchten, wenden sie sich an Christina Schroeter-Herrel und ihr Team.

Die Kunden sind wohlhabend, oft geht es um Summen in Millionenhöhe. „Ein einfühlsames, diskretes Auftreten und gute Umgangsformen sind unerlässlich“, sagt Abteilungsleiterin Schroeter-Herrel. Regelmäßig besuchen die Berater ihre Klienten, um die Sammlungen zu sichten und zu bewerten, beispielsweise, wenn ein Werk ver- oder gekauft werden soll.

Die Arbeit als Kunstberater

Schroeter-Herrel ist genau wie ihre Mitarbeiter Kunsthistorikerin. Nach ihrer Ansicht ist das Studium ideal für den Beruf des Kunstberaters im Private Wealth Management. „Um möglichst umfassend Rat geben zu können, ist es wichtig, sich nicht nur in der zeitgenössischen Kunst auszukennen, sondern auch von älteren Epochen, Design und Kunsthandwerk Ahnung zu haben.“

Ihre Empfehlung für junge Kollegen: „Bloß nicht mit dem eigenen Wissen prahlen. Man muss als Berater vor allem zuhören können. Die Gespräche sind mit hoher Emotionalität verbunden, hinter der Kunstsammlung steht oft ein ganzes Lebenswerk.“ Obwohl es in der Branche nicht selten um Millionensummen geht, wird über Geld nicht gerne geredet. Der Tagessatz eines Kunstberaters sei mit dem eines Anwalts vergleichbar, so Schroeter-Herrel.

Freie Stellen gibt es derzeit weder in der Kunstberatung noch in der Kunstsammlung der Deutschen Bank; Praktikanten bekommen jedoch regelmäßig eine Chance, den Arbeitsalltag kennenzulernen. Wer sich bewerben will, sollte sich in der Kunstgeschichte auskennen; ein geisteswissenschaftliches Studium ist gerne gesehen.

Auch bei Axa Art, dem weltweit größten Kunstversicherer, sind die Geisteswissenschaftler in der Überzahl. Nur vier der zehn Art Experts, die deutschlandweit für den Versicherer im Einsatz sind, haben eine wirtschaftswissenschaftliche oder juristische Ausbildung. So wie Iris Handke, die Jura und Kunstgeschichte studiert hat. „Eine klassische juristische Laufbahn hat mich nie gereizt“, erzählt die 31-jährige Sachverständige.

Fachübergreifendes Wissen ist von Vorteil

Ihr Job ist es, den Wert von Bildern, Skulpturen und Antiquitäten realistisch einzuschätzen – und damit die Versicherungssumme einzuschätzen. Dafür fährt sie auch zu ihren Kunden, um festzustellen, wie die Werke gesichert sind und ob sie ordentlich konserviert werden. Ein Aquarell hat beispielsweise nichts am Südfenster verloren.

Zu viel Sonne. Ob ein Bewerber souverän genug auftritt, um mit den oft sehr wohlhabenden Kunden umgehen zu können, wird bei Axa Art nicht nur in einem Vorstellungsgespräch getestet, sondern auch bei einem gemeinsamen Mittagessen. Kein Problem für Handke: Wie man den Kunden als König behandelt, lernte sie schon als Schülerin bei ihrer Mutter. Die besitzt im bayerischen Amberg ein Geschäft für exklusive Inneneinrichtung.

Julia Rosenbaum, 30, leitet das Ausstellungshaus Deutsche Guggenheim

Das Aus für ihre eigene Künstlerkarriere kam früh. Als Jugendliche hatte Julia Rosenbaum Skizzen und Skulpturen aus Ton angefertigt – bis sie sich kurz vor dem Abitur mit Kunstgeschichte befasste. „Das faszinierte mich viel mehr“, sagt sie. Kreativ ist sie heute immer noch, aber statt selbst zu malen, organisiert sie inzwischen Ausstellungen anderer Künstler. Rosenbaum ist Gallery Manager, sie leitet das Deutsche Guggenheim in Berlin-Mitte, an dem auch die Deutsche Bank beteiligt ist.

Ausschlaggebend für ihre Besetzung: Sie kennt die Kunstsammlung der Bank seit ihrem Praktikum in der Frankfurter Zentrale vor fünf Jahren. Damals studierte sie Kunstgeschichte, Archäologie und Erziehungswissenschaft. Zuletzt koordinierte sie für die aktuelle Schau „Picturing America“, die Werke des Fotorealismus zeigt, den Transport der Bilder aus den USA nach Berlin und organisierte den Aufbau und die Eröffnungsfeier. „Ein echter Traumjob“ sei das, schwärmt Rosenbaum. Anfangs bereitete ihr die neue Verantwortung zwar schlaflose Nächte. „Mittlerweile bin ich aber viel gelassener.“

Christian Lethert, 27, hat in Köln seine eigene Galerie gegründet

Für zwei Stunden Vernissage nach New York fliegen – ein solcher Kurztrip gehört für Christian Lethert zum Geschäft. Zumindest wenn es um die Ausstellung des Malers und Bildhauers Imi Knoebel geht, dessen Bilder Lethert in seiner Galerie verkauft. Es ist die Verbindung des Angenehmen mit dem Nützlichen. „Als Galerist kann ich meine Leidenschaft für Kunst und mein ökonomisches Know-how perfekt verbinden“, sagt er.

An der FH Bonn-Rhein-Sieg studierte er BWL, seine Diplomarbeit schrieb er über die „Existenzgründung im Kunstmarkt“. Wie der Kunsthandel funktioniert, hat Lethert früh gelernt. Auf der Suche nach einem Nebenjob landete er als 16-Jähriger in der Galerie von Erhard Klein in seiner Heimat Bad Münstereifel. Später wurde er dessen Assistent. Seit 2006 ist Lethert selbstständig. Manchmal verkauft er wochenlang kein einziges Bild, dann wieder kurz hintereinander mehrere Werke im oberen fünfstelligen Bereich. Und davon lässt sich leben. Üblich ist, dass der Galerist zwischen 30 und 50 Prozent der Einnahmen behält.

Iris Handke, 31, ist Sachverständige beim Kunstversicherer Axa Art

Dass Iris Handke nicht Rechtsanwältin werden wollte, war ihr schon in den ersten Semestern ihres Jura-Studiums klar. Malerei hat sie dagegen, dank ihrer kunstinteressierten Mutter, schon immer fasziniert. Warum das Hobby also nicht zum Beruf machen? So begann die Münchenerin nach dem ersten Staatsexamen, Kunstgeschichte zu studieren. Das analytische Denken der Juristin und das Fachwissen der Kunsthistorikerin verbindet sie heute bei ihrem Job bei Axa Art, einem der weltweit größten Kunstversicherer.

Sie ist Sachverständige und beurteilt, wie viel ein Gemälde wert ist und welche Versicherungssumme angesetzt werden muss. Dafür brütet sie über Paragrafen und Versicherungsbedingungen, durchforstet Datenbanken und sichtet Auktionsergebnisse. Manchmal, wenn sie in ihrer Freizeit durch die Münchener Pinakothek geht, zuckt sie zusammen, sobald sich ein Besucher einem Bild zu sehr nähert. Sie hat Angst, er könnte das Gemälde beschädigen. „In solchen Momenten denke ich, dass ich vielleicht langsam berufskrank werde“, sagt sie und lacht.